Bischof Rudolf Voderholzer am Altar, links Diakon Johannes Lackermair

Gottesdienst beim Sudetendeutschen Tag

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Nicht in einer Messehalle, sondern in der altehrwürdigen Kirche „St. Michael“ im Zentrum Münchens fand das Pontifikalamt zum 71. Sudetendeutschen Tag statt, das federführend die Ackermann-Gemeinde organisierte. Hauptzelebrant war der Regensburger Bischof Dr. Rudolf Voderholzer, dessen Vorfahren mütterlicherseits aus Kladrau/Kladruby stammen. In seiner Predigt ging er auf die Wurzeln Europas ein: „Die Seele Europas ist das Christentum, dessen Wasserzeichen ist das Kreuz Christi, das schon Vieles zum Guten gewendet hat.“
Nach dem feierlichen Einzug, begleitet von mehreren Fahnen- und Bannerträgern, und dem gemeinsam gesungenen Lied „Wohin soll ich mich wenden“ aus der Schubert-Messe hieß der Präses der sudetendeutschen Katholiken und Geistliche Beirat der Ackermann-Gemeinde Monsignore Dieter Olbrich besonders den Oberhirten, aber auch den Vorsitzenden der Sudetendeutschen Landsmannschaft und Sprecher der Sudetendeutschen Volksgruppe Bernd Posselt sowie den Geistlichen Beirat der Sdružení Ackermann-Gemeinde Monsignore Adolf Pintíř willkommen. „Es ist eine gute Tradition, im Rahmen des Sudetendeutschen Tages bei einem Gottesdienst Freude, Trauer, Dank und Sorge vor Gott zu bringen und uns und unser Wirken für die Versöhnung Europas unter Gottes Segen zu stellen“, erklärte der Präses und wies auf die Wurzeln des Bischofs in Böhmen, dessen Prägung dadurch und die Verbundenheit hin.

Eucharistiefeier in einem ganz besonderen Gotteshaus

„Ich freue mich sehr und danke Ihnen für den Mut, in diesem Jahr den Sudetendeutschen Tag in einem kleinen, coronagerechten Format abzuhalten“, drückte Bischof Voderholzer seine Anerkennung aus und freute sich, in seiner Heimatstadt München und in dieser ganz besonderen Kirche Eucharistie feiern zu dürfen. Vor allem erinnerte er an die von diesem Gotteshaus ausgehenden Aktivitäten gegen die NS-Machthaber und -Ideologie (Predigten von Kardinal Michael Faulhaber, Wirken von Pater Rupert Mayer)

Bedeutung der Jesuiten in Bayern und Böhmen

In seiner Predigt ging Bischof Voderholzer zunächst auf das seit 2016 vor dem Volksaltar stehende Kreuz des flämisch-italienischen Künstlers Giambologna ein, „ein monumentales Kreuz“, so der Oberhirte. Ebenso zitierte er den früheren deutschen Bundespräsidenten Theodor Heuss, der von drei Hügeln, auf die Europa gegründet ist, gesprochen hat: die Akropolis in Athen (Philosophie, Ursprung der Demokratie), die Hügeln des Kapitols in Rom (römisches Recht) und die Hügeln Golgothas (Kreuzigung Jesu, Erlösung, Inbegriff des christlichen Glaubens). Zu ergänzen seien diese drei durch den Berg Sinai (jüdische Tradition, zehn Gebote) und den Monte Cassino, das Urkloster der Benediktiner. Von hier habe sich ein Netzwerk an Orden, Klöstern und geistig-geistlicher Kraft entfaltet, die wesentlich die Kultur des Abendlandes und der ganzen Welt prägt. Besonders würdigte Bischof Voderholzer das Wirken der Jesuiten ab dem 16. Jahrhundert im Machtbereich der Habsburger und Wittelsbacher mit Zentren in Prag und München, aber auch vielen anderen Wallfahrtsorten. Bis zum aufkommenden Nationalismus seien die Jesuitenkollegien mit ihren Predigtkirchen „geistige Kraftwerke“ gewesen, auch durch ihre vielfältigen Tätigkeitsfelder (Schauspiel, Krippenkunst, Unterricht, Liturgie, Predigt). Mit der Silvesterpredigt Kardinal Faulhabers 1933 sei diese Kraft erneut zurückgekehrt. „Wir sind nicht mit deutschem Blut erlöst, wir sind mit dem Blut unseres Herrn erlöst“, entlarvte der damalige Münchner Oberhirte das gottlose Wesen der NS-Ideologie und deutete damit auch jüdisches Blut an. „Das war eine theologische Aussage, die jedem Rassismus widersprach, eine Bloßstellung der Blut- und Boden-Ideologie“, interpretierte der Regensburger Bischof und richtete den Blick nach vorne: „Das Kreuz Jesu Christi steht für alle Zeit für Versöhnung – auch zwischen Tätern und Opfern, für die Achtung der Würde eines jeden Einzelnen, Schwachen und Hilfsbedürftigen. Vor dem Kreuz muss sich niemand fürchten. Es gibt Kraft für Verständigung. Die Seele Europas ist das Christentum, dessen Wasserzeichen ist das Kreuz Christi, das schon Vieles zum Guten gewendet hat. Dem Sudetendeutschen Tag wünsche ich viel Erfolg, dass das Werk der Völkerverständigung in einer guten Weise fortgesetzt wird. Bauen wir Brücken mit Christus!“, schloss Bischof Voderholzer seine Predigt.

Fürbitten für Vertriebene einst und jetzt

In den Fürbitten, die der Träger des diesjährigen Karls-Preises Daniel Herman, ehemaliger tschechischer Kulturminister und Vorsitzender der tschechischen Sdružení-Ackermann-Gemeinde zusammen mit dem früheren Geschäftsführer der Ackermann-Gemeinde im Erzbistum München-Freising Lothar Palsa vortrug, wurde auch der Opfer von Krieg und Vertreibung – früher und heute – gedacht, ebenso der Opfer der jüngsten Flutkatastrophen in Tschechien und Deutschland. „Für all jene, die aus ihrer Heimat vertrieben wurden und dabei ihr Leben verloren, denen der Verlust ihrer Heimat Herz und Seele schwer machte und für all jene, die in fremder Erde bestattet wurden“, lautete eine der Fürbitten.

Deutliche Worte an tschechische Politik

Ein Grußwort der Tschechischen Bischofskonferenz sprach am Ende des Gottesdienstes Monsignore Adolf Pintíř. Er zitierte darin aus Erinnerungen eines Vertriebenen an den Mai 1946 mit einschneidenden Eindrücken. Zum einen an die rasante Fahrt in einem Lastwagen, die mit dem Satz „Jetzt geht es in die Hölle“ kommentiert wurde, zum anderen an die Zugfahrt von Kaplitz nach Furth im Wald mit folgendem Satz: „In allen Schwierigkeiten: die Mutter war es, die mich heil in die neue Heimat gebracht hat“. Auch 75 Jahre nach der Vertreibung der Sudetendeutschen sei es, so der Geistliche, noch sinnvoll, sich zu erinnern. „Niemand darf jemand anderen in die Hölle schicken. Es gibt keinen Grund dafür. Gott hilft uns immer mit seiner mütterlichen Liebe. Immer ist seine göttliche Hand bei uns.“ Und in Richtung tschechische Politik wurde er deutlich: „Es tut mir leid, dass mehr als 30 Jahre nach dem Fall des Eisernen Vorhangs wir in Tschechien immer noch nicht wissen, was wir mit der Vertreibung der Deutschen verbrochen haben.“
Die Lesung trug Anita Langer, die Vorsitzende der Ackermann-Gemeinde im Erzbistum München/Freising, vor. Das Evangelium las Diakon Dr. Johannes Lackermair. Die Kollekte ging an die Caritas im Bistum Brünn zur Unterstützung der Opfer bzw. für den Wiederaufbau nach der Tornado-Katastrophe am 24. Juni in Südmähren. Musikalisch gestaltete den Gottesdienst die Gartenberger Bunkerblasmusik unter der Leitung von Roland Hammerschmied.

Text und Foto: Markus Bauer