Kardinal Josef Beran und sein Verhältnis zu den (Sudeten)Deutschen
Vortragsveranstaltung der Ackermann-Gemeinde beim Sudetendeutschen Tag
Im heuer coronabedingtem abgespeckten Programm des Sudetendeutschen Tages ließ es sich die Ackermann-Gemeinde nicht nehmen, eine Vortragsveranstaltung anzubieten – sogar mit zwei Referenten. Die beiden Referate widmeten sich im Adalbert-Stifter-Saal des Sudetendeutschen Hauses unter dem Titel „Neue Erkenntnisse über Josef Kardinal Beran“ dem nach dem Zweiten Weltkrieg wirkenden Prager Erzbischof.
In seiner Einführung machte Matthias Dörr, der Bundesgeschäftsführer der Ackermann-Gemeinde, deutlich, dass schon seit 1999 der Seligsprechungsprozess für Kardinal Beran läuft und besonders 2018, als dessen sterbliche Überreste von Rom nach Prag überführt wurden, Diskussionen über seine Person und sein Wirken aufgekommen seien. Das habe den Bundesvorstand der Ackermann-Gemeinde dazu veranlasst, sich mit Partnern in Tschechien (z.B. Tschechische Christliche Akademie, Prager Institut für das Studium totalitärer Regime ÚSTR) dem Thema zu widmen und in Archiven zu recherchieren, um ein objektives Bild zu erhalten. Entstanden sei unter anderem das Buch „Kardinal Josef Beran. Sein Lebensweg, sein Glaubenszeugnis in schweren Zeiten und sein Verhältnis zu den Deutschen“ – Themen, die bisweilen konträr diskutiert wurden.
Aus Prag zugeschaltet war der Historiker Jaroslav Šebek, der zunächst sein „Mitleid mit den Opfern der großen Flutkatastrophe in Deutschland“ ausdrückte und dann das Leben des am 29. Dezember 1888 in Pilsen geborenen Kardinal Berans skizzierte. „Aufgrund seiner geistigen Reife, seines forschenden Geistes und seiner inneren Selbstdisziplin wurde er bereits im vierten Studienjahr am 10. Juni 1911“ in Rom, wo er studierte, zum Priester geweiht. Zurück in der Heimat war Beran an verschiedenen Orten als Priester und Lehrer (Religion, Pädagogik) tätig. Ab 1929 wirkte er an der Tschechischen Theologischen Fakultät der Prager Karls-Universität, 1932 wurde er Rektor des Prager Priesterseminars. In diesem Kontext betonte Šebek, dass Beran im Jahr 1938 die vor allem unter deutschen Studenten herrschenden nationalen Streitigkeiten zu beruhigen versucht habe. „Nach der Schaffung des Protektorats wurde Beran im Rahmen der Vergeltungsaktionen für das Attentat auf den stellvertretenden Reichsprotektor Reinhard Heydrich am Morgen des 6. Juni 1942 verhaftet“, führte der Vortragende weiter aus. Grund sei vor allem Berans mutiger Patriotismus gewesen. Er habe an Menschen, die von den Nationalsozialisten verhaftet worden waren, erinnert, für sie gebetet und Messen gelesen. Zunächst sei Beran im Polizeigefängnis der Gestapo in der Kleinen Festung Theresienstadt inhaftiert worden, ab September 1942 dann im KZ Dachau. Mitgefangene beschrieben ihn als glaubensstark und barmherzig. Im KZ lernte Beran auch den am 22. Februar 1945 hier an Thyphus verstorbenen Pallottiner-Pater Richard Henkes kennen. Die Epidemie und katastrophalen Lagerbedingungen überlebte Beran mit der Befreiung des KZ Dachau am 29. April 1945 durch die Amerikaner.
Auch angesichts dieser Erfahrungen sei Beran, so Šebek, im November 1946 zum Prager Erzbischof ernannt und am 8. Dezember im Veitsdom zum Bischof geweiht worden. Doch seine Tätigkeit habe von Beginn an unter schwierigen Bedingungen gestanden, so der Referent: Verlust von Gläubigen und Priestern durch die Vertreibung der Deutschen, wachsender Druck der Kommunisten. Am 2. Februar 1948, 23 Tage vor der kommunistischen Machtübernahme, oblag Beran noch die Leitung des ersten ökumenischen Treffens von Priestern und Gläubigen aller christlichen Kirchen in der Tschechoslowakei. Kurz darauf appellierte er in einem Hirtenbrief, die Rechtsordnung und demokratischen Grundsätze bei der Lösung gesellschaftlicher Probleme einzuhalten – letztlich aber vergebens. Die neuen Machthaber begannen die (bis 1989 andauernde) Unterdrückung vor allem der Katholischen Kirche. Zunächst mit der Gründung der sog. „Katholischen Aktion“, „die der Keim einer neuen, nationalen und vor allem dem Staat untergeordneten Kirche werden sollte“ und Angriffe auf offizielle kirchliche Würdenträger mit einschloss, erläuterte Šebek. Nach dem Fronleichnamsgottesdienst (19. Juni 1949), bei dem Beran den sich mit dieser Entwicklung beschäftigenden Hirtenbrief der Bischofskonferenz vorgelesen hatte, wurde er verhaftet und zunächst in Hausarrest, danach außerhalb der Prager Diözese interniert – bis Oktober 1963, wobei er aber auch dann unter polizeilicher Überwachung blieb. Mit der Ernennung zum Kardinal im Jahr 1965 ging die Zustimmung der tschechoslowakischen Regierung zum Rücktritt Berans und zur Ernennung eines neuen Administrators für die Erzdiözese Prag (František Tomášek) einher – und Berans dauerhaftes Exil in Rom. Von dort unternahm er zahlreiche Reisen, unter anderem im April 1965 nach Dachau zum 20. Jahrestag der Befreiung des KZ. Aufmerksamkeit bekam er beim Zweiten Vatikanum durch einen Vortrag zum Thema „Die Freiheit des Bewusstseins“ und durch eine Rede über den böhmischen Reformator Jan Hus. Auch während des Prager Frühlings war eine Rückkehr Berans nicht möglich. Am 17. Mai 1969 starb er an den Folgen einer Krebserkrankung und wurde neben den Päpsten in der Krypta in St. Peter beigesetzt. Knapp 50 Jahre später, im April 2018, kehrten Berans sterbliche Überreste schließlich nach Prag zurück und werden seither im Prager Veitsdom aufbewahrt. „Beran kämpfte ganz eindeutig gegen den Nationalsozialismus sowie gegen den Kommunismus“, fasste Šebek zusammen und würdigte den Kardinal als „eine inspirierende Figur“ gegen falsche Propheten und populistische Problemlösungen.
Das Verhältnis Berans zu den Deutschen bzw. Sudetendeutschen beleuchtete im zweiten Vortrag der Historiker Manfred Heerdegen, der auch dem Bundesvorstand der Ackermann-Gemeinde angehört. Einleitend stellte er fest, dass vor allem national Gesinnte unter den Sudetendeutschen und ältere Semester der früheren in Königstein/Taunus angesiedelten Hochschule und des Priesterseminars für Heimatvertriebene antideutsche Inhalte bei Beran festmachten. „Er stammt aus Pilsen und ist zweisprachig aufgewachsen“, erklärte Heerdegen. Er verwies auch auf Berans Freundschaft mit dem Deutschen Franz Wagner, den er seit dem Studium kannte. „Beran war in nationalen Dingen unaufgeregt“, urteilte der Vortragende. Beide – Beran und Wagner – wollten auch keine nationale Aufsplitterung in der Priesterausbildung – im Gegensatz zu Adolf Kindermann, der nach dem Münchner Abkommen die deutschen Priesteramtskandidaten betreute, Beran die tschechischen. Dass Beran keinen Hass auf (Sudeten)Deutsche hegte, belegte Heerdegen auch mit dem Wirken Berans als Beichtvater für Priester vieler Nationalitäten im KZ Dachau und mit der Freundschaft zu Pater Richard Henkes. Auch Berans Assistenz bei der Priesterweihe von Karl Leisner im KZ Dachau deute, so der Referent, in diese Richtung.
Hauptsächlich beruhe die negative Sicht Berans gegenüber den Sudetendeutschen auf einem Beitrag/Interview in der Schweizer Tageszeitung „Die Tat“ vom 25. März 1947 und auf Behauptungen des Pfarrers Robert Vater, der allem Anschein nach mit der tschechoslowakischen Staatssicherheit (StB) in Verbindung stand. Heerdegen stellte klar, dass besonders eine Zusammenfassung des Gesprächs mit einer unscharf zugespitzten Aussage gegen die Sudetendeutschen lange Zeit verbreitet gewesen sei. „Damit wurde ein Eindruck vermittelt, der dem Gesagten nicht entsprach“, konkretisierte Heerdegen und nannte einige weitere Aspekte, die dann gegen Beran interpretiert wurden. „Er kam als Erzbischof im Dezember 1946 ins Amt, als die Vertreibung schon gelaufen war“, stellte der Referent fest. Zudem habe die Kirche in der Tschechoslowakei 1945/46 wenig Einfluss gehabt, die Vertreibung nicht verhindern können. Kurz ging Heerdegen noch auf den nicht vertriebenen Priester Robert Vater ein, der bei Besuchen in Königstein besonders mit Adolf Kindermann und Kurt Augustinus Huber in Kontakt war. „Auf diese Weise hat er Beran madig gemacht“, fasste der Vortragende diesen Aspekt zusammen.
Dennoch sei Erzbischof bzw. Kardinal Beran bei der deutschen Amtskirche und auch bei der Ackermann-Gemeinde hoch geachtet gewesen. „Das negative Narrativ hält sich zum Teil bis heute, ist heute aber weithin widerlegt“, schloss Heerdegen seine Ausführungen.
Text und Foto: Markus Bauer