Vorwort des Vorsitzenden

Liebe Mitglieder und Freunde des Sudetendeutschen Priesterwerks,
erfunden hab ich‘s nicht. Trotzdem sind mir die Anklänge zum Bild vom „Schiff“ erst im Nachhinein in den Sinn gekommen: vom „Schifflein Petri“ über die Schiffsvision Don Boscos, vom weihnachtlichen Schiff, das da geladen kommt, bis zum „Schiff, das sich Gemeinde nennt.“ Vielleicht mit all den Bildern im unterbewussten Hinterstübchen habe ich neulich über unseren „alten Dampfer“ SPW nachgedacht. Immer noch, so meine ich, bedienen wir eine wertvolle Route, fahren zwischen den alten und den neuen Heimaten hin und her, zwischen der Erinnerung und der Gegenwart. Freilich haben sich neue Routen ergeben, um zumindest einen Teil unserer Ziele auch zu erreichen. Sie sind für andere attraktiver als unser Kahn. Dass sie das Ihre dazu tun und uns nicht brauchen, ist absolut legitim. Schade ist es, wenn unsere Ziele zunehmend als nachrangiger angesehen werden, wenn wir nicht mehr „spannend“ genug sind und der Aufbruch der Anderen weit übers Ziel hinausschießt. Und schließlich merken wir ja auch, dass die Mannschaft immer älter, deren Zahl immer kleiner wird – genauso wie die der Passgiere…
Ich meine, es ist legitim, das Bild zu Ende zu denken: soll der Kahn ins Museum?
Nun stehen in diesem Frühjahr Neuwahlen an. Der schmerzliche Verlust unseres zweiten Vorsitzenden, Markus Goller, vor zwei Jahren ist ebenso nicht „verdaut“, wie der Heimgang eines wunderbaren Brückenbauers wie Anton Otte vor wenigen Wochen. Die Lücken werden in absehbarer Zeit sicher noch mehr werden. Doch dann merke ich auf der anderen Seite, wie die Begegnung, gerade mit den Mitbrüdern, die jetzt in der alten Heimat wirken, so ungemein wichtig und bereichernd ist. Dann schlage ich unsere Mitteilungen auf und lese so viel Wertvolles, weil es Menschen und Erfahrungen davor bewahrt, dem Vergessen anheim zu fallen. Und ich sehe, auch wenn die Mitgliedzahlen unseres Vereins beständig zurückgehen, wie viele Menschen als Jubilare oder Wohltäter das Netz doch ungemein größer machen, das uns verbindet.
Ja, es mag eine Zeit kommen, wo wir ins Museum gehören. Aber erst dann, wenn wir unsere Arbeit erledigt haben. Bitte helfen Sie uns dabei und – ganz wichtig – beten wir füreinander!

Regionaldekan Holger Kruschina
Vorsitzender des SPW

Ostergruß des Vertriebenenbischofs

„Aus der Erde auferstanden“

Bei einer monumentalen Kreuzigungsgruppe des Erfurter Domes fehlte die Darstellung des Cruzifixus. Johannes und Maria, zwei gotische Skulpturen von jeweils über zwei Meter Größe, sollten im Jahr 1939 durch eine neue Darstellung des Gekreuzigten ergänzt werden. Der Gothaer Bildhauer Victor Embser wurde dazu beauftragt. Im Sommer 1939 stand jedoch der 2. Weltkrieg bevor. Im Protokoll des Dompropstes ist zu lesen: „Man merkte schon, dass etwas in der Luft liege.“ Es fehlte sogar an Holz, das dann doch noch für das monumentale Schnitzwerk beschafft werden konnte. Der Bildhauer wurde jedoch während seiner Arbeit am Christuskorpus durch die Regierung für andere Arbeiten dienstverpflichtet und Bombenangriffe machten die weitere Arbeit unmöglich. „Der halbfertige Christus musste vergraben werden, um ihn zu schützen“ – so lesen wir in den Aufzeichnungen des Dompropstes. Victor Embser kehrte unversehrt aus dem Krieg zurück. Die halbfertige Skulptur wurde ausgegraben und fertig geschnitzt. 1951 wurde sie im Dom angebracht und gesegnet.
Sie ist damit ein echtes Auferstehungsbild: Aus der Erde auferstanden zu neuem Leben.
„Auferstanden“ – das war der erste Gedanke, als ich den Bericht über das Kunstwerk gelesen hatte. Es handelt sich zwar um ein Kunstwerk der Passion, aber der Gestus des Gekreuzigten, wie wir ihn hier sehen, ist bei Kreuzigungsdarstellungen nicht üblich. Christus scheint zu Maria im Verweis auf Johannes zu sagen: „Frau, siehe da deinen Sohn“. Dieses Wort Jesu am Kreuz deuten wir heute als einen Hinweis darauf, wie die Mutter Jesu zu uns, seiner Kirche, in Beziehung steht. Wir sind der Fürsorge Mariens durch Christus anvertraut.
Das Bild des Gekreuzigten lädt zum Vertrauen in die Sorge Christi um seine Kirche ein.
Wir werden in unserem Glauben durch Bilder geprägt. Wer an Ostern denkt, hat meistens auch ein konkretes Auferstehungsbild vor Augen. Es kann eine Ikone sein oder eine Skulptur als 15. Station des Kreuzweges. In einer Kirche in Erfurt ist es das Bild der 15. Station, auf dem die heilige Kaiserin Helena das durch sie aufgefundene Kreuz Christi zeigt. Die Kreuzauffindung und das damit verbundene Fest Kreuzerhöhung wird durch das Kunstwerk des Bildhauers Victor Embser im Erfurter Dom aktualisiert. Das Kreuz ist und war nicht das Ende eines hoffnungsvollen Weges des Messias. Das Weizenkorn, das in die Erde gefallen ist, hat neues Leben gebracht. Mit Recht dürfen wir deshalb trotz aller Bedrängnis durch Schuld und Tod das Halleluja singen.
Von Herzen wünsche ich gesegnete Ostertage!

Weihbischof Dr. Reinhard Hauke

Ostergruß des Präses der Sudetendeutschen Katholiken

Liebe Schwestern und Brüder,
Ostern begann nicht mit Jubel, sondern mit Schmerz und Trauer von drei Frauen. Für sie war wirklich alles zusammengebrochen. Das Persönliche genauso, wie das Umfeld. Sie waren mit Schmerz aber auch mit einer tiefen Liebe zu Jesus ans Grab gekommen. Sie fanden das Grab leer. Dennoch kann das leere Grab nicht die Beweisgrundlage für den Auferstehungsglauben sein.
Ostern ist das alleinige Werk Gottes. Gott lässt nicht zu, dass Christus im Grab bleibt. Und so dürfen wir hoffen: Er wird auch nicht zulassen, dass die Menschen im Tod bleiben.
Man kann die Auferstehung Jesu nicht historisch beweisen. Man kann dieser Botschaft nur vertrauen. Die Osterbotschaft macht das Unmögliche möglich. Die Osterfreude ist eine Lebensfreude, die von der Dunkelheit weiß, aber zugleich aus dem tiefen Vertrauen auf den Sieg des Lebens lebt. Lasst uns als Christen auf der ganzen Welt eine große Gemeinschaft des Glaubens, der Liebe und der Hoffnung werden!
Es ist ein starkes Zeichen, dass sich die Christen an diesem Tag – ganz gleich auf welchem Kontinent und in welcher Sprache - zurufen „Der Herr ist auferstanden!“
In diesem Sinne wünsche ich uns allen in dieser stürmischen Zeit:
„Des solln wir alle froh sein – Christ will unser Trost sein!“

Mit einem herzlichen Halleluja grüßt Sie

Ihr
Dieter Olbrich

Die Franziskaner in Böhmen, Mähren und Schlesien

Bereits wenige Jahre nach dem Tode des heiligen Franz von Assisi, der im Jahre 1226 starb, waren seine Söhne schon in Böhmen, sicher ist dies bereits für das Jahr 1232. In allen Schichten der Bevölkerung fand ihre Predigt willige und tätige Hörer und nicht wenige entschlossen sich zu gleichem strengen Ordensleben. Unter diesen ragt besonders die heilige Agnes von Prag hervor, die Tochter König Ottokars I., die Briefwechsel mit Klara von Assisi führte. Agnes ist die „Klara des Nordens“, die 1234 das erste franziskanische Frauenkloster, als Klarissenkloster, diesseits der Alpen gründete, St. Franziskus in Prag an der Moldau. Aus dem böhmischen Raum heraus erfolgte auch die Errichtung der Franziskanerklöster im südlichen Teil Schlesiens, wo sich die Patres aus der böhmischen Ordensprovinz mit den Mitbrüdern trafen, die aus Mitteldeutschland nach Osten kamen. Vielleicht ist der Schluss nicht ganz unberechtigt, dass die schlesischen Klöster in Beuthen, Loslau, Oppeln, Oberglogau, Glatz und Glogau, die im 13. Jahrhundert bei der Entscheidungsfrage über die Provinzzugehörigkeit sich für die böhmische Provinz entschieden, auch ursprungsmäßig mit ihr verbunden waren.
Um 1340 erstreckte sich die Franziskaner-Ordensprovinz „Böhmen“ mit ihren sieben Kustodien (Verwaltungsbezirken) vom Böhmerwald bis nach Gnesen. Im böhmisch-mährischen Raum gab es damals drei Kustodien, deren Abgrenzung interessant ist, weil sie im wesentlichen nach nationalen Gesichtspunkten vorgenommen worden zu sein scheint: die Kustodie Prag mit zwei Klöstern in Prag und je einem in Neubunzlau, Neuhaus, Bechyn und Beneschau (südlich von Prag), die Kustodie Mähren mit Klöstern in Olmütz, Brünn, Znaim, Iglau, Mährisch-Neustadt, Troppau und Jägerndorf, die Kustodie Leitmeritz mit Klöstern in Leitmeritz, Brüx, Saaz, Mies, Pilsen und Kaaden. In den Hussittenkriegen gingen alle diese Konvente unter, nur in Leitmeritz konnten sich die Patres und Brüder halten. Dieses Haus schloss sich später der milderen Richtung im Orden, den Minoriten, an.
Im Jahre 1451 kam der heilige Johannes von Capistrano nach Böhmen, vom Kaiser gerufen, vom Papst geschickt. Der Führer der Observanzbewegung im Franziskanerorden sollte den geistigen Kampf mit den Hussiten aufnehmen und ihre Bekehrung einleiten, nachdem alle weltlichen Machtmittel versagt hatten. Das religiöse Haupt der Hussiten jedoch wich einer öffentlichen Disputation mit dem geistesgewaltigen Manne aus und die Politischen Machthaber in Prag verhinderten seine Einreise in den Hussitenraum. So konnte er nur in den deutschen Randgebieten in Bayern, Sachsen, Schlesien, Mähren (Olmütz, Brünn) und Nordböhmen (Eger, Brüx) seine Missionsarbeit entfalten. Immerhin wird die Rückführung von 12.000 Utraquisten zur katholischen Kirche berichtet. Unter den Männern, die sich aus diesem Raum an Capistrano und die franziskanische Observanz anschlossen, war am bedeutsamsten Nikolaus Glasbrenner, dessen erhaltene und gedruckte Chronik eine gute Quelle für die Kenntnis der franziskanischen Bewegung in Böhmen ist.
Als Capistrano zu neuer großer Aufgabe, der Abwehr der Türkengefahr, gerufen wurde, sollten seine Ordensbrüder, die Franziskaner-Observanten, die Arbeit fortsetzen Es ging um die Stärkung des katholisch gebliebenen Teiles der Bevölkerung in Böhmen-Mähren und um die Bekehrung der Hussiten. Mit einem Ring von Klöstern war im Laufe der Jahre der tschechisch-hussitische Kern des Landes Böhmen umgeben worden. In der Reihenfolge der Gründung waren dies Brünn, Olmütz, Troppau, Jamnitz, Pilsen, Tachau, Znaim, Kaaden, Graupen, Neuhaus, Teschen, Bechyn. Alle diese Klöster lagen im deutschen Sprachgebiet oder doch hart an der Sprachgrenze. Eine Gründung in Prag konnte sich nur acht Jahre halten, nämlich 1460 bis 1468. Von dieser sicheren Position aus wurde eine sehr fruchtbare Bekehrungsarbeit geleistet. Die Franziskanerklöster Böhmens, Mährens und Schlesiens waren seit 1469 zu einer Verwaltungseinheit, genannt Vikariat, seit 1517 Provinz, zusammengeschlossen.
Vom Anfang des Bestehens bis zum Jahre 1938 gab es in der böhmischen Ordensprovinz leider nationale Spannungen zwischen Deutschen und Tschechen. Die Härte dieser Auseinandersetzungen erreichte ihren Höhepunkt in den Jahren 1471 bis 1495. Eine kleine Minderheit war damals die tschechische Gruppe innerhalb des Gesamtverbandes der Provinz. Im Jahre 1493 zählte die Provinz 685 Mitglieder; der Herkunft nach 277 aus Schlesien, 45 aus Preußen, 42 aus der Lausitz, 22 aus Meißen, 17 aus Österreich, 14 aus Bayern, elf aus Franken, fünf aus dem Vogtland, fünf aus der Zips, vier aus Brandenburg, drei aus der Steiermark, zwei aus Sachsen, je einer aus Hessen, Thüringen, Rheinland, Brabant, Tirol, Krain und Schwaben, 92 kamen aus Mähren, 23 aus Ungarn, neun aus Polen, je einer aus Russland und Siebenbürgen, 105 aus Böhmen.
Von diesen „Böhmen“ waren mindestens fünfzig Prozent Deutsche aus den deutschsprachigen Randgebieten, wie sich aus einer Reihe von Gründen nachweisen lässt. Die rein tschechische Gruppe war eine Minderheit, die aber jahrzehntelang sehr viel nationale Unruhe und Spannung in die Ordensprovinz hineintrug. Bis vor das höchste richterliche Forum im Orden, das Generalkapitel, wurde der Streit getragen. Auf dem Generalkapitel zu Urbino 1490 verlangte die tschechische Gruppe die Teilung der Provinz in eine deutsche und eine böhmische Provinz, wobei die „böhmische“ Provinz sämtliche Klöster Böhmens umfassen sollte. Interessant sind einige der Punkte für diese Begründung, zum Beispiel: „Wir sind zwei verschiedene Nationen, die sich gegenseitig nicht verstehen. In jedem Stand vertragen sich Böhmen und Deutsche nicht. Die Deutschen wollen immer nur herrschen. Die Tschechen sind aber nicht so demütig, dass sie sich nur beherrschen lassen, vor allem aber im eigenen Land nicht.“ Das Generalkapitel hatte jedoch diese besondere Situation klar erkannt, dass nämlich in Böhmen Tschechen und Deutsche lebten und von den fünf Klöstern in Böhmen (von Mähren ganz abgesehen) nur zwei (Pilsen und Neuhaus) als tschechische Klöster angesehen werden konnten, während Tachau, Kaaden und Graupen deutsche Klöster waren. Der Antrag der tschechischen Minderheit und Provinzteilung wurde deshalb abgewiesen, zum großen Ärger der tschechischen Brüder und ihrer adligen tschechischen Freunde.
Der aufkommende Protestantismus sowie Kriege und Epidemien vernichteten im 16. Jahrhundert fast die ganze Provinz. Nur 17 Mitglieder waren 1570 noch am Leben, die in Tachau und Znaim, Pilsen, Neuhaus und Bechyn wohnten.
Einen ungeahnten Aufschwung nahm die Ordenprovinz trotz des Dreißigjährigen Krieges im 17. Jahrhundert, so dass auf dem Generalkapitel 1729 die Bohemia den Titel „große Provinz“ erhielt. Es gab dreißig Konvente mit rund 1000 Mitgliedern (einschließlich des späteren Preußisch-Schlesien). Eine Reihe großer Provinzialminister wie Pater Bernhard Sannig und Pater Amandus Hermann standen in dieser Zeit an der Spitze der Provinz und das geistige Leben in Böhmen und Schlesien wurde nachhaltig von ihnen beeinflusst. Mit der Niederlassung der aus Irland vertriebenen Franziskaner bei St. Ambros am Pulverturm in Prag, das Hybernerkloster genannt (Hibernia = Irland) wurde, hatte ein neuer Abschnitt in der Geschichte des philosophischen und theologischen Studiums in Böhmen begonnen. Diese Iren waren die ersten und über 25 Jahre hindurch die einzigen Lehrer an dem von Kardinal Graf Harrach 1627 in Prag gegründeten Priesterseminar. Seit 1652 wirkten hier auch tüchtige Kräfte aus dem Prager Franziskanerkloster Maria Schnee. Durch jahrzehntelange Arbeit dieser Dozenten war um 1700 der Skotismus die beherrschende Philosophie in Böhmen geworden.
1755 setzte der preußische König Friedrich II. durch, dass die Franziskanerklöster des von ihm eroberten Schlesien von der Gesamtprovinz getrennt wurden und eine eigene Provinz bildeten. Was die tschechische Minderheit im 15.Jahrhundert gefordert hatte, war jetzt unfreiwillig Wirklichkeit geworden. Die Klöster Böhmens und Mährens bildeten eine eigene Provinz. Jetzt zeigte sich, welch gewaltige Energie beim Aufbau und der Erhaltung vom deutschen Element in der „böhmischen“ Provinz ausgegangen war. Abgeschnitten von den personellen und materiellen Kraftströmen aus dem deutschen Hinterland jenseits der Landesgrenzen, fing die Bohemia an, langsam auszusterben. Die deutschen Mitglieder waren jetzt in der Minderheit, vor allem als Josef II. die Klöster in Brünn, Olmütz, Znaim und Troppau säkularisiert hatte. 1932 lebten in den 19 Häusern der Provinz nur noch 115 Mitglieder (37 Patres, 32 Kleriker, 38 Laienbrüder, zwei Laienbrüdernovizen und sechs Tertiaren).
Nach vergeblichen Versuchen der deutschen Patres in der Provinz, die sechs Klöster im sudetendeutschen Raum (Eger, Tachau, Kaaden, Haindorf, Arnau, Mährisch-Trübau) zu einer verwaltungsmäßigen und sprachlichen Einheit zusammenzuschließen, wurde dies fast eine Notwendigkeit nach Abtretung des Sudetenlandes und der Errichtung des Protektorates. Schon 1937 hatte die Ordensleitung in Rom als Visitator den damaligen albanischen Ordensprovinzial Pater Gregor Fishta geschickt, der von März bis Mai in Böhmen und Mähren weilte. Er traf auch Staatspräsident Edvard Beneš unter vier Augen, den er bereits in Paris kennengelernt hatte, wo er als albanischer Delegierter an den Friedenskonferenzen von Versailles und den übrigen Vororten teilnahm, in denen Friedensverträge geschlossen wurden wie in St. Germain mit Österreich, in Neuilly mit Bulgarien und in Trianon mit Ungarn. In einer „Promemoria“ sprach sich Pater Fishta für ein sudetendeutsches Kommissariat mit eigenem Noviziat aus. In die schwach besetzten Häuser des neu errichteten Kommissariates wurden aus den benachbarten Ordensprovinzen Schlesien und Bayern Patres und Brüder geschickt. Die Nationalsozialisten beschlagnahmten die Klöster in Mährisch-Trübau, Eger und Kaaden, zwei Patres starben im Konzentrationslager. 1947 wurden die deutschen Konvente kirchenrechtlich wieder mit der böhmischen Mutterprovinz vereinigt, nachdem die deutschen Franziskaner vertrieben worden waren. Wie in allen Orden wurden auch die Franziskaner 1950 von der kommunistischen Regierung verboten und ihre Klöster beschlagnahmt. Erst nach der Wende erhielt der Orden sie teilweise zurück, nämlich Prag-Maria Schnee, Mährisch Trübau, Brünn, Pilsen, Reichenberg und Ungarisch-Radisch.

Rudolf Grulich

Der Codex Teplensis oder „Di schrift dez newe(n) gezeugs“

Im Winter 1521 auf 1522 übersetzte Martin Luther die Bibel in die deutsche Sprache und schuf damit ein epochales Werk, das nicht nur auf die deutschsprachige Christenheit, sondern auch auf die deutsche Sprache selbst weitreichende Auswirkungen hatte. Vor dem Hintergrund dieses nun 500jährigen Jubiläums sei hier aber an eine andere Bibelübersetzung erinnert, die mehr als 100 Jahre früher in Böhmen hergestellt wurde und als „Codex Teplensis“ bzw. als „Tepler Bibel“ in die Literatur einging.
Es gab schon vor Luther Übersetzungen der Heiligen Schrift in die deutsche Sprache, ja sogar in eine ihrer Vorstufen, nämlich ins Gotische, in der Wulfila-Bibel des 4. Jahrhunderts. Immer wieder wurden im Mittelalter und der frühen Neuzeit deutschsprachige Bibeln neben die lateinische „Vulgata“ gestellt. Bisher sind 72 davon bekannt, die in ca. 800 Handschriften und 18 Drucken überliefert sind.
Die Orte der Herstellung von religiösen Schriften waren damals hauptsächlich die Klöster. Dort wurden die Texte nicht nur verfasst, sondern auch durch Nonnen und Mönche handschriftlich vervielfältigt. Manchmal wurden auch aus Gründen der Textverständlichkeit Veränderungen gegenüber der Vorlage eingebracht. An diesen erkennen die Forscher unserer Zeit regionale oder auch sprachgeschichtlich relevante Gegebenheiten.
Von all den handschriftlich überlieferten deutschen Bibelübersetzungen vor Luther kommt dem Codex Teplensis eine besondere Bedeutung zu. Er ist nach dem westböhmischen Prämonstratenserstift Tepl bei Marienbad benannt, wo er zur dortigen Bibliothek gehörte. Heute ist er in der tschechischen Nationalbibliothek in Prag eingelagert. Er enthält 315 beidseitig beschriebene Pergamentblätter im Format 11,6 x 8,5 cm und ist in Leder gebunden. Seit 1884 gibt es eine Druckfassung, die der Tepler Bibliothekar P. Philipp Klimesch OPraem in mehr als zehnjähriger Arbeit zunächst per Hand abgeschrieben und dann in weiteren vier Jahren für den Druck vorbereitet hat. Sie ist betitelt: Der Codex Teplensis enthaltend „Die Schrift des newen Gezeuges“.
Die Originalvorlage zeigt im Unterschied zur Druckfassung keine Titelseite, sondern beginnt mit der Überschrift „Di schrift dez newe(n) gezeugs“ in roter Farbe und herausgehobener Schriftgröße, während ansonsten schwarze Tinte verwendet wurde. Die Datierung wird mit Vorsicht auf die Zeit um 1400 oder wenige Jahre davor angesetzt. Im Gegensatz zu der berühmten Wenzelsbibel aus Prag, ebenfalls aus dem Ende des 14. Jahrhunderts, ist der Codex Teplensis keine Prachthandschrift mit reichen Malereien, sondern rein äußerlich gesehen ein kleines und einfaches Buch. Auch im Inhalt unterscheiden sich die beiden Werke. Die Wenzelsbibel enthält das Alte Testament, die Tepler Bibel dagegen im Hauptteil auf 615 Seiten das Neue Testament mit den vier Evangelien im Perikopen-System. Daran schließen sich die Apostelbriefe und die Offenbarung des Johannes an. Zusätzlich ist das Buch mit einigen religiösen Texten und Predigtvorschlägen versehen. Es handelt sich hier eindeutig um eine Gebrauchs- und nicht um eine Repräsentationshandschrift.
Beim Codex Teplensis liegt nach dem Stand der Forschung die zweitälteste bekannte vollständige Handschrift des Neuen Testaments in deutscher Sprache vor. An ihrer Entstehung waren vier verschiedene Schreiber gleichzeitig beteiligt. Als Provenienz, d. h. Entstehungsgebiet, wird in der Fachliteratur einhellig der nordbairisch-böhmische Sprachraum genannt. Damit kann nur das Egerland gemeint sein. Sprachgeschichtlich ist der Text in den Übergang vom Mittelhochdeutschen zum Neuhochdeutschen einzuordnen, also in eine Zeit, in der auch die berühmte Schrift des Johannes v. Tepl „Der Ackermann aus Böhmen“ entstanden ist. Ein uns allen bekanntes und daher leicht in die heutige deutsche Sprache übertragbares Beispiel aus dem Lukas-Evangelium mag den Sprachstand des Codex Teplensis verdeutlichen:
Wan es wart getan in den tagen / ein gepot gieng aus von dem kaiser Augusto / daz aller der umrink wurde geschriben. Und diese erste beschreibung wart gemacht von Siri dem richter der Cirener; und si giengen alle / daz si beiechen ein ieglicher in sein stat. Wan auch Joseph steig auf von Galilee von der stat Nazareth in Jude in die stat Dauidz / die da ist geheizzen Bethlehem / dorum / daz er was von dem haus / und von dem ingesinde Dauidz / daz er beieche mit Maria im gemechelten weip / verhaftig. Wan es wart getan / do si da waren / di tag wurden derfult / daz si gepere. Und si gebar iren ersten gebornen sun / und si wand in in tuch / und leit in in die krippen / wan ir waz nit stat in dem gasthauz.
Wir stellen fest, dass mit Ausnahme des Satzbeginns und der Eigennamen alle Wörter kleingeschrieben werden. Die Elemente des Spätmittelhochdeutschen bzw. Frühneuhochdeutschen zeigen sich besonders darin, dass beispielsweise das Verb „gieng aus“ sowie das Nomen “beschreibung“ keine mittelhochdeutsche Auslautverhärtung zeigen, während eine solche in „umrink“ = Umkreis, „wart“ = ward/wurde und einige Zeilen später im Wort „weip“ = Weib noch vorliegt. Manche Wörter sind heute unbekannt wie z.B. „bejehen“ = bekennen oder „gemechelt“ = anvermählt. Die Reihe der sprachlichen Indizien für diese Übergangszeit ließe sich fortsetzen.
Das Buch hatte eine heute unbekannte Vorlage. Es enthält eine Übersetzung der Vulgata, folgt ihr aber nicht in allen Punkten und ist mit zahlreichen Randbemerkungen versehen. Insbesondere wegen dieser Glossen wird eine Nähe zu den Waldensern oder zu Schriften des John Wyclif vermutet, jedoch muss man dagegenhalten, dass die Bemerkungen möglicherweise nachträglich eingefügt worden sind.

Wenn man das Werk im Kontext mit anderen Bibelübersetzungen des 14. Jahrhunderts betrachten will, so muss sich der Blick nach Prag richten. Dort ist nicht nur die bereits genannte Wenzelsbibel entstanden, dort hat sich vielmehr seit der Gründung der Universität durch Kaiser Karl IV. mit der sog. „Prager Schule“ ein geistiges Zentrum für religiöse Literatur von europaweiter Bedeutung etabliert, deren Mitglieder auch als „die guten Meister von Prag“ bezeichnet wurden. Diese „Prager Schule“ stand in der Zeit der Gegenpäpste auf der Seite Roms, beschäftigte sich andererseits aber auch mit den frühreformatorischen Schriften Wyclifs. Auch Jan Hus wurde bekanntlich hier ausgebildet. Die intensive Auseinandersetzung mit dem Alten und Neuen Testament machte die Karlsuniversität zu einem Zentrum der damaligen religiösen Erneuerungsbewegung. Neben deutschen Übersetzungen der Heiligen Schrift in der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts wurde in Prag 1360 oder wenig später auch die von zehn Dominikanermönchen erarbeitete erste (alt)tschechische Bibel vorgelegt.
Man darf dabei nicht übersehen, dass es auch andere, wenngleich spätere Zentren der Bibelübersetzungen gab. Eines davon ist Augsburg, wo um 1425/30 eine Pergamenthandschrift mit der Übersetzung der Vulgata entstand, die später als Vorlage für eine der bekanntesten und wertvollsten illustrierten Prachtbibeln diente, der sog. Ottheinrich-Bibel. Doch soll hier in erster Linie Böhmen mit seinem geistigen Mittelpunkt in Prag im Vordergrund stehen.

Man kann die Epoche unter Karl IV. und seinem Sohn Wenzel bis weit ins 15. Jahrhundert als Blütezeit der Bibelübersetzungen bezeichnen. Einige davon offenbaren Ähnlichkeiten mit dem Codex Teplensis und andererseits auch wieder Unterschiede zu dieser Handschrift. Je nach Auffindungs- bzw. Einlagerungsort werden sie genannt
-       Bamberger Handschrift Cod. lit. 146 aus dem Jahr 1477
-       Prag, St. Galler Handschrift Nr. 982
-       Wiener Codices 2845, 3057, 3063
-       Münchner Codices Cgm 636, 530, 1150, 56
-       Die Wenzels-Bibel von ca. 1390-1395
-       Die Freiberger Bibel (Freiberger Codex IC8°18m von ca. 1400-1420)

Mit Ausnahme der Wenzelsbibel und ihrem Alten Testament ist allen gemeinsam die Anordnung der Gliederung der Texte nach ihrer Verwendung im kirchlichen Jahreslauf (Perikopen). Die Unterschiede liegen in der jeweils anderen Textgestaltung und in der individuellen Handschrift der Schreiber. Wie schon erwähnt, wird vermutet, dass im Kreis der sog. „Prager Schule“ in der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts eine heute verschollene Bibelübersetzung entstanden ist, die all diesen genannten Codices als Vorlage gedient hat. Darauf deutet insbesondere der Hinweis auf „die guten Meister von Prag“, der sich am Schluss der Bamberger Handschrift findet. Diese Bamberger Handschrift ist die späteste in der aufgezeigten Reihe und weicht inhaltlich am meisten von den anderen ab. Am nächsten stehen sich der Codex Teplensis und die wenig später entstandene Handschrift aus Freiberg in Sachsen. Einer der vier Schreiber der Tepler Bibel hat auch als Schreiber der Freiberger Bibel mitgewirkt.
In dem hier skizierten Umfeld der Prager Schule, ja sogar im Kontext aller Bibelübersetzungen vor Martin Luther, wird dem Codex Teplensis eine herausragende Bedeutung zugeschrieben. Er war nicht nur ganz offensichtlich die Vorlage für die Freiberger Handschrift. Mehr noch: er war die Vorlage für die in Straßburg gedruckte Bibel des Josef Mentelin von 1466 und für die auch in Straßburg herausgegebene Eggestein-Bibel von vor 1470. Und als der aus der Werkstatt des Mentelin kommende Günther Zainer in Augsburg eine eigene Werkstatt eröffnete, legte auch er 1475 einen Bibeldruck in der Tradition des Codex Teplensis vor, der sogar mit Illustrationen versehen wurde und zum meistverkauften Bibeldruck vor Martin Luther emporstieg. Man beachte: Während die berühmte Gutenberg-Bibel von ca. 1450 in lateinischer Sprache gedruckt wurde, war die Mentelin-Bibel in der Fassung des Codex Teplensis die erste gedruckte deutschsprachige Bibel überhaupt und die wichtigste der 18 deutschsprachigen Bibeln vor Luther. Durch die Druckerzeugnisse von Mentelin, Eggestein und Zainer wurde der Text des Codex Teplensis über den gesamten oberdeutschen Sprachraum verbreitet. Noch im Erscheinungsjahr der Mentelin-Bibel wurde per Hand eine Abschrift von ihr angefertigt, die als „Freiburger Bibel“ bezeichnet wird.
Etwa 120 Jahre nach der Abfassung des Codex Teplensis hatten sich die äußeren Bedingungen für die Herstellung von Texten grundlegend geändert. Die technischen Erneuerungen im Buchdruck hatten dieses Medium attraktiv gemacht. Mit und nach Gutenberg konnten Druckerzeugnisse mit wesentlich geringerem Aufwand und in weit höherer Auflage als bisher auf den Markt gebracht werden. Zudem hatte sich der allgemeine Bildungsstand im Verlauf der Renaissance verbessert, d.h. der Kreis von Menschen, die lesen und schreiben konnten, ist deutlich größer geworden. Und an den Hochschulen hinterfragten und diskutierten die Vertreter des Humanismus die bisherigen religiösen Lehrauffassungen.
In dieser Zeit brachte 1522 Martin Luther seine Bibelübersetzung auf den Markt. Dabei trugen seine außerordentliche Sprachkraft und Bildhaftigkeit, seine Orientierung an den sprachlichen Möglichkeiten der Konsumenten und der von ihm geschaffene Ausgleich zwischen den regionalen Sprachvarietäten entscheidend zum Erfolg seiner Bücher im gesamten deutschen Sprachraum bei. Die Nachfrage nach seinen Schriften war so groß, dass er zeitweise drei Druckereien gleichzeitig beschäftigte. Der um 1400 oder kurz davor handgeschriebene Codex Teplensis und seine späteren Druckfassungen hatten vor diesem Hintergrund ihre Strahlkraft verloren.

Ralf Heimrath

Josef Toufar und sein Schicksal am Anfang der kommunistischen Diktatur

Die katholische Kirche hat – trotz der steigenden Säkularisierung – in der Tschechoslowakei im Leben des Volkes auch nach dem Ende des Krieges immer eine wichtige Rolle gespielt und es gab, vor allem auf dem konservativ geprägten Land, enge Kirchenbindungen und die Kirche konnte dadurch immer Einfluss auf die Gesellschaft ausüben. Sie galt auch aus der Sicht der Weltanschauung für die marxistische Ideologie als potenzielles Risiko. Schon vor 1948 machte deshalb die Kommunistische Partei keinen Hehl daraus, dass die katholische Kirche einer ihrer Hauptfeinde war und versuchte deshalb, ihre Rechte und Freiheiten einzuschränken. Nach der Machtergreifung im Februar 1948 wollte die kommunistische Führung die katholische Kirche zuerst zu einem Werkzeug ihrer eigenen Politik machen und arbeitete zu diesem Zweck halb mit lockenden Versprechungen, halb mit Gewalt.[1] Als entscheidende Wende ist das Jahr 1949 zu sehen. Dem Dialog - trotz der wachsenden Probleme - verschloss sich der tschechoslowakische Episkopat nicht und ließ die Gespräche mit den Regierungsvertretern weiterführen. Im Februar 1949 wurden deshalb nach einer mehr als halbjährigen Pause die Verhandlungen wieder aufgenommen. Für die Kirche hatte sich die Situation seit den letzten Verhandlungen im Juni 1948 weiter verschlechtert.[2] Die Führung der KSČ war früh zu dem Schluss gelangt, dass der Konflikt mit der Kirche im Grunde unvermeidbar sei, und hatte die Voraussetzungen geschaffen, um ihn erfolgreich zu bestehen. Alle Versuche der Bischöfe, die Rechte der Kirche zu verteidigen, ihre Hirtenbriefe und persönlichen Appelle an die Geistlichen, interpretierten die Vertreter des Regimes als Ansätze einer oppositionellen Tätigkeit. Immer vehementer wurde eine Abspaltung der katholischen Kirche und die Isolierung der vermeintlichen Gegner gefordert.[3] Im Bemühen, den Widerstand einzudämmen, konzentrierte sich der Staatsapparat darauf, die katholische Kirche zu spalten, die Priester von den Bischöfen zu trennen und in der Endphase eine Nationalkirche zu schaffen. Zum Instrument der kirchlichen Spaltung sollte die sog. Katholische Aktion werden, die der Ursprung einer solchen nationalen Kirche sein sollte. Es handelte sich um eine verbale Ähnlichkeit mit dem Projekt von Papst Pius XI. aus dem Jahr 1922, das sich in der Tschechoslowakei bereits vor dem Krieg ausbreitete. Gegen die Katholische Aktion traten deshalb die Bischöfe sehr scharf mit einem Hirtenbrief auf, der klar vor der Gefahr einer Spaltung warnte. Damit gelang es, eine umfangreiche Infiltration der Kirchenstrukturen durch regimefreundliche Aktivisten zu verhindern. Während des Verlesens des Hirtenbriefs im Juni 1949 wurde jedoch Erzbischof Josef Beran interniert (bis Oktober 1963). Kurz darauf befanden sich praktisch auch alle Diözesanbischöfe in Internierung oder im Gefängnis. Die bischöflichen Internierungen waren die Vorzeichen für weitere Schritte der Repression. Im Herbst 1949 beschloss das Parlament die sog. Kirchengesetze, von denen eines der wichtigsten der Kirche sämtliches Eigentum entzog und sie wirtschaftlich völlig abhängig vom Staat werden ließ. Zum Beherrschungsinstrument der Kirche wurde das neu gebildete Staatliche Amt für Kirchenangelegenheiten, in dessen Kompetenz die Führungstätigkeit in allen religiösen und kirchlichen Fragen und vor allem die Tatsache fiel, dass alle Priester (vom einfachen Kaplan bis zum Bischof) ihre pastorale Tätigkeit nur dann ausüben durften, wenn ihnen dies die staatliche Aufsicht erlaubte. Ziel dieser Gesetze war es, die Kirche unter die Kontrolle der Staatsmacht zu bringen, aus der sich die christlichen Kirchen dann vierzig lange Jahre nicht zu befreien vermochten – vielleicht mit einer kurzen Ausnahme in der Zeit des sog. Prager Frühlings von 1968.
In diese Atmosphäre fiel auch das tragische Ende des Lebens des Priesters Josef Toufar. Er wurde im kleinen Dorf Arnolec geboren und nach dem schwierigen Weg zu der Verwirklichung der geistlichen Berufung im Alter von 38 Jahren im Jahre 1940 zum Priester geweiht. Er arbeitete zunächst als Pfarrer im heute nicht mehr existierenden Dorf Zahrádka in der Region Hochland (Vysočina). An dieser seelsorgerlichen Wirkungsstätte reagierte er sehr praktisch auf die veränderte gesellschaftliche und politische Situation der Nachkriegszeit. Hinsichtlich des wachsenden Einflusses der Kommunistischen Partei der Tschechoslowakei unterstützte er die Tätigkeit der Christlichen Volkspartei und ihr Programm. Er wollte jedoch primär die junge Generation unterstützen. Aus ihrer Reihen sollten – nach Toufars Vorstellungen –  fähige und geistig tief geprägte Leute zu aktiven Laien heranwachsen.[4] Es war klar, dass Toufar zu einer angesehenen Autorität im Dorf geworden war. Deshalb musste Toufar aus Zahrádka nach dem kommunistischen Umsturz 1948 nach Čihošť versetzt werden.
Am 11. Dezember 1949, am dritten Adventssonntag, bewegte sich in der Kirche in Čihošť während der heiligen Messe und Toufars Predigt, das auf dem Tabernakel aufgestellte Altarkreuz. Es gab fast 20 Zeugen, die die Bewegung des Kreuzes bei der Messe bestätigten. Toufar bemerkte freilich nichts. Die Menschen aus der Umgebung erfuhren bald von diesem Ereignis und die Kirche in Čihošť wurde schnell zu einem Wallfahrtsort. Die Kirche war bei der Interpretation der Geschichte ratlos. Sie agierte sehr zurückhaltend. Weder Toufar sprach von einem „Wunder“, noch andere Würdenträger.[5] Die Kirche befand sich durch die schon erwähnten staatlichen Maßnahmen in einer unsicheren Lage. Toufar war sich deshalb der möglichen negativen Folgen bewusst und wie sich zeigte, wurden diese Befürchtungen wahr. Am 28. Januar 1950 abends wurde Josef Toufar in seinem Pfarramt in Číhošť verhaftet und dann im Gefängnis einen Monat lang verhört. Die Ermittlungsbeamten wollten durch Folter sein Geständnis erzwingen, dass er das ganze „Wunder“ in Zusammenarbeit mit einem Vertreter des Vatikans vorbereitet habe.[6] Die Staatssicherheit musste auch die Öffentlichkeit davon überzeugen, dass die Kirche  die Menschen manipuliert. Sie beschloss, eine Propagandadokumentation über die Ereignisse in Číhošť zu drehen. Und sie zwang Josef Toufar, darin aufzutreten. Nach weniger als einem Monat grausamer Folter wurde er in einem erbärmlichen Zustand nach Číhošť zurückgebracht, wo er vor laufenden Kameras zeigen sollte, wie er das ganze „Wunder“ inszeniert hatte. Er konnte dort jedoch nur kurze Zeit sein. Wegen seines schlechten Gesundheitszustands wurde er nach Prag transportiert, wo er dann im Sanatorium für politische Prominente am 25. Februar 1950 an den Folgen der brutalen Misshandlungen starb. Damit entging er einem großen Prozess. Trotzdem wurde sein Fall zum Auslöser einer Reihe von anderen konstruierten politischen Schauprozessen, die verschiedene Segmente des kirchlichen Lebens erfassten, in hohem Maß die Orden, deren Mitglieder ab April 1950 zwangsinterniert wurden und ihre Tätigkeit einstellen mussten, sodass die Männerorden bis 1989 illegal blieben.  
Das „Wunder von Čihošť“ ist jedenfalls bis heute ungeklärt. Obwohl es von der kommunistischen Staatssicherheit oft als Provokation bezeichnet wurde, konnten ihre Angehörigen nie einen funktionierenden und verdeckten Mechanismus nachweisen, der das Kreuz in Bewegung setzt. Es sind auch keine Dokumente bekannt, dass die StB die Ereignisse in Čihošť als „kontrollierte Provokation“ vorbereitet hätte. Vielleicht ist das der Grund, warum der StB Toufar so brutal angegriffen hat – in dem Bemühen, eine „natürliche“ oder „wissenschaftliche“ Erklärung für das „Wunder“ eindeutig zu bekräftigen.
Das angebliche Wunder wurde zu einer Anregung für eine groß angelegte Propagandakampagne, die freilich nicht die Realität, sondern nur kommunistische Interpretationsschablone darstellte. Der Propagandafilm zum „Wunder von Čihošť“ enthielt jedoch so viele offensichtliche Fehler (z. B. mit den Blumen, die einen primitiven Mechanismus verbergen sollten, wurde die Kirche in der Adventszeit nie dekoriert), so dass er relativ bald aus den Kinos genommen wurde. In den propagandistischen Materialien der damaligen Zeit wurde darauf hingewiesen, dass Josef Toufar kein wirklich loyaler Bürger war und keine wechselseitige Zusammenarbeit zwischen Kirche und Staat suchen wollte, sondern sich für ausländische Interessen verkaufte, in diesem speziellen Fall für den Vatikan.[7] Es war eine Strategie des Regimes, ihn als einen Mann darzustellen, der auch religiöse Prinzipien und seine Ehre verriet.
Um Toufars Fall herrschte dann praktisch während der ganze Zeit des kommunistischen Regimes Stille – im Gegensatz zu anderen Episoden in den 1950er Jahren, wie etwa den Ereignissen im südmährischen Dorf Babice, wo drei Funktionäre der Kommunistischen Partei in Juli 1951 erschossen und mehrere Menschen, darunter drei katholischen Priester, hingerichtet wurden. Im Frühjahr 1968 eröffnete die Presse der Tschechoslowakischen Volkspartei durch eine Artikelserie die Debatte über die Todesumstände von Josef Toufar. Diese Aktivitäten in den Medien, die dazu führten, dass die Geschichte von Toufar „wieder ans Licht kam“, wurden im Dezember 1969, mehr als ein Jahr nach dem Einmarsch des Warschauer Pakts, auf einer Sitzung der Volksparteiführung als falscher und politisch fehlerhafter Schritt bezeichnet.[8]
Erst nach der politischen Wende 1989 konnte man wieder über das tragischen Schicksal und Drama des Lebens und Wirkens Josef Toufars diskutieren. Im Jahr 2013 begann die römisch-katholische Kirche mit dem Seligsprechungsverfahren für Toufar. Im Juli 2015 wurden Toufars sterbliche Überreste aus dem Massengrab in Ďablice in Prag, zurück nach Čihošť gebracht und feierlich in das Grab gelegt. Große Verdienste daran haben auch die Bücher des Dichters und Schrifstellers Miloš Doležal, der aus der gleichen Region wie Josef Toufar stammt.[9] Von vielen Leuten, und nicht nur aus dem kirchlichen Milieu, wird seine Persönlichkeit als Opfer der kommunistischen Verfolgung verehrt und respektiert.

Jaroslav Šebek

[1] Konstantin Urban, Die Lage der katholischen Kirche in der Tschechoslowakei, in: Osteuropa 13, Nr. 7/8, Juli/August 1963), S. 476.
[2] Karel Kaplan, Staat und Kirche in der Tschechoslowakei: Die kommunistische Kirchenpolitik in den Jahren 1948-1952, München 1990, S. 48.
[3] Jaroslav Cuhra, Staat und Kirchen in der Tschechoslowakei, in: Martin Schulze Wessel – Martin Zückert: Handbuch der Religions- und Kirchengeschichte der böhmischen Länder und Tschechiens im 20. Jahrhundert, München 2009, s. 560.
[4] Miloš Doležal, Z propasti dole do propasti nahoře. Blíženci po duchu Jan Zahradníček a P. Josef Toufar [Vom Abgrund unten in den Abgrund oben. Die Zwillinge nach dem Geist Jan Zahradníček und P. Josef Toufar], in: Kontexty, 10 (2018), Nr. 2, s. 84.
[5] https://deutsch.radio.cz/das-wunder-von-cihost-und-die-ermordung-des-pfarrers-toufar-8275018, Beitritt, am 24. Januar 2022.
[6] Zu den Verhören von Josef Toufar im Gefängnis vgl. Jan Kalous, Instrukážní skupina StB v lednu a únoru 1950. Zákulisí případu Čihošť [Instruktorengruppe der Staatssicherheit im Januar und Februar 1950. Hintergrund des Falls Čihošť], Praha 2001.
[7] Zu der Form der propagandistischen Arbeit im Zusammenhang mit „Wunder von Čihošť“ vgl. Jiří Žák, Exkomunikace, zázraky, sabotáže. Od Krakova přes Číhošť k Banské Bystrici [Exkommunikationen, Wundern, Sabotagen. Von Krakau über Číhošť nach Banská Bystrica], Praha 1950.
[8] Karel Konečný, Československá strana lidová v období nastupující normalizace (1969-72) [Tschechoslowakische Volkspartei in der Periode der kommenden Normalisierung], Prag 2019, S. 115.
[9] Miloš Doležal, Jako bychom dnes zemřít měli [Wie wir heute sterben würden], Prag 2012.

Zeichen der Verständigung und der Versöhnung in Wichstadtl/Mladkov

Gedenkstätten für die Gefallenen der beiden Weltkriege und für die Mordopfer im Mai 1945 restauriert und geschaffen. Für die ehemaligen Bewohner von Wichstadtl und Deutsch-Petersdorf ging damit ein langersehnter Wunsch auch als Zeichen der Vergangenheitsbewältigung und der Versöhnung in Erfüllung.
Aus verschiedenen Teilen Deutschlands und Österreichs kommend, trafen sich über 30 ehemalige Bewohner von Wichstadtl in ihrer alten Heimat mit heutigen Bewohnern von Wichstadtl, darunter Bürgermeister Roman Studený, zu einem zweisprachigen Dankgottesdienst am 2.0ktober 2021 in der Heimatkirche, zelebriert von Pfarrer Pawel Pliscek Mit dem diesen Dankgottesdienst fand ein über drei Jahrzehnte lang dauerndes Projekt der Versöhnung einen feierlichen Abschluss. Am Ende des Gottesdienstes überreichten die Brüder Josef und Hermann Pietsch, zusammen mit Sr. Theresita die Initiatoren des Projektes, Ehrenurkundenmit einem Präsent an neun verdienstvolle tschechische und deutschen Landsleute, darunter Herrn Bürgermeister Roman Studený, und seine beiden Vorgänger Herrn Theodor Šmok sowie Frau Rosová.
Der Landschaftsbetreuer der Heimatlandschaft Adlergebirge, Günther Wytopil, brachte in seinem Dank die besondere Bedeutung dieses Tages zum Ausdruck, dass das was über Viele Jahre hier in einfühlsamer Zusammenarbeit zwischen den beiden Volksgruppen entstanden ist, Vorbildcharakter über diesen Ort hinaus hat, das einmalig ist. Dazu kann man nur gratulieren und hoffen, dass es über diesen darüber hinaus wächst. Zum Zeichen des äußeren Dankes übergab er eine besondere Urkunde für die jetzigen Einwohner von Wichstadtl/Mladkov stellvertretend an Herrn Bürgermeister Studený.
Sr. Theresita erwähnte in Ihren Dankesworten an die Gemeinde das Leben der Hl. Agnes von Böhmen, die ihre Lebensaufgabe als Brückenbauerin sah, zwischen den unterschiedlichen Strömungen und Menschen im damaligen Böhmen. Dieses kostbare Vermächtnis Brücken zu bauen, hat uns alle, die wir böhmische Wurzeln haben, die hl. Agnes als Auftrag hinterlassen, damit wir ihn weitertragen, über unsere engen Grenzen hinweg, wegbereitend zu einem Europa, in dem jeder in Frieden und Freiheit leben kann. Dazu möge die Hl. Agnes uns helfend zur Seite stehen.
Bereits am Freitagvormittag, den 1. Oktober wurde eine Abordnung von Herr Bürgermeister gastfreundlich im Rathaus empfangen. Nachmittags begleitete er uns mit einigen Ortsbewohnern zum Massengrab, wo wir der Toten namentlich gedachten, beteten, Grab und Grabstein segneten. Zum Schluss sangen wir unser Heimatlied: „Tief em Toole..." gedichtet und vertont vom ortsansässigen, langjährigen Oberlehrer Julius Pausewang. Leider konnten wir das zweite Grab, wegen ungeklärter Wegverhältnisse, nicht besuchen.
Im Laufe der letzten 30 Jahre wurden verschiedene Gedenkstätten saniert bzw. neu geschaffen. Während der Amtszeit, Anfang der 1990er Jahre, von Frau Bürgermeisterin Rosová konnte das Kriegerdenkmal aus dem Ersten Weltkrieg saniert, mit einer neuen Tafel versehen werden, die in beiden Sprachen an die Gefallenen erinnert. Am Friedhof wurde ein Denkmal errichtet, mit Inschrift: „Den unsinnigen Opfern der beiden Weltkriege", ebenfalls zweisprachig.
Seit 1995, unter Herrn Bürgermeister Šmok, dem 50. Jahrestag der zwölf ermordeten Deutschen Bewohner vom 22.05.1945, befindet sich eine Gedenktafel aus weißen Marmor, aus den lokalen Steinbrüchen in Mohrau, mit Namen der Toten in der Kirche in Wichstadtl. Zu unserer Überraschung, setzte Herr Bürgermeister Šmok etliche Jahre später mit Arbeitern der Gemeinde in der Nähe des Massengrabes der Ermordeten Deutschen einen großen Monolith, sichtbar von der nahen Straße aus. Ebenso renovierte die Gemeinde eine kleine Waldkapelle zum Guten Hirten.
Eine Gedenktafel, die an die Gefallenen und Vermissten der beiden Weltkriege erinnert, erstellten die Brüdern Josef und Hermann Pietsch. 2017 wurde diese in der Kirche in Wichstadtl angebracht.
Unser letztes sehr heikles Thema in den letzten Jahren war die würdige Gestaltung der beiden Massengräber. Nach Zusage von Herrn Bürgermeister Studeny 2019 steht nun auf jedem Grab ein Kreuz und eine Stele mit den Namen der Ermordeten.
Den Besuch in der alten Heimat abrundend, besuchten wir eine Ausstellung, die der Ortschronist von Mladkov, Herr Miloš Taraška, in den letzten Jahren, an gesammelten Fotos, Dokumenten und Gegenständen aus unserer Deutschen Zeit, mit Hilfe der Ortsbewohner zusammengetragen hatte und in Schaukästen und Wandtafeln präsentierte. Ebenso dokumentierte Herr Taraška unsere Ortsgeschichte sehr einfühlsam in einem von ihm herausgegeben Buch.

Sr. M. Theresita Wanitschek OP

Von Polen ins Erzgebirge

Interview mit dem neuen Pfarrer Krzysztof Dędek der Pfarrei Schlackenwerth (Ostrov)

Seit August dieses Jahres ist der neue Pfarrer Krzysztof Dędek in der Pfarrei Schlackenwerth tätig. Er wurde auch zum Bezirksvikar des Karlsbader Vikariats ernannt. Der aus Polen stammende Priester hat das Erzgebirge lieb gewonnen und betrachtet die Tatsache, dass er in der hiesigen Pfarrgemeinde arbeitet, als das Beste, was ihm in seinem Berufsleben passieren konnte.
Das Interview führte Lenka Löfflerová aus Abertham (Abertamy).

Wie verlief Ihr Weg von Ihrer Heimat Polen in die Pfarrei Schlackenwerth ?
Ich kam im Jahr 2000 als Priester in die Tschechische Republik, als ich im Einvernehmen mit meinem Bischof in Polen und dem damaligen Bischof von Pilsen, František Radkovský, in die Diözese Pilsen aufgenommen wurde. Unmittelbar nach meiner Ankunft begann ich im Diözesanjugendzentrum in Pilsen zu arbeiten, wo ich fünfzehn Jahre lang tätig war. Im Jahr 2010 kam die Arbeit als Leiter der Pastoralabteilung des Bistums Pilsen und später die Stelle des Bischofsvikars für Seelsorge hinzu. Im Jahr 2016, nach dem Amtsantritt des neuen Bischofs Tomáš Holub, wurde ich zum Generalvikar ernannt. Ich habe drei Jahre lang in dieser Position gearbeitet. Dann machte ich eine einjährige berufliche Pause, in der ich tatsächlich innehielt und darüber nachdachte, wie sich mein Lebensweg weiter entwickeln sollte. Mitte September 2020 kam ich nach Schlackenwerth und begann unter der Leitung von Pater Marek Hric als Kaplan zu arbeiten. Im März dieses Jahres teilte uns der Bischof mit, dass ich hier als Pfarrer bleiben könne, da Pater Hric die Pfarrgemeinde Schlackenwerth verlassen würde. Mir gefällt die Gemeinde sehr gut und ich habe diese Stelle gerne angenommen.

Wie sind Sie von den Gläubigen und den weiteren Einwohnern aufgenommen worden ?
Ich bin sehr gut aufgenommen worden, sowohl von den Gemeindemitgliedern als auch von den Bürgermeistern und anderen Menschen, die ich hier treffe. Ich muss sagen, dass ich dafür sehr dankbar bin.

Sie arbeiten jetzt seit einem Jahr in der Pfarrei Schlackenwerth, da müssen Sie die Gemeinde doch ein bisschen kennen gelernt haben, trotz der schwierigen Rahmenbedingungen. Wie sieht diese Gemeinde aus der Sicht eines neuen Pfarrers aus?
Ich kannte die Pfarrei Schlackenwerth schon ein wenig von früher: Ich kam zum ersten Mal hierher, als mein Freund und Seminarkollege, Pater Jósef Frelich, noch hier arbeitete (er war von 2001 bis 2005 in der Gemeinde Schlackenwerth tätig). Ich kannte also die Pfarrei von meiner Tätigkeit als Bischofsvikar für Seelsorge und von der Jugendarbeit. Außerdem besuchte ich die Pastoral- und Erholungszentren in der Bergstadt Platten (Horní Blatná) und Bärringen (Pernink) bei verschiedenen Veranstaltungen, geistlichen Erneuerungen oder Exerzitien. Natürlich kann ein Priester eine Gemeinde am besten kennenlernen, wenn er selbst dort arbeitet. Deshalb habe ich mich von Anfang an bemüht, in der Gemeinde Fuß zu fassen. Und ganz allgemein kann man sagen, dass der Kern der Gläubigen und das imaginäre Zentrum der Pfarrei heute in Schlackenwerth liegt. Dann gibt es noch "Satelliten" wie Abertham, Bärringen oder Bergstadt Platten, wo ebenfalls regelmäßig Gottesdienste abgehalten werden. Ein besonderes Kapitel ist die Gemeinde St. Joachimsthal (Jáchymov), die das Gros unserer Gemeindemitglieder ausmacht, aber die meisten Besucher der Gottesdienste sind Kurgäste, Touristen und Bewohner von Wochenendhäusern. In diesem Fall handelt es sich also um eine ganz andere Art der Seelsorge, denn wir müssen berücksichtigen, dass diese Menschen hier nicht zu Hause sind. Ich sehe es ferner als ein "Minus" an, dass für die Gemeindemitglieder, die nicht in Schlackenwerth wohnen, der Pfarrer sozusagen nicht bei der Hand ist. Auf jeden Fall versuchen wir, überall verfügbar zu sein, wo wir gebraucht werden.

Können Sie den Lesern erläutern, ob es unter Ihrer Leitung zu größeren Veränderungen in der Gemeinde kommen wird?
Im Moment sind keine größeren Änderungen geplant. Vielmehr denken wir intensiv darüber nach, wie wir den pastoralen Dienst fortsetzen können, d.h. welche Arten von Treffen wir in der Pfarrei anbieten, was wir beibehalten oder was wir neu anbieten wollen. Bisher trafen sich die Menschen zur Bibelmeditation, zur Vorbereitung auf die Sakramente und die Kinder zum Religionsunterricht. Wir möchten dieses System beibehalten und das Potenzial von uns Priestern, die derzeit hier tätig sind, voll nutzen. Unser neuer Kaplan, der Jesuit Patrik Koval, könnte zum Beispiel eine Meditationsschule für Gebete leiten, denn das ist seine Stärke. Ich kann andere spirituelle Programme und Vorträge über Reisen anbieten, die ich im Laufe der Jahre unternommen habe. Was die Gottesdienste betrifft, so haben wir im September regelmäßige Gottesdienste in der renovierten St. Anna-Kirche in Gottesgab (Boží Dar) eingeführt, immer samstags um 18 Uhr. Wir wollen die Touristen treffen, die in großer Zahl nach Gottesgab kommen. Wir haben mit dem Bürgermeister vereinbart, dass wir die Besucherzahlen registrieren und, wenn es sinnvoll ist, diese Aktion in der Wintersaison fortsetzen werden. Im Moment werden wir versuchen, die Gemeinde noch besser kennen zu lernen, und wenn wir feststellen, dass einige Dinge anders geregelt werden sollten, werden wir sie nach sorgfältiger Überlegung ansprechen.

In diesem Zusammenhang stellt sich die Frage, ob Sie es für sinnvoll halten, in den Kirchen des Erzgebirges, in denen die Zahl der regelmäßigen Gottesdienstbesucher relativ gering ist, in Zukunft die Messe zu feiern?
Das ist natürlich ein großes Thema. Die Zahl der Gläubigen, die dort regelmäßig Gottesdienste besuchen, ist nicht sehr groß. Es muss jedoch gesagt werden, dass es sehr leicht ist, die Messe abzuschaffen, aber sehr schwer, sie wieder einzuführen. Im Moment sind wir zwei Priester in der Gemeinde, und wir haben unsere Arbeit so eingerichtet, dass wir sie bewältigen können. Die Gottesdienste halten wir in dem Gedanken, dass wir den Gläubigen nahe sein sollen. Und wenn diese Menschen einen Wunsch nach der Eucharistie haben, dann wollen wir sie ihnen anbieten.

Sie sind der Koordinator für den religiösen Tourismus in der Diözese Pilsen, und ein großer Teil unserer Pfarrei ist ein Erholungsgebiet. Welche Möglichkeiten oder Angebote gibt es also für den kirchlichen Tourismus in der Pfarrei Schlackenwerth und im Erzgebirge?
In der Tschechischen Republik ist diese Art von Tourismus vor allem in Mähren und Prag verbreitet. Kirchliche Denkmäler und Gebäude gehören oft zu den bedeutendsten in den einzelnen Gemeinden. Hier gibt es also durchaus ein Potenzial, mit dem man in Zukunft arbeiten könnte. Das größte Problem, das ich darin sehe, einzelne Kirchen zugänglich zu machen, besteht darin, dass diese Objekte einen Verwalter haben müssten, der sich um das Öffnen kümmert. Und das ist ziemlich schwierig. Es werden jedoch bereits Ideen entwickelt, wie einzelne Kirchen zumindest gelegentlich für Interessierte zugänglich gemacht werden können. Im nächsten Jahr könnte man zum Beispiel eine Radtour entlang des Erzgebirgskamms organisieren und einzelne kirchliche Denkmäler entlang der Strecke besuchen. Wir sind auch offen für andere Veranstaltungen, wie z.B. die „Nacht der Kirchen“ oder Konzerte. In der St. Joachimsthaler Kirche finden regelmäßig Konzerte statt, aber auch das ist, wie bereits erwähnt, eine Besonderheit des Kurortes. Aber ich denke, dass es auch an anderen Orten ein gewisses Potenzial gibt, und so werden wir nach Möglichkeiten suchen, die Kirchen nicht nur für Touristen, sondern auch für die einheimische Bevölkerung zu öffnen, auch durch verschiedene kulturelle Veranstaltungen.

Die Ausübung des priesterlichen Dienstes in einer so großen Pfarrgemeinde ist oft anspruchsvoll. Was macht Sie also geistig stark und wie verbringen Sie Ihre Freizeit?
Ich habe das Glück, in einer der landschaftlich schönsten Pfarreien unserer Diözese zu arbeiten. Ich bin wirklich beeindruckt vom Erzgebirge. Es ist rauh, aber es ist auch sehr schön. Und ich war buchstäblich gefesselt von ihm. Trotz der Schwierigkeit des Geländes liebe ich es, hier Rad zu fahren oder zu wandern. Im Winter hatte ich auch die Gelegenheit, die örtlichen Langlaufloipen auszuprobieren. Die Gegend um Abertham oder Gottesgab hat mir sehr gut gefallen. Hoffentlich habe ich dieses Jahr die Gelegenheit, auf den örtlichen Pisten zu fahren. Sport und Bewegung sind Aktivitäten, die mir sehr viel Energie geben. Ab und zu reise ich auch gerne ins Ausland. Reisen ist für mich eine Möglichkeit, neue Dinge zu entdecken.
Die Pfarrei Schlackenwerth liegt in einem Gebiet, das von vielen Faktoren stark betroffen ist, und es waren nicht immer positive historische Ereignisse. Es gibt hier immer noch eine gewisse Entwurzelung und Verwundung, auch in geistlicher Hinsicht.

Wie nehmen Sie diese Situation als Neuankömmling wahr und was tun Sie dagegen?
Ich denke, es ist unmöglich, das nicht wahrzunehmen. Wer hierher kommt und sich zumindest ein wenig für die Vergangenheit dieser Region interessiert, und sei es nur als Tourist, wird vielerorts auf Informationstafeln stoßen, auf denen [verschwundene] Dörfer oder sogar Kapellen und Klöster zu sehen sind. Es gibt viele solcher Orte. Als ich meinen Freunden, zum Beispiel aus Polen, St. Joachimsthal und den St. Joachimsthaler Höllenpfad zeigte, waren sie ziemlich erschrocken. Für mich als Pole ist aber auch die Geschichte unserer Nationalheldin und Nobelpreisträgerin Marie Curie Sklodowska ein wichtiger Teil der St. Joachimsthaler Vergangenheit.
Sie hat es geschafft, aus der St. Joachimsthaler Pechblende das Radium zu isolieren. Die Region wurde auch durch die Vertreibung der Sudetendeutschen nach dem zweiten Weltkrieg schwer geschädigt. Kurzum, es gab viel Leid und Not. Es ist notwendig, diese Ereignisse nicht zu vergessen und über individuelle menschliche Schicksale nachzudenken. Wir Christen tun dies auf die Art und Weise, die uns am nächsten ist. Wir schließen sie in unsere Gebete ein und bitten um Segen für die ganze Region. Auch wenn ich ein starkes Mitgefühl für die einzelnen Wunden habe, möchte ich mit der Hoffnung in die Zukunft blicken, dass unser Gebiet eine bedeutende Rolle spielen kann auf dem Weg zur Versöhnung und Heilung. Es ist etwas, das uns voranbringen wird. Denn durch die vergangenen Ereignisse können wir erkennen, dass jede Entscheidung, die wir treffen, Konsequenzen hat. Genauso sollten wir wissen, dass es, wenn wir verletzt wurden, immer einen Weg zur Vergebung gibt.

Ich danke Ihnen für das Interview und wünsche Ihnen Gottes Segen und viel Elan für den Dienst in unserer Pfarrei.

Text: Lenka Löfflerová in „Krušnohorský Herzgebirge Luft“, Oktober 2021
Übersetzung aus dem Tschechischen: Josef Grimm

Anton Otte zum Gedenken

„Er fiel nicht durch seine Größe oder kräftige Statur auf, sondern durch die Größe seines Geistes, durch seinen Mut und seine Geduld. Ihn hat ein großzügiges Herz charakterisiert, das nach Versöhnung suchte, und nach der Möglichkeit, anderen zu helfen.“ So begann Dominik Kardinal Duka, OP, aus Prag das Requiem für Msgr. Anton Otte im Dom von Bamberg. Er fuhr fort: Ich bin heute nicht nur im Namen meines Amtes hier, sondern vor allem als Freund von Toni. Seine Hilfe, die auf Erfahrung und Kenntnissen beruht, hat mich mehr als dreißig Jahre begleitet und unterstützt….Ich bin überzeugt, dass er einen Teil der Geschichte der Versöhnung und Zusammenarbeit zwischen Deutschland und der Tschechischen Republik geschrieben hat, und auch das gegenseitige religiöse, kulturelle und soziale Leben im Geiste echter und aufrichtiger Nachbarschaft bereichert hat.“
Konzelebranten waren Erzbischof Dr. Ludwig Schick aus Bamberg und Bischof Tomáš Holub aus Pilsen, sowie Mitglieder des Königlichen Kollegiatskapitels St. Peter und Paul auf dem Vyšehrad.
Am 15. August 1939 wurde Anton Otte in Weidenau/Vidnava geboren. Ein furchtbarer Schicksalsschlag traf die Familie, als der Vater von einem tschechischen Gericht zum Tode verurteilt und hingerichtet wurde. In dieser schweren Zeit hat die Familie die Erfahrung gemacht, dass sich Deutsche und Tschechen von ihr abgewandt, aber auch Deutsche und Tschechen sie unterstützt haben.
Toni wollte Priester werden. Doch wegen seiner Haltung wurde ihm vom staatlichen Kirchensekretär die Aufnahme in das Priesterseminar verweigert. Die Familie hat deshalb die Möglichkeit genutzt, in die Bundesrepublik zu übersiedeln. Toni begann sein Theologiestudium in Königstein/Taunus. Schon als Student hat er in der Ackermann - Gemeinde seine geistige Heimat gefunden. 1967 wurde er in Bamberg zum Priester geweiht. Als Kaplan von Ebermannstadt war er auch Religionslehrer und Dekanatsjugendseelsorger. Nach einigen Jahren als Religionslehrer am Gymnasium in Ebermannstadt wurde er Seelsorger in der Justizvollzugsanstalt Bayreuth und später in Nürnberg.
In der Ackermann - Gemeinde wurde Toni Geistlicher Beirat der Jungen Aktion im Bistum Bamberg und auf Bundesebene. Die Ackermann-Gemeinde hatte bereits in der Zeit des Kommunismus eine Fülle von Beziehungen in die Tschechoslowakei aufgebaut. Nach der Samtenen Revolution bot sich die Chance, diese Beziehungen auszubauen und zu vertiefen. Toni war der ideale Mann für diese Aufgabe, weil er nicht nur beide Sprachen beherrschte, sondern in beiden Kulturen zu Hause war. Er kannte die Verletzungen und Verletzlichkeiten der Tschechen und der Deutschen.
Im Benediktinerkloster Emmaus in der Prager Neustadt konnte Toni 1991 ein Büro einrichten und wohnen. Mit seiner freundlichen und wohlwollenden menschlichen Art hat er schnell Kontakte geknüpft und Beziehungen zu den tschechischen Bischöfen und Mitbrüdern aufgebaut. In  der Kirche St. Nepomuk am Felsen, Emmaus gegenüber, hat er die wenigen verbliebenen Deutschen gesammelt und  die Deutschen, die jetzt von ihren Firmen nach Prag geschickt wurden. Das waren die Anfänge der jetzigen deutschen Pfarrei in Prag. Bald hatte er auch gute Verbindungen zur Deutschen Botschaft. Er wurde in Schulen und zu Diskussionsrunden eingeladen und war in den Medien präsent. Die Gründung des tschechischen Zweigs der Ackermann - Gemeinde, der Sdruzeni Ackermann – Gemeinde, hat er begleitet und unterstützt.
Er hat sich bei all dem immer konsequent für Verständigung und Versöhnung eingesetzt. Bei  manchen Begegnungen hat er auch Ablehnung und Widerstand erfahren. Aber er blieb seinen Anliegen treu, in großer Geduld und Zähigkeit. Der Erfolg blieb schließlich nicht aus. Prof. Halík hat einmal gesagt: Der Toni hat uns die Angst vor den Deutschen genommen.
Sein unermüdlicher Einsatz für eine vertrauensvolle Nachbarschaft von Deutschen und Tschechen ist allmählich bekannt und anerkannt worden. 2001 wurde er Mitglied des Königlichen Kollegiatskapitels St. Peter und Paul auf dem Vyšehrad und 2011 der Propst dieses bedeutenden Kapitels. Die Ackermann-Gemeinde ehrte ihn mit der Versöhnungsmedaille. 2001 hat ihn Papst Johannes Paul II. den Titel Monsignore verliehen. 1996 hat ihn Präsident Václav Havel mit dem G.G. Masaryk-Orden ausgezeichnet. Er war außerdem Träger des Bundesverdienstkreuzes und des  Bayerischen Verdienstordens. Seine Geburtsstadt Weidenau/Vidnava hat ihn zum Ehrenbürger ernannt. Er hatte sich dafür eingesetzt, dass aus der Patenschaft, die Neuburg/Donau für die vertriebenen Weidenauer übernommen hatte, eine Städtepartnerschaft wurde.
Seinen Charakter haben all diese Ehrungen und Auszeichnungen nicht verändert.
Ich habe Toni bereits beim Studium in Königstein/ Taunus kennengelernt. Als Priester des Erzbistums Bamberg haben wir uns immer wieder einmal getroffen. Die Aufgabe des Visitators für die Sudeten - und Karpatendeutschen habe ich erst übernommen, nachdem mir Toni seine Unterstützung zugesagt hatte. Und er hat Wort gehalten.
Gleich zu Beginn meiner Tätigkeit hat er eine Rundreise zu den tschechischen Bischöfen organisiert, sodass ich mich bei allen vorstellen konnte. Auf dieser Reise ist auch die Idee für ein tschechisch - deutsches Priestertreffen entstanden. Toni und Dr. Falkenauer, der damalige Generalvikar in Pilsen, haben entscheidend  dazu beigetragen, dass das erste Treffen zustande kam.
Er hat mich bis zuletzt auf wichtige Ereignisse in der Kirche Tschechiens aufmerksam gemacht. Immer wieder hat er Gesprächspartner und Referenten für das Priestertreffen und den Schwesternkongress vermittelt. Selbstlos hat er seine Kenntnisse und Verbindungen in den Dienst des Priesterwerkes gestellt. Sooft es ihm möglich war, hat er als beratendes Mitglied an den Vorstandssitzungen des Priesterwerkes teilgenommen.
Erzbischof Dr. Schick hat in seiner Ansprache beim Requiem gesagt: Bei Toni Otte war es der Dienst der Versöhnung! Von diesem haben wir in der Lesung aus dem zweiten Korintherbrief gehört. Er hat diesen Dienst in ganz besonderer Weise an den Deutschen und Tschechen und für Deutschland und Tschechien geleistet….Anton Otte hat sich sein Leben lang für die deutsch - tschechische Versöhnung eingesetzt und dabei ist ihm Hervorragendes gelungen.“ Er schloss seine Ansprache mit den Worten: Lieber Monsignore Otte, lieber Toni! Dir Vergelt`s Gott! Gott vergelte Dir, was Du im Auftrag und Namen Jesu Christi, seines Sohnes, unseres Bruders, auf dieser Welt in Deinem Leben und in Deinem priesterlichen Dienst gewirkt hast: Du hast am Werk der Versöhnung mitgearbeitet. Wir ehren Dich und danken Dir und erbitten Dir den Lohn des treuen Dieners: den ewigen Frieden bei Jesus Christus, Deinem und unserem gütigen Vater im Himmel.“
Das Priesterwerk verdankt seinem engagierten und treuen Mitglied viel. Auch wir sagen ihm „Vergelt`s Gott!“ für seine Dienste, gedenken seiner im Gebet und behalten ihn in guter Erinnerung.

Karl Wuchterl


Josef Beránek, Anton Otte: Fernes Europa?

Es ist wie ein Vermächtnis, das Interview von Josef Beránek mit Anton Otte geführt hat und das 2019 in Buchform veröffentlicht wurde.
Darin erzählt Anton Otte von seinem ereignisreichen Lebensweg und seinen vielfältigen und vielschichtigen Erfahrungen bei seinem Einsatz für die Versöhnung von Deutschen und Tschechen, von Hoffnungen und Enttäuschungen, von Zustimmung und Widerspruch. Das Interview ist in deutscher und tschechischer Sprache abgedruckt und ist somit schon ein Beitrag zur Versöhnung zwischen beiden Völkern.
Das Buch kann zum Preis von € 10,- zzgl. Versandkosten beim Sudetendeutschen Priesterwerk bestellt werden (Adresse bei „Ansprechpartner“ am Ende des Heftes)

Auch bei uns …

Schon mehrmals habe ich an dieser Stelle, über das Vorwort hinaus, zur Tastatur gegriffen und aus der Praxis referiert. Mal ging es um „Corona-Erfahrungen“ in der Pastoral, mal um liturgische Fragen. Ein aktueller Beitrag kommt daher auch nicht an DEM Thema vorbei, das uns als Kirche weltweit in unseren Grundfesten erschüttert: Missbrauch in unseren Reihen. Ich meine, es ist redlich, sich dem auch im Priesterwerk zu stellen.
Nun haben wir als Organisation das „Glück“, dass die pastoralen Felder, in denen der Missbrauch geschah und leider auch noch geschieht, nicht Gegenstand unseres gemeinsamen Tuns sind. Freilich bilden wir eine „Familie“ – und wir müssen dazu stehen, dass auch Mitglieder dieser Familie Schlimmstes getan haben. Und als Familie tragen wir daran mit.
Als ich vor über 15 Jahren das erste mal beim Sudetendeutschen Priesterwerk aufschlug, kam ich auf Empfehlung zu unserer Gemeinschaft. Im Kreis der Versammlung war ich der deutlich Jüngste und musste erst Kontakt knüpfen und mich mit der gemeinsamen Biografie vertraut machen. (Letzteres habe ich bis heute nur rudimentär geschafft.) Ich begriff aber bald, dass ein großer Teil dieser gemeinsamen Wurzel nicht nur in der alten Heimat, sondern durch das Studium in Königstein begründet war. Die dortige Hochschule wurde 1979 geschlossen, ich hatte nie etwas von ihr gehört. Doch schon als ich 1990 mein Studium in Regensburg begann, wurde ich von einem Professor auf die Namensgleichheit aufmerksam gemacht: Kruschina. Auch bei meinem ersten Aufschlagen im SPW wurde ich gefragt, ob ich mit Regens und Professor Stefan Kruschina verwandt wäre. Meine Recherchen in den Matrikeln haben keine nachweisbare Verwandtschaft über mehrere Generationen hinweg ergeben. Der Familienname Kruschina ist in Laubendorf häufiger vertreten, vermutlich gibt es einen gemeinsamen Vorfahren vor vielleicht einigen hundert Jahren. Trotzdem haben Stefan Kruschina und mein Vater den gleichen Geburtsort, haben er und ich uns – wenn auch über zwei Generationen getrennt - für den Beruf des Priesters entschieden. Schließlich findet sich auch in der Folge über die Priestergemeinschaft im SPW eine Schnittmenge. (Ob Stefan Kruschina, der 1991 verstarb, Mitglied im SPW war, habe ich nicht erforscht.) Wir gehören also durchaus zu einer „Familie“. Stefan Kruschina hat in seiner Zeit als Pfarrer in Wurmlingen Missbrauch begangen, die Ehrenbürgerwürde wurde im nach Bekanntwerden posthum wieder aberkannt.
Man kann über Missbrauch und Täter nicht „wertfrei“ sprechen. Dennoch möchte ich nicht diesen einen „Fall“ thematisieren, sondern ihn zum Anlass nehmen, um darüber zu schreiben, dass wir uns bewusst sein müssen, dass statistisch gesehen jeder von uns jemand kennt, der in irgendeiner Weise übergriffig geworden ist – egal, ob man davon weiß oder nicht. Daher können wir nicht sagen, wir hätten „damit nichts zu tun“. Und vermutlich gilt das – da Missbrauch in den meisten Fällen nicht in Institutionen, sondern in den Familien geschieht – für jede Leserin und jeden Leser unserer Mitteilungen. Auch als Seelsorger habe ich mich schon um Missbrauchsopfer gekümmert.
Es sind drei Aspekte, die uns alle etwas angehen und die mich bewegen, das Thema auch in unserer Zeitschrift anzuschneiden.
Erstens: Missbrauch geschieht und muss verhindert werden. Der erste Schritt dazu ist, dass das Thema offen angesprochen wird. Ich erarbeite gerade ein Präventionskonzept für meine Gemeinde und ein wichtiger Baustein der Prävention ist, dass man die Augen vor der Möglichkeit nicht verschließt. Immer dann, wenn potentielle Täterinnen und Täter hören, „so etwas gibt es bei uns nicht“, wissen sie, dass man auf diesem Auge blind ist – und sie damit ein leichteres Spiel haben. So sehr die allermeisten von uns der „Dauerbrenner“ inzwischen bedrückt: wo er beständig zu Sprache kommt, kann er sich weniger leicht ereignen.
Zweitens: Missbrauchte brauchen unsere Aufmerksamkeit und Hilfe. Sie können vielleicht verarbeiten, verzeihen – aber nicht vergessen. So Erlebtes kann niemals ein „abgeschlossenes Kapitel“, allenfalls ein durcharbeitetes sein. Daher gehören wir als Seelsorgende an die Seite der Opfer, nicht der Täter. (Auch wenn es redlich ist, auch die Täter in ihrer eigenen Verfangenheit seelsorgerlich nicht im Stich zu lassen!) So wenig wie die Opfer das Geschehene „abhaken“ können, so wenig können wir das als Kirche tun. Basta!
Drittens: Über Systemik, historische Einordnung von Missbrauch etc. kann wissenschaftlich gearbeitet werden. Wir müssen uns Gedanken über unsere eigenen hellen und unsere dunklen Seiten, über unsere Wünsche und Bedürfnisse, Träume und Alpträume machen. Ich glaube, dass eine Diskussion im Rahmen eines unserer Treffen dazu gut wäre, will aber das notwendige und offene Wort in unserer Mitgliederzeitschrift dazu nicht scheuen. Unser Papst spricht von Zärtlichkeit, Wunibald Müller in einem Buch, das mir während des Reifungsprozesses im Studium eine wichtige Lektüre war, von Intimität. Ich bin meinen Eltern bis heute dankbar, dass sie mir Zärtlichkeit geschenkt haben und mir ein positives Selbstbild meiner ganzen Persönlichkeit vermittelt haben: Geist, Seele UND Leib. Es ist gerade dieses Bedürfnis nach Zärtlichkeit und Intimität, das – wenn auch beim einen mehr, beim anderen weniger – uns auch im Erwachsenenalter, auch als zölibatäre Priester begleitet. Sexualität ist EINE Ausdrucksform davon, aber nicht die einzige! Versöhnt zu leben mit seinen Wünschen, den erfüllten und den unerfüllten, gehört zur menschlichen Reife. Nur weil wir uns einmal sehr bewusst für die Ehelosigkeit entschieden haben, erleben wir nicht „exklusiv“ einen Mangel – das geht auch anderen Alleinstehenden, Verwitweten und übrigens auch manchen Eheleuten so! Das gibt aber niemanden das Recht, diesen „Mangel“ gegen den Willen anderer zu „beheben“, erst recht nicht durch Menschen in Abhängigkeit, in durch Seelsorge entstandene Vertrautheit und - noch einmal gesteigert - erst recht nicht für Menschen, die in vielerlei Hinsicht schwächer sind als wir! Wenn auch (sexueller) Missbrauch oft nur das Werkzeug ist um Macht-/Ohnmachts-Dynamiken zu bedienen, so geht es doch in der Selbstreflexion auch darum, ein gesundes Verhältnis zur eigenen Leiblichkeit zu finden. Durch dunkle Theologie in diesem Bereich ist vieles verunmöglicht und zerstört worden. Auch deswegen müssen wir darüber reden. Es geht um Heilung und Heil: der Opfer zuerst, der Kirche und vielleicht auch der Biografie so mancher in unseren Reihen. Wenn wir davon schweigen, können wir nicht vom Heiland predigen!

Holger Kruschina

Namen und Neuigkeiten

Bereits am 31. Oktober 2021 konnte Prälat Dr. Wolfgang Grocholl seinen 90. Geburtstag feiern. Nach dem Studium der Theologie in Königstein/Taunus und München wurde er am 07. April 1957 in Bad Mergentheim zum Priester geweiht.
1958 kehrte er als Präfekt des Internates nach Königstein zurück. 1968 wurde er an der Universität München bei Professor Leo Scheffczyk zum Doktor der Theologie promoviert. 1969 trat er als Religionslehrer in den Schuldienst und erlebte dort unruhige Jahre. 1982 wurde er Kanonischer Visitator für Priester und Gläubige aus dem Generalvikariat Branitz und 1999 zum Visitator ernannt. Diese Aufgabe hat er mit großem Einsatz und viel Herzblut ausgefüllt. Dafür arbeitet er noch heute.
Über den letzten deutschen Ordinarius für den Branitzer Anteil des Erzbistums Olmütz hat er eine einfühlsame Biographie verfasst: Joseph Martin Nathan. Leben und Leiden für eine grenzenlose Caritas im mährisch-schlesischen Raum.
Von der Kirche wurde sein Einsatz mit zwei Auszeichnungen gewürdigt: 1984 wurde er Päpsticher Ehrenprälat und 1990 Apostolischer Protonotar.
Das Priesterwerk gratuliert Prälat Dr. Grocholl ganz herzlich zu diesem besonderen Geburtstag. Wir wünschen ihm Gesundheit und Schaffenskraft und Gottes Segen für viele weitere Jahre!

Unser ehemaliger Vertriebenenbischof Dr. h.c. Gerhard Pieschl feierte am 8. Dezember 2021 sein Diamantenes Priesterjubiläum.
1934 wurde er Mährisch-Trübau geboren und nach dem Studium in Königstein und Freiburg 1961 zum Priester geweiht. 1977 wurde er Weibischof in Limburg und war von 1983 bis zu seiner Emeritierung 2009 mit großem persönlichem Engagement Beauftragter der Deutschen Bischofskonferenz für die katholische Vertriebenen- und Aussiedlerseelsorge. Seit dem Jahr 2000 ist er Ehrendomherr seiner Heimatdiözese Olmütz/Olomouc.
Wir gratulieren ihm zu seinem Jubiläum und danken ihm für seinen engagierten Dienst als Vertriebenenbischof und sein wohlwollendes Begleiten der Arbeit des Sudetendeutschen Priesterwerks. Mögen ihm noch viele Jahre in Gesundheit und Zufriedenheit geschenkt werden!

Zum 1. März gibt es bei der Bundesgeschäftsstelle der Ackermann-Gemeinde in München eine bedeutende Änderung. Nach 16 Jahren als hauptamtlicher Mitarbeiter – 14 Jahre davon als Bundesgeschäftsführer – verlässt Matthias Dörr den Verband und beginnt seine neue Tätigkeit als Leiter der Inlandsabteilung bei Renovabis in Freising. Seinen bisherigen Posten übernimmt die aus Ingolstadt stammende Kathrin Lichtenberg.
Wir bedanken uns bei Matthias Dörr für die gute Zusammenarbeit, besonders in den letzten Jahren, in denen wir mit unserem Büro Aufnahme in den Räumen der Bundesgeschäftsstelle der Ackermann-Gemeinde gefunden haben und wünschen ihm alles Gute für seine neue berufliche Tätigkeit.
Seiner Nachfolgerin wünschen wir ein gutes Einarbeiten und eine ebenso gute Zusammenarbeit mit dem Sudetendeutschen Priesterwerk.