„Wir dürfen uns Europa nicht nehmen lassen!“
Pontifikalamt mit dem Augsburger Bischof Dr. Bertram Meier beim Sudetendeutschen Tag
Die pfingstliche Vielsprachigkeit, die auch für den (sudeten)deutsch-tschechischen Alltag gilt, einige prägende sudetendeutsche Personen aus der Vergangenheit und den Augsburger Bistumspatron, den heiligen Ulrich, stellte der Augsburger Bischof Dr. Bertram Meier, Hauptzelebrant des katholischen Festgottesdienstes beim Sudetendeutschen Tag, in den Mittelpunkt seiner Predigt. Und natürlich erwähnte er seine sudetendeutschen Wurzeln seitens seiner am 12. März verstorbenen Mutter, die aus der Kreis Freiwaldau stammte.
Über die bestens gefüllte Messehalle freute sich in seiner Begrüßung der Präses der sudetendeutschen Katholiken Monsignore Dieter Olbrich. „Feiern wir diesen Gottesdienst im Sinne der Völkerverständigung zwischen Sudetendeutschen und Tschechen“, leitete er zum Hauptzelebranten über. Dieser betonte seine langjährige Verbundenheit mit Bernd Posselt, dem Sprecher der Sudetendeutschen Volksgruppe.
„Als Kirche sind wir ja ‚global player‘“, bemerkte der Augsburger Oberhirte einleitend in seiner Predigt und verwies in diesem Zusammenhang auf die vielen Sprachen auch in der Kirche. Aus den Erfahrungen in seiner Funktion als Vorsitzender der Kommission Weltkirche der Deutschen Bischofskonferenz ist für ihn die Erfahrung der Verbindung im Glauben und Herzen sowie beim gemeinsamen Gebet besonders wichtig. Konkret „die christliche Grundhaltung einer offenen und respektvollen Begegnung mit Menschen, vor allem auch mit Kriegsflüchtlingen und Vertriebenen“, wobei er auf die Ereignisse 1945/46 hinwies. „Auch beim Sudetendeutschen Tag geht es um grundsätzliche Wertschätzung und Freundlichkeit“, stellte der Bischof fest und erinnerte an die beiden Gründerväter der europäischen Einigung Konrad Adenauer und Robert Schuman. „Noch heute ist es das Ziel, aufeinander zuzugehen und das Wohlergehen der Völker zu fördern!“ Mit Blick auf die anstehende Europa-Wahl wandte er sich gegen jeden „...ismus“, diese alle seien unvereinbar mit den gemeinsam getragenen Werten von Menschenwürde und Solidarität. Vielmehr fordere Pfingsten dazu auf, dem Gemeinwohl zu dienen sowie die persönlichen Talente und Charismen zu entfalten und in die Gemeinschaft einzubringen – „zum Aufbau der Gemeinde und zum Wohl der Mitmenschen“, so der Bistumschef. Als Beispiele nannte er den heiligen Adalbert von Prag, der sich schon zu seiner Zeit für die Einigung Europas einsetzte, und die erste Nobelpreisträgerin für Medizin Gerty Cori, die aus Prag stammte. Ebenso drückte er seine Sorge über die Gefährdungen von innen und außen für Freiheit, Frieden und Demokratie aus. „Wir dürfen uns Europa nicht nehmen lassen!“, forderte er vehement. Damit kam er zur zentralen Aussage des Evangeliums, in dem Jesus seinen Jüngern den Frieden als Aufgabe aufträgt. Für Bischof Meier gehört hier auch der „innere Friede, der von Gott kommt“ dazu. In diesem Kontext erwähnte er auch die Vermittlung des Friedens von Tussa (Illertissen) im Jahr 954 durch den heiligen Ulrich. Mit Blick auf die aktuellen Kriege und Konflikte in der Ukraine und im Heiligen Land empfahl er deshalb, „die Wege der Gewalt zu überwinden“ – gemäß Bertha von Suttners Leitwort „Die Waffen nieder“ – und die Kanäle des Dialogs nicht aufzugeben. Natürlich gestand er – wie auch die Deutsche Bischofskonferenz – der Ukraine ihr Recht auf Verteidigung zu. Und Bischof Meier kam schließlich auf einen weiteren wichtigen Aspekt, die Vergebung, die ebenfalls nötig sei. „Wir wollen natürlich weiterkommen in der Völkerverständigung. Dafür bilden Vertrauen und Wahrhaftigkeit eine bedeutende Basis“, fasste der Oberhirte zusammen.
Am Ende der Eucharistie sprach Monsignore Adolf Pintíř im Namen der Tschechischen Bischofskonferenz ein Grußwort. „Leichter kommt ein Sudetendeutscher Tag nach Tschechien als ein tschechischer Bischof zum Sudetendeutschen Tag“ leitete er dieses humorvoll und vielleicht mit Hintergedanken ein. Die gute Entwicklung der Beziehungen zwischen Sudetendeutschen und Tschechen seit der Samtenen Revolution 1989 schrieb er auch dem Wirken des Heiligen Geistes zu. „Das war eine große Gabe, die wir bekommen haben. Aber die Gabe bringt auch eine Aufgabe mit sich – die Aufgabe, als Christ im heutigen Europa zu wirken. Die sudetendeutschen und tschechischen Gläubigen können ein Zeugnis geben, dass es möglich ist, als Christen im heutigen Europa zu leben. Wir sind von Gott ins heutige Europa nicht vertrieben, sondern gesandt! Wir haben eine Aufgabe, ja eine Mission im heutigen Europa!“
Als Lektoren der Lesungen fungierten Christoph Lippert und Lothar Palsa, die Fürbitten trugen Ursula Lippert und David Macek vor, das Evangelium Monsignore Adolf Pintíř und Holger Kruschina, der Vorsitzende des Sudetendeutschen Priesterwerks. Das Amt des Kantors übernahm Roland Hammerschmied. Die musikalische Gestaltung oblag Kurt Pascher und seinen Original Böhmerwälder Musikanten. Die Kollekte war für das Kloster Haindorf im nordböhmischen Isergebirge.
Und eine Randnotiz zum Schluss: Wie sich in einem kurzen Zwiegespräch bei der Predigt von Bischof Meier herausstellte, kannte der Ortsbetreuer des Heimatortes von Bischof Meiers Mutter eben diese. So klein ist (oft) die Welt.
Markus Bauer