Der Heilige Ulrich als europäischer Heiliger?
Vortrag des Sudetendeutschen Priesterwerks und der Ackermann-Gemeinde beim Sudetendeutschen Tag
Die Stadt Augsburg war diesmal auch aus dem Grund Ort des Sudetendeutschen Tages, weil das Bistum Augsburg derzeit das Ulrichsjubiläum 2023/24 feiert. Damit wird der Bistumspatron, der heilige Ulrich, gewürdigt, der vor 1100 Jahren – im Jahr 923 – die Bischofsweihe erhalten hat und 973, also vor 1050 Jahren verstarb. Mit der Frage, ob dieser zu einem Heiligen für Europa ernannt werden soll, befasste sich ein Vortrag des Sudetendeutschen Priesterwerks und der Ackermann-Gemeinde am Nachmittag des Pfingstsonntags.
Den erwähnten Anlass zum Jubiläum und das 50-jährige Wirken Ulrichs als Bischof griff in seiner Einführung Mathias Kotonski, Beisitzer im Vorstand des Sudetendeutschen Priesterwerks, auf. „Ulrich war ein sehr aktiver Mensch, ein großer Bischof und Heiliger“, fasste er zusammen und leitete auf den Vortrag von Domkapitular Dr. Thomas Groll über, der Bistumshistoriker in Augsburg und Vorsitzender des Bischöflichen St.-Ulrich-Komitees ist.
Kurz stellte Groll die momentanen europäischen Heiligen (Benedikt, Kyrill und Method, Katharina von Siena, Birgitta von Schweden, Edith Stein) vor. Er berichtete von der Fahrt einer Delegation des Bistums zur Europäischen Kommission nach Brüssel im September letzten Jahres, wo das Bistumsanliegen, den heiligen Ulrich in die Riege der Europa-Heiligen aufzunehmen, vorgetragen wurde. Die Kommission habe das aber nicht als ihre Aufgabe gesehen, so Groll zum Ergebnis der Exkursion. Natürlich versuche auch der Augsburger Bischof Dr. Bertram Meier, dieses Anliegen bei den zuständigen Stellen im Vatikan voranzutreiben.
Mit drei Attributen charakterisierte Groll den Bistumspatron: mutig, sozial, europäisch. Der Mut Ulrichs drücke sich im Einstehen für seinen Glauben aus. „Er war viel mit dem Pferd oder Ochsenkarren unterwegs – zu Firmungen, Gottesdiensten, zu den Bergbauern, Kirchweihen usw. Für die heutige Zeit bedeute das, so der Domkapitular, in schwierigen Zeiten zusammenzustehen und das Gute in der Kirche darzustellen. Der soziale Aspekt sei zu Ulrichs Zeiten anders gewesen. Bei ihm drückte sich dieser vor allem im Umgang mit Armen und Bedürftigen aus. „Er hat sich erst zum Essen hingesetzt, wenn er gewusst hat, dass die armen Leute auch versorgt waren und zu essen bekamen. In der Karwoche bei der Fußwaschung hatte er immer Geschenke für die Armen, zum Beispiel einen Fisch (eines seiner Symbole), dabei“, schilderte der Priester. Übertragen auf jetzt sei es wichtig, „dass wir auch heute in Europa für die Armen und Bedrängten da sind. Hier ist Ulrich ein Vorbild“, so Groll vertiefend. Zum europäischen Aspekt verwies er auf die Vermittlung des Friedens von Tussa (Illertissen) im Jahr 954 durch Ulrich, was dann im Jahr darauf für die siegreiche Schlacht auf dem Lechfeld gegen die Ungarn von Vorteil war. Die damalige Abwehr der ungarischen Aggressoren verglich Groll mit dem Krieg Russlands gegen die Ukraine, wo Abwehr und Verteidigung gerechtfertigt waren beziehungsweise sind. „Die Bischöfe hatten damals wichtige Funktionen, um das Reich zusammenzuführen – auch Bischof Ulrich“, erläuterte der Historiker und bezeichnete den heiligen Ulrich daher als Prototyp eines Europäers. Dass in der Folge der Schlacht auf dem Lechfeld dann Ungarn missioniert wurde und Stephan I. der erste christliche König Ungarns wurde – und Ungarn damit ein „festes Glied der europäischen Völkerfamilie“, erwähnte Groll ergänzend. Die Verehrung des heiligen Ulrichs mit zahlreichen Kirchenpatronaten, Ulrichsbrunnen usw. in Deutschland, Österreich, der Schweiz, Italien, Frankreich und Ungarn sei außerdem ein eindrucksvolles Zeugnis, „dass der heilige Ulrich für Europa ein gutes Vorbild sein kann“, so Groll zusammenfassend.
Bei den Fragen der Zuhörerinnen und Zuhörer wurde deutlich, dass der Name Ulrich in der entsprechenden Übersetzung wohl auch im slawischen Bereich stark verbreitet war, vor allem nach dem Jahr 955. In Deutschland seien aktuell die Vornamen Ulrich und Ulrike hingegen eher selten.
Markus Bauer