Vorwort des Vorsitzenden

Mit heißer Nadel gestrickt ...
Gestern war Tag 100. Wenn diese Zeilen entstehen, ist der Angriffskrieg auf die Ukraine gute 14 Wochen alt. Keiner kommt in diesen Tagen um das Thema herum, auch nicht der Schreiber dieser Zeilen.
Geschichte wiederholt sich nicht. Sie ist so einmalig wie jeder Mensch, jede Situation, jede Zeit und ihre Umstände. Aber Muster wiederholen sich – und das ist die eigentliche Tragik, dass viele Verantwortliche offenbar nichts aus der Geschichte lernen: Narrative, die sich irgendwann so sehr selbst bestätigen, dass kein Sachargument mehr gegen sie ankommt. Nun: das gibt es nicht nur im Kreml, sondern auch in Querdenkerbewegungen. Dabei ist zwischen quer – also gegen den Mainstream – und verquer – also schlicht falsch – oft nur ein schmaler Grat. Wo der Widerstand Sinn macht, sagt einem normalerweise das durch Vernunft geschulte Gewissen. Ob er gerechtfertigt war, sagt einem dann oft erst die Geschichte.
Dass ein Volk der Okkupation Widerstand leisten darf, ist allerdings unbezweifelbar. Man muss sich dieses Volk schon andauernd schlecht reden, um Zweifel in den Wind zu schießen. Da sind wir von der Gegenwart schnell in die Vergangenheit gerutscht und kehren ebenso rasch wieder zurück. Denn schon Richard Weizäcker hörte ich als 14jähriger 1985 sagen: Wir tragen kollektiv Verantwortung, aber keine Kollektivschuld. Dieser Verantwortung versuche ich als Nachgeborener gerecht zu werden, indem ich mich engagiere, dass Geschichte nicht in Vergessenheit gerät und dass Brücken der Versöhnung in der Gegenwart geschlagen werden. Darum engagiere ich mich im Sudetendeutschen Priesterwerk.
Der Krieg in der Ukraine hat die größte Flüchtlingswelle auf unserem Kontinent seit dem zweiten Weltkrieg ausgelöst und die Dynamik in den besetzten Gebieten sorgt nicht nur für Flucht, sondern inzwischen wohl auch für Vertreibung. Das kann uns nicht gleichgültig sein. In der Mitgliederversammlung Ende März haben wir auch schon beredet, wie wir unterstützend tätig sein können.
Beten wir zudem, dass der Heilige Geist, den wir in diesen Tagen erflehen, einmal mehr wärmt, was kalt und hart.

Regionaldekan Holger Kruschina
Vorsitzender des SPW

Pontifikalamt mit Bischof em. František Radkovský beim Sudetendeutschen Tag

Europa als spirituelle Aufgabe

Zum Sudetendeutschen Tag, zumal am Pfingstfest, gehört seit jeher ein feierlicher Gottesdienst. Hauptzelebrant war diesmal – wie bereits bei früheren Treffen – der Altbischof von Pilsen František Radkovský. In seiner Predigt plädierte er dafür, Europa und den Aufbau des gemeinsamen Europas verstärkt als spirituelle Aufgabe zu sehen. Mit Blick auf den Krieg in der Ukraine bat er darum mitzuhelfen und dafür zu beten, „dass die Kultur der Demokratie und die Kultur des Evangeliums“ verteidigt und zur Geltung gebracht wird.
Das Pfingstevangelium vom Sprachenwunder nahm der Präses der sudetendeutschen Katholiken Monsignore Dieter Olbrich in seiner Begrüßung zum Anlass, auf die (mindestens) zwei Sprachen beim Sudetendeutschen Tag hinzuweisen. Er überbrachte außerdem die Grüße des Bamberger Erzbischofs Dr. Ludwig Schick und hieß Altbischof Radkovský herzlich willkommen.
Das Pfingstereignis bzw. das damit verbundene Wunder, durch den Heiligen Geist den anderen gut zu verstehen und ihm antworten zu können, nahm der Bischof auch in seiner Predigt als Ausgangspunkt. Als ein Wunder sah er auch die Entwicklungen nach dem Zweiten Weltkrieg. Damals hätten es die „Väter des Vereinten Europas Robert Schumann, Konrad Adenauer und Alcide De Gasperi für notwendig gehalten, diese Einheit Europas aufzubauen“, so der frühere Pilsener Oberhirte. Nach dem Ersten Weltkrieg sei dies wegen Spannungen, Streitigkeiten um Schuld usw. nicht möglich gewesen. In nunmehr 77 Jahren habe es in Westeuropa wegen des Zusammenwachsens keinen Krieg gegeben. „Ich hoffe und glaube, dass es auch weiter so sein wird. Das ist aber nicht nur eine politische Sache, sondern auch eine Sache des Glaubens“, verdeutlichte Radkovský.
Denn Europa sei in zwei Jahrtausenden entstanden und dabei vom Evangelium und vom Glauben geformt worden, so dass man heute von einer gemeinsamen Kultur sprechen könne. „Aber der Glaube geht zurück – nicht nur in Tschechien, auch im Westen“, stellte der Altbischof bedauernd fest. Daher erweiterte er das von einem Satz Václav Havels abgeleitete Motto Tschechiens für die zum 1. Juli beginnende halbjährige EU- Ratspräsidentschaft „Europa als Aufgabe“ in „Europa als spirituelle Aufgabe - darum sollen wir uns bemühen!“ Auch als Wunder sah Radkovský die positive Entwicklung der Beziehungen zwischen Deutschland und Tschechien in den vergangenen 32 Jahren hin zu Dialog, Versöhnung und Verzeihen sowie Einheit. „Das sollen wir auch nicht verlieren, das soll für immer bleiben“, verlieh er seiner Hoffnung Ausdruck – auch bei unterschiedlichen Sprachen.
Schließlich ging Bischof Radkovský auch auf den Krieg in der Ukraine ein. Dies sei „nicht nur ein Krieg zwischen zwei verwandten Nationen, sondern ein Krieg zwischen der Kultur der Demokratie und der christlichen Werte und der Kultur der Gewalt“. Es müsse alles dafür getan werden, um zu helfen, „dass die Kultur der Demokratie und die Kultur des Evangeliums“ verteidigt wird. Die Kraft des Heiligen Geistes könne auch hier wirksam werden.
Dem letztgenannten Aspekt galt auch die Kollekte. Diese war für die Ukraine-Hilfe der Caritas. Die Fürbitten trugen Daniel Hermann (ehemaliger tschechischer Kulturminister und Vorstandsmitglied der Sdružení Ackermann-Gemeinde) und Christoph Lippert (Geschäftsführer der Ackermann-Gemeinde im Erzbistum Bamberg) gemeinsam vor. Die Gartenberger Bunkerblasmusik unter der Leitung von Roland Hammerschmied umrahmte die Eucharistiefeier musikalisch mit der Deutschen Messe von Franz Schubert.

Markus Bauer

Friedens- und Versöhungswallfahrt nach Maria Kulm/Chlum Svaté Maří

Sorge für die Seele wichtiger als Konsum

Der Sudetendeutsche Tag ging heuer in die Verlängerung. Denn am Pfingstmontag fand erstmals eine Friedens- und Versöhnungswallfahrt nach Maria Kulm/Chlum Svaté Maří statt. Den Festgottesdienst zelebrierten der dortige Seelsorger Propst Pater Milan Kučera sowie der Präses der sudetendeutschen Katholiken und Geistliche Beirat der Ackermann-Gemeinde Msgr. Dieter Olbrich und der nun in Ellwangen tätige Redemptoristenpater Dr. Martin Leitgöb, der zuvor acht Jahre die deutschsprachige katholische Gemeinde in Prag betreut hatte.
Mit zwei Bussen fuhren ca. 100 Pilgerinnen und Pilger von Hof aus in den bekannten böhmischen Wallfahrtsort. Darüber hinaus hatten sich zahlreiche weitere Wallfahrer mit Privat-PKWs auf den Weg dorthin gemacht, so dass letztlich das Gotteshaus mit rund 300 Gläubigen gefüllt war, was Propst Kučera sehr freute. Auch von den mitgebrachten Blumen, die vor dem Altar Platz fanden, war der Geistliche sehr angetan.
Die Begrüßung der Wallfahrer oblag Luis-Andreas Hart, Schriftführer des in Waldsassen ansässigen Fördervereins Maria Loreto e.V., der auch der Wallfahrt und dem Gotteshaus in Maria Kulm stark verbunden ist. Anton Hart, der im Jahr 2004 verstorbene Vater von Luis-Andreas Hart, hat weitgehend aus eigenen Mitteln die Restaurierung der Maria Loreto-Kirche nahe Eger bestritten. Luis-Andreas Hart wandte sich an den Sprecher der sudetendeutschen Volksgruppe Bernd Posselt. „Mit diesem ersten grenzüberschreitenden und damit revolutionären 72. Sudetendeutschen Tag in Deutschland und Tschechien hast Du eine mutige Entscheidung getroffen, die den Zeitgeist widerspiegelt.“ Hart erinnerte an die wegweisende Rede des früheren tschechischen Kulturministers Daniel Herman beim Sudetendeutschen Tag 2016 in Nürnberg und dankte SL-Landesobmann Steffen Hörtler und Pressesprecherin Hildegard Schuster für die tadellose Organisation. Auch an Pater Kučera richtete er Dankesworte: „Die heutige Friedens- und Versöhnungswallfahrt braucht Menschen wie Sie! Sie verkörpern als Propst von Maria Kulm und Kreuzherr der Ritter vom roten Stern, der lange Zeit in Wien gewirkt hat, mit Ihrem österreichisch-böhmischen Hintergrund genau diesen spirituell grenzüberschreitenden Dialog, auf den die heutige Friedens- und Versöhnungswallfahrt baut!“ Harts Gruß und Dank galt auch Präses Olbrich und Pater Leitgöb sowie den Fahnenabordnungen und der Gartenberger Bunkermusik unter der Leitung von Roland Hammerschmid, die auch den Gottesdienst musikalisch umrahmte. Sozusagen ein grenzüberschreitender Dialog zeige sich auch bei den sakralen Bauwerken dieser Region – festgemacht an der Baumeisterfamilie Dientzenhofer, die für die Gotteshäuser in Maria Kulm, Waldsassen, Kappel und Maria Magdalena (Karlsbad) verantwortlich war. „Ein wahrer Dreiklang bayerisch-böhmischer, deutsch-tschechischer sakraler Baukunst“, so Hart. Natürlich verwies er auf die Legende der „Madonna aus dem Haselnussstrauch“, woraus die Gnadenkapelle entstand, und auf das in Renovierung befindliche Altarbild mit dem Motiv „Aufnahme Mariens in den Himmel“. Daraus leitete Hart weitere Gedanken ab. „Marias Strahlkraft reicht bis in die europäische Flagge: die zwölf europäischen Sterne sind die der Mutter Gottes von Straßburg, die Zahl Zwölf ist Sinnbild für die Harmonie Europas, getragen von der christlich-paneuropäischen Idee unseres Sudetendeutschen Landsmanns Richard Graf Coudenhove-Kalgeri aus Ronsperg in Böhmen“. Auch Otto von Habsburg durfte bei Harts Würdigungen nicht fehlen, der im Jahr 2004 auch Maria Loreto besucht hat. Zurückkommend auf Maria Kulm meinte Hart schließlich: „Mit ihrer besonderen regionalen Verankerung im Herzen Europas hier im Bäderdreieck Karlsbad-Marienbad-Franzensbad – seit kurzem Unesco-Weltkulturerbe – und in der deutschen Grenzregion ist Maria Kulms besonderes Potential zum grenzüberschreitenden völkerversöhnenden Dialog verankert. So sind Maria Kulm und die Wallfahrtskirche Maria Loreto seit jeher in engem sudetendeutschen Dialog miteinander verbunden“. Abschließend erinnerte Hart an seinen Vater und an Josef Döllner, den erst vor wenigen Wochen verstorbenen Initiator und Ehrenvorsitzenden des Fördervereins.  „Ihre gemeinsame Vision war es, Maria Loreto und Maria Kulm wieder in würdevollem Glanz erstrahlen zu lassen. Dieses Vermächtnis wollen wir zukünftig weiter ausbauen und die Aktivitäten der Wallfahrtskirchen noch stärker zusammenführen“. Mit Blick auf den Krieg in der Ukraine schloss Hart seine Begrüßung in der Hoffnung, dass die Botschaft dieser Friedens- und Versöhnungswallfahrt nach Maria Kulm unter dem Motto „Dialog überwindet Grenzen“ in die Welt hinausgetragen werde, überall der Frieden erhalten und neuer Frieden gestiftet werde.
Mit einem herzlichen Dank an die Familie Hart begann auch Propst Kučera seine Predigt. Sie leiste viel für die Region und habe Kultur zurückgebracht, meinte der Seelsorger. Ein paar Eindrücke seines jüngsten Aufenthaltes in Weiden schilderte er ebenfalls. Auch wenn er von der Geschichte und Kultur der Stadt sehr beeindruckt war, habe ihn ein anderer Aspekt bedrückt: der Geist des Konsums – ob in Form von unzähligen Gaststätten und Imbissbuden oder der vielen Kleidergeschäfte mit zum Teil nur minderer Qualität der Waren. Deutlich war seine Kritik an dem „Geist, der fast nur Einkauf, Verkauf, Geld und Haben im Sinn hat“, zu hören. In diesem Zusammenhang sprach er auch den hohen Wert, der den Äußerlichkeiten zugemessen wird, an. Vor allem die jungen Leute wollen, so der Priester, gut aussehen, schön für den Freund oder die Freundin sein. Bisher traditionelle Werte und Aspekte wie Frömmigkeit oder der Respekt vor Gott würden verloren gehen. „Es gibt Wichtigeres als Essen, Kleidung, Vermögen. Das geht alles schnell vorbei“, stellte er angesichts des Todes auch von Menschen, die mächtig und angesehen waren, fest. Im Kontrast dazu interpretierte er das Leben und Wirken Jesu: nicht die Beschäftigung mit vielen Sachen sei wichtig, sondern die Sorge für die Seele. An die Gottesdienstteilnehmer gewandt sagte der Propst: „Sie haben eine Seele. Und in dieser Seele weht Gott.“ Bei der Messfeier am Pfingstsonntag im benachbarten Königsberg habe er – quasi als Geschenk des Heiligen Geistes – deutlich gespürt: „Gott will sagen: ‚Hab keine Angst, ich bin mit dir! Hab keine Angst vor der Welt!‘ Gottes Stimme hört man im Herzen, man muss und kann ohne Angst leben“.
Kurz ging er auf die kirchliche Situation in Maria Kulm ein. Vor dem Zweiten Weltkrieg lebten hier 3000 Einwohner, heute sind es noch 300. Seit zehn Jahren ist er, der Anfang Juli 75 Jahre alt wird, hier der einzige Priester. Ein Nachfolger ist ungewiss. Im Ort gibt es wenig bis keine Infrastruktur (Geschäfte, Kultur usw.), die Menschen fahren am Morgen zur Arbeit und kommen am Abend zurück. Ihn bedrückt die Sorge um die Kirche hier. Umso größer war die Freude über die Wallfahrt und die vielen Gläubigen. „Heute wirkt die Kraft vieler Leute. Man muss Gott spüren, eine Frömmigkeit leben, die von Herzen kommt. Diese bringt Freude, Gott gibt uns damit wieder seine Freude zurück. Jeder gut gelebte Tag kann etwas bringen, ja jede Stunde. Daher gilt es, das Leben in die Hand zu nehmen“ appellierte er am Ende seiner Ansprache an die Gottesdienstbesucher und verband dies mit der Hoffnung, dass die Friedens- und Versöhnungswallfahrt und der Festgottesdienst weit ausstrahlen mögen.
Die Fürbitten trug Gudrun Heißig in deutscher und tschechischer Sprache vor, die musikalische Umrahmung oblag der Gartenberger Bunkermusik unter der Leitung von Roland Hammerschmied.
Diese Blaskapelle spielte nach dem Gottesdienst auf der nahegelegenen Wiese zünftig auf. Bei gegrillten Spezialitäten, tschechischem Bier (und auch alkoholfreien Getränken) war dann auch Zeit zum Ratschen, Gedankenaustausch und Knüpfen von Kontakten, was ja in den vergangenen zwei Jahren nur bedingt möglich war.

Markus Bauer

Buchvorstellung „75 Jahre Seelsorge für die Deutschen aus der Tschechoslowakei“

Das im vergangenen Jahr erschienene Buch „75 Jahre Seelsorge für die Deutschen aus der Tschechoslowakei“ stellte bei der Veranstaltung der Ackermann-Gemeinde beim Sudetendeutschen Tag der Autor Prof. Dr. Rainer Bendel kurz bzw. in Ansätzen vor. Auch der Sprecher der Sudetendeutschen Volksgruppe Bernd Posselt war unter den Zuhörern.
Der Präses der sudetendeutschen Katholiken und Geistliche Beirat der Ackermann-Gemeinde Monsignore Dieter Olbrich stellte in seiner Begrüßung den Autor und dessen wissenschaftliches Schaffen kurz vor und verwies auf weitere Publikationen zu dieser Thematik.
Die Initiative zu dem Buch sei, so Bendel, noch vom Visitator für die Sudeten- und Karpatendeutschen ausgegangen, doch diese Struktur gebe es bereits seit 2016 nicht mehr. Trotz der großen Bedeutung der Ackermann-Gemeinde über diese siebeneinhalb Jahrzehnte sei das Buch keine Chronik dieses Verbandes, sondern greife unterschiedliche Aspekte auf.
So die Ausgangssituation bei der Ankunft der Heimatvertriebenen und Flüchtlinge in ihrer neuen Heimat 1945/46, wo Bendel auch Parallelen zu heute sieht: zum Teil eine „Kalte bzw. Eisige Heimat“, aber auch eine positive Willkommenskultur (Seelsorger, die zu einem „Empfang mit offenen Armen“ aufrufen). Der Autor beschreibt im Buch die mühsamen Anfänge mit vielen Sorgen in den ersten Jahren, die Korrespondenz mit Orts- und Vertriebenengeistlichen sowie kirchlichen Amtsträgern (Bischöfe), die Nöte, das Leid, aber auch die kleinen Freuden im Alltag sowie Wünsche um karitative Maßnahmen. Einen Blick wirft Bendel auch in Diasporagemeinden, wo sich die Situation oftmals anders darstellt, mitunter sich aufgrund der gewohnten und gelebten unterschiedlichen Religiosität zuspitzt. Aufgezeigt werden Initiativen zur Behebung der Konflikte und Verschiedenheiten. Bendel nannte in diesem Kontext die letzte Predigt von Bischof Maximilian Kaller am 29. Juni 1947, in der dieser die Situation der Vertriebenen reflektierte und diese als Zeugen für die Botschaft des Evangeliums in der unmittelbaren Umgebung würdigte. Die Integration der Vertriebenen in die Gemeinden trage somit auch zur Erneuerung der Gemeinden bei – über die Liturgie, die Sakramente und die Katechese hinaus. „Nicht nur Wallfahrten, Sondergottesdienste oder der Pontifikal-Gottesdienst beim Sudetendeutschen Tag waren wichtig, sondern alle Fragen des Neben- und Miteinanders. Nicht nur die Kirche im Kirchenraum, sondern karitative Aspekte, das Wirken in Politik und Gesellschaft gewann an Bedeutung“, charakterisierte Bendel die Elemente in jenen Jahren.
Einen lebendigen Katholizismus hatten die Sudetendeutschen ja in ihrer Heimat praktiziert, und sie hatten auch namhafte Priester (z.B. Augustinerpater Paulus Sladek) und Laien (z.B. Hans Schütz), die in der Staffelstein- bzw. Jugendbewegung oder im christlichen Gewerkschaftswesen Erfahrungen gesammelt hatten. In zahlreichen Aspekten schlugen sich diese sozial-ethisch begründeten Inhalte nieder: in der Sozialgesetzgebung oder in der Eigentumsfrage. „Diese Erfahrungen brachen auch das klassische Verständnis von Seelsorge auf“, fasste Bendel diesen Themenbereich zusammen.
In den 1950er und 1960er Jahren habe es, so der Buchautor,  zwei Extrempositionen zur Vertriebenenseelsorge gegeben: die Forderung nach einer Sonderseelsorge auf der einen und das klassische Prinzip der Integration in die Pfarrgemeinde auf der anderen Seite. Bendel verwies auf bereits 1945 existente Gedanken über eine „Sonderseelsorge für die Umquartierten“, verbunden mit speziellen Stellen und Strukturen. Auch das religiöse Sondergut der Vertriebenen (Lieder, Bräuche usw.) sollte dabei Berücksichtigung finden. In Predigten trat immer stärker der Verzicht auf Hass und Rache bzw. auf gewaltsame Wiedergutmachung in den Fokus (z.B. Paulus Sladek OSA: Gebet für die Heimatlosen, 1946 in Altötting), was man durchaus als Vorstufe der Charta der Heimatvertriebenen von 1950 sehen kann. In jenen zwei Jahrzehnten erfolgte auch eine theologische Reflexion, bei der Ausbildung der einheimischen Priester wurde das Seelsorge-Verständnis erweitert, soziale Fragen gewannen in der Seelsorge an Bedeutung. Bendel sprach für diese Phase von einem „Bewusstseinswandel im Katholizismus“, wobei auch die Vielfalt der gelebten katholischen Frömmigkeit erkannt wurde und die Toleranz gegenüber anderen Formen zunahm. „Es war klug, neben der ordentlichen Seelsorge auch eine Sonderseelsorge für die verschiedenen Vertriebenengruppen anzubieten“, fasste Bendel zusammen.
Ein weiterer zentraler Aspekt war die Gründung von Laienorganisationen, seien es Eigeninitiativen im Bereich der Pflege und Weiterentwicklung der Kultur und Religiosität oder der Ackermann-Gemeinde quasi auch als lebenslange Volkshochschule und Vorhof für die Politik – insbesondere der Sozialpolitik und der Sozialgesetzgebung.
Weitere Kapitel des Buches widmen sich den Amtsträgern, Strukturen (Visitatoren und Vertriebenenbischof), den Publikationsorganen, den zentralen Einrichtungen (kirchliche Hilfsstelle Süd bzw. Ackermann-Gemeinde, Einrichtungen in Königstein/Taunus). Von Bedeutung ist natürlich auch der Aspekt der Vertriebenenseelsorge, mit den Menschen in den Vertreibungsgebieten – verbliebene Deutsche und Tschechen – in Kontakt zu bleiben bzw. zu treten (Dialog, Information, Beschäftigung mit dem Kommunismus). Daraus resultiert(e) schließlich ja – zum Teil bereits seit 1946 – das Bemühen um Verständigung und Versöhnung. „Das Thema ‚Versöhnung‘ ist ein wichtiges und zentrales. Die Seelsorge an den Sudetendeutschen ist ein wichtiger Motor in diesem Kontext. Hier wurden Drähte gepflegt, auch wenn es schwierig war und man bei vielen Vertriebenen nicht das größte Verständnis dafür gefunden hat. Trotzdem wurde an dieser Position festgehalten. Es war keine billige, sondern eine ehrliche und schwierige Versöhnung“, schloss Bendel seine Ausführungen.

Markus Bauer

Bendel, Rainer
„75 Jahre Seelsorge für die Deutschen aus der Tschechoslowakei“
Aschendorff Verlag
ISBN-13: 978-3-402-24812-6
Gebunden, 346 S., € 24,80

Jahrestagung und Mitgliederversammlung des Sudetendeutschen Priesterwerks

Im Schloss Fürstenried in München fand Ende März die Jahrestagung und Mitgliederversammlung des Sudetendeutschen Priesterwerks statt. Bei der Mitgliederversammlung konnte Vorsitzender Holger Kruschina von den Veranstaltungen im vergangenen Jahr berichten. Diese waren die Urlaubswoche für Tschechische Priester in Regenstauf, der Sudetendeutsche Schwesternkongress in Passau, das Deutsch-Tschechische Priestertreffen in Cham und die Exerzitien für Priester und Diakone in Freising. Diese Veranstaltungen stehen auch in diesem Jahr wieder auf dem Programm. Nur der Sudetendeutsche Schwesternkongress findet wegen der stark zurückgegangenen Zahl der Teilnehmerinnen nicht mehr statt. Zweimal traf sich seit der letzten Mitgliederversammlung der Vorstand, um vor allem diese Veranstaltungen vorzubereiten und nachzubesprechen. Zu den Außenvertretungen des Priesterwerks gehörte die Mitwirkung beim Sudetendeutschen Tag, sowie die Teilnahme von Beisitzer Mathias Kotonski an den Koordinierungstreffen der Sudetendeutschen Seelsorge. Zudem wurde Holger Kruschina in die Bundesversammlung der Sudetendeutschen Landsmannschaft gewählt.
Geschäftsführer Harald Jäger berichtete, dass momentan 78 Mitglieder dem SPW angehören, acht sind 2021 verstorben. Nach Rückgängen in den vergangenen Jahren ist das Spendenaufkommen stabil. Ein Wirtschaftsprüfer bescheinigte die ordentliche Buchführung, so dass die Versammlung dem Vorstand die Entlastung erteilen konnte. Wichtigster Punkt der Tagesordnung war den Wahl des Vorstandes. Holger Kruschina wurde als Vorsitzender wiedergewählt. Für den vor zwei Jahren verstorbenen stv. Vorsitzenden Markus Goller wurde Stanislav Drobny gewählt. Damit ist erstmals ein tschechischer Priester stv. Vorsitzender des SPW. Von den bisheriger Beisitzern stellten sich Alois Schmidt und Jiri Marek Kotrba nicht mehr zur Wahl. Nur Mathias Kotonski wurde als Beisitzer wiedergewählt. Neu als Beisitzer wurden Dietgard Nemmert, Markus Ruhs und Miroslav Martis gewählt. Zudem gehört Ehrenvorsitzender Karl Wuchterl dem Vorstand an.
Referenten bei der Jahrestagung waren Kaplan Markus Ruhs und Weihbischof Václav Malý (siehe eigene Artikel)

Katholische Studentengemeinden in der DDR

Vortrag von Kaplan Markus Ruhs bei der Jahrestagung des Sudetendeutschen Priesterwerks im Schloss Fürstenried in München

Die Grundsituation
Die Grundsituation für die Studentenseelsorge in der DDR war die starke Ideologisierung der Hochschulen durch die SED. Die Jugendweihe war Voraussetzung für den Zulassung zu einem Studium. Es gab zwar auch die Möglichkeit des Umwegs über Abendschulen, was jedoch sehr schwierig war. Auch die Mitgliedschaft in der FDJ war quasi eine Zugangsvoraussetzung. Die FDJ war an den Hochschulen überaus aktiv, es gab massive Anwerbungsversuche durch die SED. Zu den verpflichtenden Ernteeinsätzen in den Semesterferien gehörte eine starke ideologische Beeinflussung. Viele Katholiken suchten Zuflucht bei den Blockparteien, vor allem bei der Ost-CDU. Aber teilweise wurden vom Regime Mitgliederstopps verhängt.
Am allerschwierigsten war jedoch das verpflichtende Grundstudium in Marxismus-Leninismus - selbst im Fach evangelische Theologie - und die Tatsache, dass die allermeisten Professoren dem SED –Regime treu ergeben waren.
Um bürgerliche Relikte an den Unis zu beseitigen, wurden neue Institute und Hochschulen gegründet.

Studentengemeinden in der SBZ/DDR
Die Studentengemeinden nach 1945 bauten auf der Studentenseelsorge der Zwischenkriegszeit auf, der Unterschied war jedoch, dass nach 1945 der Gemeindegedanke in den Vordergrund trat.
Sehr prägend waren langjährige Studentenpfarrer, beispielsweise Dr. Ludwig Baum in Dresden und Adolf Brockhoff in Halle. Die Studentenpfarrer bestritten fast das gesamte Semesterprogramm mit wöchentlichen Vorträgen. Bei Ludwig Baum ist eine repräsentative Auswahl seiner Vorträge vor einigen Jahren veröffentlicht worden. Die Themen kreisen von der Heiligen Schrift über Themen aus der Kirchengeschichte und Moraltheologie bis hin zu Kunst, Kultur, Literatur und den christlichem Widerstand gegen das NS-Regime. Baum entwickelte einen vierjährig wiederkehrenden Zyklus seiner wichtigsten Vorträge. Ein besonderer Höhepunkt war es jeweils, wenn der Studentenpfarrer über Faust I und II sprach, das wollte kein Student verpassen. Unter seinen „Schülern“ ging der Ausspruch des Studentenpfarrers um: „Einmal im Semester muss man mal so richtig über die Köppe wegreden.“
Der Theologe Peter- Paul Straube bezeichnet die Studentengemeinden in der DDR als den Ort eines Studiums Generale. Dem ideologisierten Studium an den Universitäten und Hochschulen wurde in den Kath. Studentengemeinden (KSG) ein christlich-humanistisches Grundstudium entgegengesetzt. In den Patronatsfesten mit den feierlichen Komersabenden lebten die Traditionen der verbotenen katholischen Studentenverbindungen fort. Ebenso waren in der KSG Bücher damals begehrter Autoren vorhanden. Zum Beispiel Franz Werfel, Reinhold Schneider, Josef Pieper, Karl Rahner, Joseph Ratzinger, etc. aber auch Heinrich Böll und Hans Küng.

Im Visier der Stasi
In der von der staatseigenen Volkswirtschaft geprägten DDR hatte die Stasi den Spitznamen „VEB Horch und Guck“. Bekanntermaßen war die Stasi an Informationen aller Art über die von ihnen geliebten Mitmenschen interessiert. Auf der sogenannten katholischen Linie waren es oft bestimmte Stichwörter, die das Ministerium für Staatssicherheit (MfS) hellhörig werden ließen. Auch die gesamtdeutschen Verbindungen lösten das Interesse des Mfs aus. Bis 1961 veranstaltete die Katholische Deutsche Studenteneinigung regelmäßig Treffen in West-Berlin, bei denen die DDR-Studentengemeinden zahlreich vertreten waren. Nach dem Mauerbau wurden die Treffen schwieriger und konspirativer. Kleine Gruppen aus den Studentengemeinden fuhren nach Ost-Berlin, die Westdeutschen Partner reisten mit einem Tagesvisum ein und man traf sich in grenznahen kirchlichen Häusern. Sehr beliebt waren auch gemeinsame Urlaube mit den westdeutschen Partnern in Ungarn, wo es dank dem Gulasch-Kommunismus relativ freizügig zuging, die DDR-Bürger visafrei einreisen konnten und es für die Westmark alles zu kaufen gab. Das Bemühen um Konspiration war jedoch oft vergeblich, die Stasi war zumeist im Bilde. Es gab verschiedene Arten von Informellen Mitarbeitern (IM) die auf die Studentengemeinden angesetzt wurden:
1. Studentenpfarrer konspirierten mit der Stasi, besonders extrem ist das Beispiel des Berliner Studentenpfarrers Berger, der seine Studenten verriet. Andere wurden erpresst.
2.Staatsnahe katholische Professoren, die der Ost-CDU angehörten, horchten die Studentengemeinden aus.
3. Studenten waren IM. Ein besonders trauriger Fall ereignete sich in den 80er Jahren in Zwickau, wo der in die KSG eingeschleuste und auf Weisung des Stasi als Erwachsener getaufte IM seinen besten Freund verriet und ins Gefängnis brachte, er wurde dann durch Rechtsanwalt Vogel freigekauft.
Die Überwachung durch das MfS zerstörte Vertrauen. Jeder konnte ein IM sein. Dies erklärt unter anderem die Beliebtheit von Häuser und Hütten im Gebirge, die als Wochenend-Quartiere für die Studenten ausgebaut wurden.
Im Zuge der innerkirchlichen Reformbewegungen nach dem Konzil, war die Stasi für die Prälaten oft eine willkommene Begründung um allzu großem Reformeifer seitens der Studentenschaft einen Riegel vorzuschieben. Beispiele sind die Studentenwallfahrt in Rosenthal oder auch bestimmte Publikationen des St. Benno Verlages, wo die kirchliche Zensur zur Begründung die staatliche Zensur heranzog. Ein besonders trauriges Beispiel ist der aus der Hallenser KSG hervorgegangene Aktionskreis Halle (AKH). Nachdem der Magdeburger Generalvikar Weihbischof Theodor Hubrich erklärt hatte, der AKH stehe nicht unter dem Schutz der Kirche, konnte die Stasi zuschlagen.
Gott sei Dank war die Stasi oft nicht klug genug, um das von ihr gewonnene Wissen zu verwerten. Als der Erfurter Bischof Hugo Aufderbeck bei der Männerwallfahrt im Eichsfeld über die Heilige Katherina von Siena predigte, fahndete die Stasi am nächsten Tag nach der Freundin des Bischofs, einer gewissen Kathi aus Jena!

Erinnerungen von Weihbischof Václav Malý

Bei der Jahrestagung des Sudetendeutschen Priesterwerks im Schloss Fürstenried in München erzählt Weihbischof Václav Malý von seinem Wirken als Priester und Weihbischof in Gesellschaft und Kirche

Václav Malý wurde 1950 geboren. Er hatte drei Schwester. Seine Eltern bekannten sich zum christlichen Glauben und zur katholischen Kirche. Deswegen war er in seiner Kindheit und Jugendzeit oft ein Außenseiter. Die Eltern kannten viele vom Kommunismus verfolgte Priester, die dennoch die Kraft hatten, den Geist des II. Vaticanums in die Gesellschaft zu tragen. Nach dem Abitur 1969 studierte er im Priesterseminar in Leitmeritz. Er leistete seinen Wehrdienst ab und wurde 1976 in Prag zum Priester geweiht. In Leitmeritz war das einzige Priesterseminar in der Tschechoslowakei. Kontakte zu Studenten anderer Fakultäten waren nicht möglich, da es die im Gegensatz zu Prag in Leitmeritz nicht gab. Die Professoren in Leitmeritz waren sehr aufgeschlossen. Es gab euch neuere theologische Bücher, die oft aus Deutschland in die CSSR geschmuggelt wurden. Nach der Priesterweihe konnte Václav Malý nur zwei Jahre öffentlich als Priester wirken. Da er die Charta 77 unterzeichnete, verlor er dazu die Genehmigung und war im 1979 sieben Monate in Haft. Es war für ihn eine Gewissensfrage, die Charta 77 zu unterzeichnen, der es um die Ehre des Einzelnen, die Würde des Lebens und die Menschenrechte ging. Er konnte nicht Schweigen zu den gesellschaftlichen Verhältnissen im Kommunismus. Nach seiner Haftentlassung arbeitete er als Heizer in einem Hotel und als Klo-Putzer in der Prager U-Bahn. Seine priesterliche Tätigkeit übte er in Wohnungen aus. Dort feierte er Gottesdienste, leitete Bibelgespräche oder bereitete auf Taufe und Ehe vor. Der Vorteil dieser Art von Pastoral war, das es kleine Gemeinschaften waren und man mehr Zeit für den Einzelnen hatte. Das alles wurde von der Staatspolizei beobachtet, Václav Malý wurde insgesamt 250 Verhören unterzogen.
Die von der Charta 77 ausgegangene Initiative wurde von einem engem Freundeskreis von Václav Havel, zu dem auch Václav Malý gehörte fortgesetzt.
1989 wurde er Sprecher des Bürgerforums. Václav Havel sagte zu ihm: „Du bist Pfarrer, du kannst gut sprechen, du machst das!“ So sprach er bei den großen Demonstrationen auf dem Wenzels-Platz in Prag. Die Versuchung war groß, in die Politik zu gehen, aber er entschied sich für die Pastoralarbeit und er wurde Pfarrer, von 1990 bis 1991 in „St. Gabrielin“ Prag-Smíchov, und von 1991 bis 1996 in „St. Antonius“ in Prag-Holešovice. 1996 wurde er Weihbischof in Prag.
Er ist in der Tschechischen Bischofskonferenz Vorsitzender der Kommission „Justitia et Pax“, verantwortlich für die Priesterausbildung und die Seelsorge für die Tschechen im Ausland.
Rückblickend kann er sagen, dass seine Arbeit im Hotel und als Kloputzer in der U-Bahn wichtige Erfahrung für seinen Dienst als Priester waren. Er hat im Umgang mit den Arbeitern gelernt, mit einfachen Menschen zu sprechen. So ist es für die Priester wichtig, die Menschen in ihrer konkreten Situation anzusprechen. Václav Malý hat viele Kontakte außerhalb des kirchlichen Raums, auch zu Atheisten. Die Arbeit für die Charta 77 öffnete ihn für die Ökumene, denn auch evangelische Pastoren gehörten zu den Unterzeichnern.
Er ist dankbar für die Unterstützung und die Solidarität der Ackermann-Gemeinde schon vor 1989 für die Christen in der Tschechoslowakei. Ihm selbst ist die Solidarität mit verfolgten Christen überall auf der Welt wichtig. Deshalb reiste er schon in den Irak, den Iran oder nach China.
In der Zeit des Kommunismus war die Tschechische Kirche großen Schikanen ausgesetzt. Es gab über viele Jahre nur noch Bischöfe in Prag und Olmütz, die anderen Diözesen wurden von Vikaren verwaltet. Der Staat wollte, dass sich die Kirche auf das Kircheninnere beschränkt, vor allem keine Arbeit mit Kindern und Jugendlichen macht. Es gab die einen Priester wie er, die nur im Untergrund wirken konnten und jene, die vom Staat die Erlaubnis zur Ausübung des Priesteramtes hatten. Unter ihnen gab es auch viele gute Priester. Die Theologie war auf einem niedrigen Niveau, viele gute Professoren durften nicht unterrichten. Das Seminar in Leitmeritz stand unter ständiger Beobachtung, auch unter den Studenten gab es Spitzel. Dennoch war die Atmosphäre im Seminar sehr herzlich. Da Václav Malý in Prag aufwuchs hatte er schon als Schüler und Student Kontakt zu gebildeten Menschen.
Nach der Samtenen Revolution und dem Ende des Kommunismus gab es in der Kirche keine Aufarbeitung der Kooperation von Priestern mit dem Staat, was der Kirche gut getan hätte. Viele haben geschwiegen, nur wenige haben sich entschuldigt, keiner bei Václav Malý persönlich. Doch er musste nun auch mit diesen Menschen zusammenarbeiten.
Ein wichtiger Meilenstein auf dem Weg zur Wende war die Wallfahrt der tschechoslowakischen Katholiken nach Velehrad in Mähren 1985, an der auch Kardinalstaatsekretär Cassaroli als Vertreter der Papstes teilnahm. Sie führte zu größerem Selbstbewusstsein der Christen und zu mehr Respekt für die Kirche in der Öffentlichkeit. Für Václav Malý sind es drei Männer, die das Ende der kommunistischen Diktatur herbeiführten: Ronald Reagan, Michael Gorbatschow und Papst Johannes Paul II. In der Tschechoslowakei stehen drei Namen für symbolhaft für die Erneuerung der Gesellschaft: Alexander Dubček, Václav Havel und Kardinal František Tomášek.
Nach der Wende öffnete sich ein breiter Raum für die Kirche. Sie konnte sich frei entfalten und auch in Gefängnisse und Krankenhäuser gehen. Auch die Orden konnten wieder frei leben und arbeiten. Die Strukturen mussten erneuert werden, es wurden neue Diözesen errichtet und neue Bischöfe eingesetzt.
Doch viele Pfarrer haben diesen Raum nicht genutzt und bei vielen Gläubigen ging die Glaubenspraxis nicht über die Pfarrgemeinde und das Kirchliche hinaus. In den Orden fehlte die mittlerer Generation. Auf dem Land ist in manchen Gegenden das Religiöse ganz ausgestorben. Ein Schwerpunkt für die Kirche liegt heute in den Städten. Ein Teil der Kirche wollte einfach wieder in die Zeit vor 1948 zurückkehren, das II. Vaticanum ist in den Seelen mancher Katholiken nicht verankert. Viele Katholiken wollen sich bedienen lassen und nicht aktiv werden. Manche Priester sind sehr klerikal, sie fördern die Charismen in den Gemeinden nicht. Die Zukunft liegt in kleinen Gemeinschaften und geistlichen Zentren und nicht in großartigen Aktivitäten. Es braucht Ermutigung, den Geist des II. Vaticanums in der Kirche zu entfalten, es braucht mehr Synodales im Denken und Mentalität der Priester und der Gläubigen.
Hoffnung macht Václav Malý eine neue theologische Generation, viele studieren auch zeitweise im Ausland. In Tschechien gibt es gegenwärtig drei theologische Fakultäten.
Die unmittelbare Zeit nach der Wende erlebte Václav Malý als sehr spannend, anspruchsvoll und fröhlich. Es gab viele Taufen von Erwachsenen und Konversionen. Er machte gute Erfahrungen mit dem Pfarrgemeinderat, was möglich war, delegierte er an Laien. In der Arbeit mir der Charta 77 hat er Demokratie gelernt. Das wäre auch für die Kirche gut: Dialog, Zuhören, Aufteilen von Verantwortung.
Die Kommission „Justitia et Pax“ der Tschechischen Bischofskonferenz, der Václav Malý vorsteht, veröffentlicht Stellungnahmen zu sozialen Fragen, um einen Diskussionsbeitrag zu leisten. Die Kirche will für die Schwachen und Menschen in sozialen Schwierigkeiten da sein. Aber der Blick geht auch über die Grenzen hinaus, den in vielen Gegenden der Welt und in Europa gibt es Armut und Diktaturen. So ist Václav Malý in jüngster Zeit in den Süd-Sudan, nach Weißrussland und Moldawien gereist und hat dort auch mit Menschenrechtlern gesprochen.
In der Tschechoslowakei gibt es viele Vorbehalte gegen die Kirche. Sie wird als eine Institution gegen den Fortschritt gesehen. Doch nimmt die Zahl der Erwachsenentaufen zu, vor allem unter Studenten. Die Arbeiter werden kaum von der Kirche erreicht. Dennoch will die Kirche für alle da sein. So ist es wichtig, einfach und verständlich zu sprechen und nicht in einer Kirchensprache.
Die Zahl der Priesterberufungen nimmt ab, vor allem in Mähren. In der Erzdiözese Prag gibt es noch 20 Seminaristen. Bewegungen traditioneller Priester sind nicht sehr groß. Vielen Priestern fehlt eine gute Orientierung in politischen Fragen. Sie sind leicht für nationalistisches und antieuropäisches Gedankengut anzusprechen.
Die Jugend sucht nach Erlebnissen. Auch Václav Malý hatte viele gute Erlebnisse im Glauben, aber es ist darüberhinaus notwendig, in Treue den Weg des Glaubens zu gehen. Es gibt Menschen, die auf der Suche sind, die sich aber nicht mit der Kirche identifizieren. Es ist wichtig, mit ihnen zu gehen. Viele wählen auch aus den geistigen und spirituellen Angeboten das aus, was ihnen passt und angenehm ist.
Václav Malý steht im Austausch mit Moslems und Atheisten. Die Basis dafür ist die Verwurzelung im eigenen Glauben. Es gibt wenige Atheisten, die dem Glauben feindselig gegenüberstehen, dafür aber viele Gleichgültige.
Bei den Bischöfen gibt es eine große Skepsis gegenüber der EU und der westlichen Spiritualität, die aber oft aufgrund von Unkenntnis besteht.
Die Kirche ist heute eine Minderheit in der Gesellschaft, vor 1948 war die Christen eine Mehrheit. Die Hoffnung, dass nach der Wende viele in die Kirche zurückkehren hat sich nicht erfüllt. Die Kirche ist ein geistliches Angebot unter vielen. Es ist schwer, die Minderheitensituation anzunehmen.

Symposium „Setkávání - Encounters - Begegnungen“ in Klattau/Klatovy

Inzwischen zum dritten Mal, jedoch wegen Corona mit längerer Unterbrechung, fand am 27. und 28. Mai 2022 im Refektorium des ehemaligen und nun renovierten Jesuitenkollegs im tschechischen Klattau/Klatovy das Symposium „Setkávání – Encounters – Begegnungen“ statt. Schirmherren waren die Bischöfe aus Pilsen und Regensburg Tomáš Holub und Prof. Dr. Rudolf Voderholzer, die beide auch der Veranstaltung beiwohnten.
Über 100 Interessenten aus Tschechien und Deutschland nahmen an der Tagung teil, die sich mit dem Thema „Schutzherrin Bayerns und Böhmens: Marienverehrung durch die Jahrhunderte“ beschäftigte. Organisiert wurde die Tagung von der Ackermann-Gemeinde im Bistum Regensburg und dem Katakomby-Verband Klattau/Klatovy in Kooperation mit dem Akademischen Forum Albertus Magnus und der Stadt Klattau/Klatovy.
Auf den Krieg in der Ukraine nahm der Vorsitzende der Ackermann-Gemeinde im Bistum Regensburg Karl-Ludwig Ritzke in seinem Grußwort Bezug. „Wir in der Ackermann-Gemeinde sind aus den Erfahrungen eines schrecklichen Krieges herausgewachsen. Wir haben gelernt, dass wir aufeinander zugehen müssen, und dass wir das besonders gut als Christen im christlichen Glauben machen können“, erinnerte er an die Gründungszeit und das Wirken des Verbandes. Bischof Voderholzer betonte in seinem Grußwort, dass die Corona-Pause für diese Veranstaltung auch eine Erweiterung mit sich gebracht habe: das Element des Betrachtens und Schauens anhand der Krippen-Ausstellung, „die das Verbindende unserer beiden Völker zeigt“.

Segnung eines Kreuzes aus Glas
Den Saal des Refektoriums ziert ein großes, vorwiegend aus Glas gehaltenes Kreuz, das die Künstlerin Vladimíra Tesařová geschaffen hat. Den zwei Bischöfen oblag die Segnung des Kruzifix. Bischof Holub charakterisierte das Kreuz als „Segen und Zeichen unseres Glaubens und der Hoffnung – auch für die Leute, die sich hier treffen, und für die Entscheidungen, die hier getroffen werden. Nach diesen Gedanken spendete Bischof Voderholzer dem Kreuz den Segen. Die Künstlerin dankte den Vertretern der Stadt „für die Hoffnung und das Vertrauen, das mir gegeben wurde“ und appellierte an die Anwesenden, sich den Mut nicht nehmen zu lassen.
Am zweiten Tag stand das Tagungsthema im Zentrum. Der an der Prager Karls-Universität wirkende Prof. Dr. Jan Royt zeigte anhand zahlreicher Bilder „Kultur und Kultbeziehungen zwischen Böhmen und Bayern im Mittelalter und der Barockzeit“ auf: Natürlich fehlte der die Diözesen Prag bzw. Pilsen und Regensburg verbindende Heilige Wolfgang ebenso wenig wie Kaiser Karl IV. Der Referent verglich Kathedralen in Böhmen und Bayern, wobei auch Baumeister, die in beiden Regionen tätig waren, Erwähnung fanden: Baumeister Dientzenhofer, die Gebrüder Asam etc., Marien- und Kreuzigungsdarstellungen oder der Taufe und Grablegung Jesu. Aber auch Kirchen- und Klosterbauten, marianische Bücher und Gnadenbilder, Monstranzen bis hin zu Nepomukfiguren und Mariensäulen zeigten Parallelen und Ähnlichkeiten bzw. zum Teil gleiche Grundlagen in der (Bau)Kunst und in der Volksfrömmigkeit.
Da im Tagungsort bis 30. September die Ausstellung „Weihnachts- und Passionskrippen aus Böhmen und Ostbayern“ zu besichtigen ist, war diesem Thema ein Vortrag gewidmet. Bischof Voderholzer befasst sich schon lange mit der Krippen-Thematik, so hielt er gerne den Vortrag mit dem Titel „Die Weihnachtskrippe (Betlém) – völkerverbindendes christliches Brauchtum“. Er verdeutlichte, dass Böhmen – konkret das Jesuitenkolleg St. Clemens in Prag - „vermutlich die Wiege der Krippe in Europa“ ist, denn für das Jahr 1562 sind in den Jesuitenkollegien Coimbra in Portugal und in Prag Krippen bezeugt. Und mit der katholischen Reform und der Tätigkeit der Jesuiten habe sich diese Tradition auf ganz Böhmen verbreitet. Akribisch beschrieb der Oberhirte die Hintergründe für die Entstehung der Krippen (und ähnlicher Elemente), die Verschiebung zu den Hauskrippen und auch die Ausstrahlung auf benachbarte Regionen. Aus den elf Krippenregionen Böhmens und Mährens stellte der Bischof je vier Beispiele aus dem sudetendeutschen und aus dem tschechischen Bereich näher vor – und damit auch die unterschiedlichen Gestaltungen, Inhalte und Stile (z.B. orientalische Krippen, „Grulicher Mannln“) und Techniken in der Herstellung (Papierkrippen, Krippen aus Ausschneidebögen, mechanische Krippen). Die weltgrößte mechanische Krippe steht im Museum der Stadt Jindřichův Hradec/Neuhaus. Der Strumpfmachermeister Tomáš Krýza hat diese in 60 Jahren Arbeit gebaut - mit 1398 Menschen- und Tierfiguren, von denen 133 beweglich sind. Mit dem Appell, „den reichen Schatz an Gemeinsamkeiten zwischen unseren Völkern, der sich auf diesem Gebiet der Volkskunst und -frömmigkeit zeigt, in den Blick zu nehmen, zu heben und für die Zukunft der Beziehungen unserer Völker fruchtbar zu machen“, schloss Bischof Voderholzer seinen Vortrag und verwies auf eine neue Krippe in Schüttenhofen/Sušice.
Dem im Symposiumstitel speziell genannten Thema, der Gottesmutter Maria, widmeten sich die Vorträge von Prof. Dr. Klaus Unterburger, der inzwischen an der Ludwig-Maximilian-Universität München lehrt, und des Jesuiten Dr. Miroslav Herold. Die Zeit von Mitte des 16. bis Mitte des 17. Jahrhunderts mit zum Teil mehreren Konfessionswechseln bzw. Veränderungen bei den Landesherren und in Böhmen der Sieg der Katholiken bei der Schlacht am Weißen Berg brachte, so Professor Unterburger, in Bayern wie in Böhmen die Gegenreformation mit sich. Dazu kamen spanische und italienische Einflüsse, woraus neue Formen der Volksfrömmigkeit entstanden. In der Marienverehrung und -darstellung gab es aufgrund des nun deutlicheren emotionalen Bezugs neue Inhalte: Maria Hilf, Mutter vom guten Rat bzw. Maria Trost, Loreto-Kapellen, Maria Schnee, Maria Immaculata. An vielen Beispielen aus Bayern und Böhmen zeigte der Referent die Verbreitung dieser Verehrungsinhalte auf, wozu auch die Mariensäulen und das Patronat Mariens für ein Land bzw. eine Region gehören. „Darin drücken sich nicht nur Aussagen über Maria, sondern auch über die Menschen selbst, über ihre Emotionen aus“, fasste Unterburger zusammen. Die Bedeutung Mariens für die Jesuiten und besonders die Verbreitung der Verehrung und Verteidigung Mariens als Bestandteil der katholischen Reform und der Gegenreformation beleuchtete Herold in seinem Referat. Ebenso ging er auf die Gründung von Mariengefolgschaften und -kongregationen für Männer (später auch für Frauen) ein. Als zentrales Thema der Jesuiten über die Jahrhunderte nannte er den Aspekt „Maria ohne Erbsünde empfangen“, was dann 1854 als Dogma fixiert wurde. Nach dem Vortrag wies Bischof Voderholzer darauf hin, dass im Bistum Regensburg die Marianische Männerkongregation bis heute ein starker Verband sei.
In der ebenfalls renovierten Jesuitenkirche zur Unbefleckten Empfängnis klang mit einem Pontifikalgottesdienst das Symposium aus. Hauptzelebrant war Bischof Holub, die Predigt teilten sich die Bischöfe – in deutscher und tschechischer Sprache. Dem Krieg in Europa habe das Symposium ein Zeichen der Einheit, Verbundenheit und Versöhnung entgegengesetzt. Der Appell der Bischöfe galt den Mächtigen, „die Einfluss haben, wie sich Geschichte entwickelt, und die Macht haben, Frieden zu stiften und die Waffen schweigen zu lassen“. Mit Blick auf das Jesuiten-Motto „omnia ad majorem dei gloriae“ („alles zur größeren Ehre Gottes“) meinten sie: „Nirgendwo ist der Mensch so groß als da, wo er sich zu Gott erhebt und Gott zum Maß seines Wirkens macht“. Oder mit anderen Worten: „Die Anbetung Gottes macht uns nicht klein, sondern groß!“ Mit der Empfehlung, der Gottesmutter als Fürsprecherin die Nöte Europas und der ganzen Welt anzuvertrauen, damit so schnell wie möglich Frieden und Versöhnung geschaffen werden kann, beendeten die Bischöfe ihre Ansprache. Umrahmt wurde der Gottesdienst vom Kolegium pro Duchovní Hudku (Kollegium für Geistliche Musik) unter der Leitung von Vít Aschenbrenner.
Der Deutsch-Tschechische Zukunftsfonds hat die Veranstaltung großzügig unterstützt und gefördert.

Markus Bauer

Königsteiner Kollegkirche

Große Freude herrschte am 31. Mai des letzten Jahres, als Bischof Dr. Georg Bätzing, Limburg, die Königsteiner Kollegkirche mit Gebeten der Öffentlichkeit übergab. Die Kirche, die kurz nach der Vertreibung der Deutschen aus dem Osten Europas aus einer offenen Sport- und Lagerhalle als Notkirche errichtet worden war, war in den vergangenen Jahrzehnten ein Fall einer Generalsanierung geworden und musste für eine längere Zeit geschlossen werden. Die Notkirche hatte im November 1949 Bischof Dr. Wilhelm Kempf, Limburg, geweiht.
Nach dem Zweiten Weltkrieg bedeutete ein Gotteshaus den Vertriebenen viel. In ihm fanden sie wieder ein Stück Heimat und einen Halt in der Fremde. Am Rande von Königstein im Taunus hatte nach dem Zweiten Weltkrieg eine Kasernenanlage mit zwei großen Gebäuden leer gestanden, die 1923 für das französische Militär gebaut worden war.
Der aus seinem Bistum Ermland in Ostpreußen verjagte Bischof Maximilian Kaller nutzte nach dem Zweiten Weltkrieg die Gelegenheit, ostdeutschen Priesteramtskandidaten, die wegen des Krieges ihre Ausbildung unterbrechen mussten, diese zu beenden. Am Anfang standen die Gründungen der Philosophisch-Theologischen Hochschule und das Priesterseminar sowie die St. Albertschule und das Internat für Knaben. Für diese Institutionen war die Notkirche die Hauskirche.
Betritt man das Innere der Kollegkirche und blickt zur Wand hinter dem Hochaltar, sieht man einen überlebensgroßen Christus mit ausgebreiteten Armen in Kreuzesform. Die Kreuzesbalken fehlen, weil es keinen Boden gibt, in dem ein Kreuz hätte eingerammt werden können. Gut sichtbar sind die Dornenkrone, das Lendentuch und die roten Wundmale. Links von Christus kniet ein Engel, der mit einem Kelch das fließende Blut Christ auffängt. Auf der rechten Seite stehen die Worte: „Per ipsum, et cum ipso, et inipso..“ Übersetzt: „Durch ihn und mit ihm und in ihm…“.Mit diesen Worten schließt der Lobpreis in der heiligen Messe. Unter dem linken Arm des Gekreuzigten erblickt man einen dunkelroten Ball, der so ein farbliches Gleichgewicht zum Gesamtbild herstellt. Der Ball spielt auf die Sonnenfinsternis an, die in der Todesstunde Christi am Karfreitag den Himmel verfinsterte. Das Gotteshaus bietet 360 Sitzplätze auf den blutroten Kirchenbänken und über die Seitenkapellen kann der Bedarf erweitert werden.
Das Wandbild hat 1950 Albert Burkart geschaffen, der von 1949 bis 1963 Professor am Frankfurter Städel und in seiner Zeit ein gefragter neoexpressionistischer Künstler war, und über 60 Kirchen in Süddeutschland ausgestattet hat.
Auf der linken Wand der Kirche steht nach der Sanierung auf einem ehemaligen Altarsockel die Schutzmantelmadonna „Mutter der Vertriebenen“. Geschaffen hat die Madonna der schlesische Bildhauer Erich Jaekel aus Glogau. In der Hölle von Stalingrad legte er das Versprechen ab, sollte er das Inferno überleben, wolle er aus Dankbarkeit für eine Kirche eine Madonna schaffen. Nach seiner Rückkehr aus sowjetischer Kriegsgefangenschaft m Jahre 1948 löste er sein Versprechen ein und schuf für die Kapelle des Priesterseminars die „Theologenmadonna“. Sein größtes Werk wurde die aus Lindenholz geschnitzte „Vertriebenenmadonna“. Am Fest Mariä Heimsuchung, am 2. Juli 1952, wurde die Madonna geweiht, die den entwurzelten Menschen in der Nachkriegszeit Trost und Hoffnung spendete. Wallfahrten zur „Mutter der Vertriebenen“ gab es einst zu Mariä Heimsuchung im Juli und zu Mariä Geburt im September. Zur Mutter der Vertriebenen wallfahrten Sudetendeutsche, Schlesier, Ungarndeutsche und Ermländer. Die Schlesier kommen heute noch zur Annabergwallfahrt am letzten Sonntag im August und die Ermländer am ersten Sonntag nach dem Todestag der ersten Vertriebenenbischofs Maximilian Kaller im Juli zusammen.
Die Kollegkirche erhielt auch eine neue Orgel, nachdem die alte wegen starken Schimmelbefalls nicht mehr zu sanieren war. Die jetzige Orgel stammt aus der evangelischen St. Johanneskirche in Bad Nauheim. Nach einer umfangreichen Kernsanierung konnte sie mit Beginn des Jahres 2021 eingebaut werden.
Sanierungen waren auch im Außenbereich erforderlich, und alte noch einfach verglaste Fenster wurden erneuert. Erneuert wurden ebenso der Fußboden und die Mikrophonanlage. Ebenfalls wurde die gesamte Innenbeleuchtung erneuert und den Innenraumverhältnissen angepasst.
Die in den 1950er Jahren angebauten Seitenkapellen wurden renoviert und deren Altäre abgebaut. Die in den Kapellen vorhandenen Kunstgegenstände der Landsmannschaften wurden vorher gesichert und nach Beendigung der Baumaßnahmen an ihren alten Standort zurückgebracht. Die Bleiglasfenster konnten erhalten bleiben. In dem Altar, auf dessen Sockel jetzt die Madonna der Vertriebenen steht, befand sich als Reliquie ein Knochensplitter der Märtyrerin Corona, die mit 16 Jahren in Ägypten des Glaubens wegen hingerichtet wurde. Ihr Name verfolgt uns schon seit Januar 2020.
Nach dem Tod von Bischof Maximilian Kaller (Juli 1947) wurde Prälat Prof. Dr. Adolf Kindermann (Weihbischof von 1966 bis zum Tode 1974) der Leiter der Königsteiner Anstalten. Träger der Institutionen war das „Albertus –Magnus – Kolleg“, das sich 1995 auflöste und somit das Ende des Vaterhauses der Vertriebenen in Königstein bedeutete. Der Lehrbetrieb der Philosophisch-Theologischen Hochschule wurde schon 1977 eingestellt. Die St. Albertschule wurde 1966 in Bischof-Neumann-Schule umbenannt. Bischof Johannes Nepomuk Neumann wurde 1811 in Prachatitz im Böhmerwald geboren, wanderte in die USA ein, war Bischof von Philadephia von 1852 bis 1860und starb 1860. Mehr als 400 Priester erhielten in Königstein ihre Ausbildung.
Da das Vaterhaus der Vertriebenen in Königstein nicht nur ein kirchliches Zentrum der Heimatvertriebenen , sondern auch eine Auseinandersetzung mit dem Kommunismus war, wurde in den 1950er Jahren das „Haus der Begegnung“ gebaut, in dem zahlreiche Kongresse „Kirche in Not“ stattfanden .Es ging später in den Besitz der Stadt Königstein über. Das sog. Oberhaus wurde gleichfalls verkauft und zu stilvollen Wohnungen umgebaut. Im sog. Unterhaus hat die Internationale Zentrale der „Kirche in Not“ (früher Ostpriesterhilfe) ihren Sitz. Trägerverein der hoch anerkannten Bischof-Neumann-Schule ist die St. Hildegard-Schulgesellschaft mbH des Bistums Limburg. So wie vor mehr als 50 Jahren für die Seminaristen die Kollegkirche religiöser Mittelpunkt war, ist die Kirche heute religiöse Heimat für die Bischof- Neumann-Schule.
Auf dem Parkplatz zwischen den beiden Gebäuden wurde am 1. November 2011 das von dem Künstler Christoph Loch geschaffene Denkmal für die drei „Königsteiner Kirchenväter“ eingeweiht: Bischof Maximilian Kaller, Weihbischof Adolf Kindermann und Pater Werenfried van Starrten (JP).

Quelle: Festschrift anlässlich der feierlichen Eröffnung unserer Kollegkirche am 31. Mai 2021

 

Bayerische Rauten und mehr …

Kulturwallfahrt zum Bogenberg bei Straubing und Abtei Seligenthal in Landshut

Die Beziehungen Bayerns zu Böhmen waren im 12. und 13. Jh. geprägt von vielen Gemeinsamkeiten, sowohl in Kirche als auch im Staat. Der hohe Adel hatte Verbindungen zum Böhmischen Königsgeschlecht der Přemysliden und so kam es vielfach zu ehelichen Verbindungen auf beiden Seiten. Nach einer solchen Ehe im Jahr 1184 zwischen dem Grafen Albert III. von Bogen und Ludmilla aus Olmütz, der Nichte des Böhmischen Königs Ottokar I., soll das Rautenwappen bei den Bogener Grafen entstanden sein. Durch Ludmillas zweite Ehe 1204 mit Ludwig dem Kelheimer kamen die Rauten zu den Wittelsbachern und ins Bayerische Wappen, nachdem das Geschlecht der Bogener Grafen ausgestorben war. Ludmilla gründete 1232 die Zisterzienserinnen-Abtei Seligenthal in Landshut, versah sie mit einer Stiftung, um für sie und die Wittelsbacher in der Afra-Kapelle ihre Grablege zu finden.
Seit 1286 ist die Wallfahrt auf den 432 m hohen Bogenberg bezeugt, wo man vermutlich das Gnadenbild anbetete, eine romanische Madonna aus Sandstein, die um 1200 entstanden sein dürfte. Dieses Zeugnis romanischer Volkskunst ist erhalten geblieben. Der Kirchenbau von 1295 war jedoch zu klein geworden. So errichtete man 1463 eine neue Wallfahrtskirche, in der das Gnadenbild „Maria in der Hoffnung“, wieder eine Steinfigur, datiert in das ausgehende 13. Jh., verehrt wird. Bald wurde der Bogenberg zum „Berg der Hl. Maria“ oder zum „Heiligen Berg von Niederbayern“.
Nachdem die Pandemie jeden von uns richtig durchgeschüttelt hatte, unternahmen wir dankbar eine Kulturwallfahrt zu diesen geschichtsträchtigen Orten. Zu Beginn stimmte Msgr. Karl Wuchterl alle Wallfahrer mit dem gemeinsam gesungenen Lied von Paul Gerhard „Lobet den Herrn“ und einem irischen Reisesegen auf die Fahrt zum Bogenberg ein.
In der bekannten Marienwallfahrtskirche zelebrierten BGR Adolf Rossipal und Msgr. Karl Wuchterl eine bewegende Pilgermesse. Unter dem Gnadenbild begrüßte uns BGR Rossipal und wies darauf hin, dass dieser Tag Philippus und Jakobus geweiht sei. Als die Organistin die heimatlichen Kirchenlieder der Schubert Messe anstimmte, ging allen beim Mitsingen das Herz auf. Nach der Lesung aus der Offenbarung des Johannes 12,1-12, die Maria-Anna Bittner las, wurde von Msgr. Karl Wuchterl das Johannes-Evangelium 17, 9-19 vorgetragen. In der Predigt ging BGR Rossipal auf aktuelle Themen wie Pandemie und Krieg ein, spendete aber am Ende Trost, in dem er sagte: Gott hat das letzte Wort und es wird alles gut ausgehen. Christl Rösch betete die Fürbitten und Ulf Broßmann Gedanken zu den beiden Patrozinien, Kreuzauffindung durch die Hl. Helena sowie Maria Himmelfahrt.
Die anschließenden Führungen durch die Kirche und das Kreismuseum Bogenberg erfolgten durch sehr kundige Historiker. Sie brachten u.a. Erkenntnisse wie die Rauten von Ludmilla zu den Wittelsbachern und ins Bayerische Wappen kamen, aber auch darüber, wie die Wallfahrt entstand. Interessant waren auch die Hinweise auf die Pfingstwallfahrt aus Holzkirchen bei Vilshofen, die seit 500 Jahren durchgeführt wird. Die Kerze, ein mit Wachs umwickelter 13 m langer Fichtenstamm, wird dabei stehend von einem Mann den Bogenberg hinaufgetragen.
Danach erwartete uns ein gutes Mittagessen im Gasthaus „Zur schönen Aussicht“, das wir bei herrlichem Wetter im Biergarten mit Blick auf die Donau und den Gäuboden genießen durften.
Die Rückfahrt führte uns nach Landshut in die Zisterzienserinnen-Abtei Seligenthal. Schwester Dorothea erklärte uns sachkundig, dass Ludmilla in der Stiftung bestimmte, dass ihrer täglich mit einem Gebet gedacht werde, was bis heute geschieht. Die Figuren Ludmillas und ihres Wittelsbacher Ehemannes, Ludwig des Kelheimers, die das einstige Hochgrab in der Afra-Kapelle schmückten, sind noch erhalten und auf der Empore aufgestellt. Später wurde Ludmillas Leichnam in die Gruft der Abteikirche überführt. Ihre Gebeine sind heute nicht mehr auffindbar und die Gruft nicht mehr begehbar.
Pünktlich kehrten wir nach München zurück. Aus den Abschiedsgesprächen war zu entnehmen, dass alle Teilnehmer neue Erfahrungen bei der Kulturwallfahrt sammeln konnten. Daran hatten unsere begleitenden Priester, Msgr. Karl Wuchterl (Egerland) und BGR Adolf Rossipal (Kuhländchen), sowie Christl Rösch (Kuhländchen), die nach der Vertreibung auf den Bogenberg kam und die Idee zur Wallfahrt hatte, sowie Maria-Anna Bittner (Kuhländchen) einen wesentlichen Anteil. Ein herzliches „Vergelt’s Gott“ dafür, das auch der Sudetendeutschen Landsmannschaft gilt, ohne deren Zuschuss die Kulturwallfahrt nicht möglich gewesen wäre.

Ulf Broßmann

Deutschsprachige Gottesdienste in Haid/Bor

Am Vortag eines der Landespatrone, des Hl. Johannes Nepomuk, wurde am Sonntag, 15.Mai die diesjährige Saison der deutschsprachigen Gottesdienste im Haider Loreto-Heiligtum eröffnet. Pfr. Georg Hartl aus Waidhaus und Pfr. Klaus Oehrlein von der Ackermann-Gemeinde Würzburg konnten 25 Gläubige begrüßen, die zur Messe gekommen waren, darunter erstmals auch eine Gruppe aus der Haider Partnergemeinde Pleystein. Nach der Messfeier am "Klattauer Altar" im Kreuzgang zogen alle mit dem Gesang der Marienrufe zum Segen ins heilige Haus, wo das alte Haider Loreto-Lied von Vikar Dr. Franz Lang von 1917 zum Abschluss gesungen wurde. Für die sich anschließende Begegnung hatte die Mesner-Familie Moravec wieder wunderbaren Mohn- und anderen Kuchen mit Kaffee vorbereitet, was dankbaren Zuspruch erfuhr.
Die Seelsorge für Haid ändert sich zum 1.Juli 2022: Der seit ca. drei Jahren am Ort wohnende Pensionist P. Martin Duchoslav - ein Priester der Prager Erzdiözese - geht auf eigenen Wunsch zurück in sein Heimatbistum. Dafür wird P. Rudolf Zbožínek, Priester der Brünner Diözese, mit der seelsorgerlichen Betreuung von Haid betraut. Seit etwa einem Jahr lebt er nach seiner Pensionierung im Stift Tepl. Pfr.Oehrlein kennt ihn seit etlichen Jahren - er spricht ebenso wie P.Martin gut deutsch und hat ein großes historisches Wissen.

Klaus Oehrlein

Die weiteren Termine für den deutschen Gottesdienst in diesem Jahr:
Sonntag, 19.6.
Sonntag, 17.7.
Sonntag, 21.8
Sonntag, 16.10.; Zelebrant und Prediger: Bischof em. Dr. Friedhelm Hofmann, Würzburg.
Beginn ist jeweils um 15:00 Uhr
Zum Loreto-Fest vom 09.-11.09. wird die deutsche Messe - mit den Waidhauser Fußpilgern und Pfr. Hartl – am Samstag, 10.9.
um 19.00 Uhr mit Lichterprozession im Loreto stattfinden.

P. Johann Nepomuk Smolik – Zeuge des Glaubens

P. Johann Nepomuk Smolik wurde am 5. September 1878 in einer Familie von Wiener Tschechen geboren. Im Alter von sechzehn Jahren beschloss er, in die Kongregation des Allerheiligsten Erlösers (Redemptoristen) einzutreten, und nach Abschluss des Noviziats und Ablegung der Ordensgelübde wurde er 1897 Mitglied dieser Ordensgemeinschaft. Nach dem Abitur studierte er von 1899 bis 1904 Theologie an einer kirchlichen Hochschule in Mautern in der Steiermark. Am 2. August 1903 wurde er zum Priester geweiht.
Als Ordenspriester arbeitete er dreizehn Jahre lang in verschiedenen Ausbildungs- und Erziehungseinrichtungen der Wiener Redemptoristenprovinz (in Loeben, Katzelsdorf, Linz und Svitavy) unter der Anleitung seiner Ordensoberen. Hier vertiefte er nicht nur seine theologische Ausbildung, sondern widmete sich auch den wissenschaftlichen Studien. Im Jahr 1912 veröffentlichte er in Regensburg eine populärwissenschaftliche Publikation über Röntgenstrahlen.
Anfang 1916 beschloss P. Johann Smolik, die Kongregation des Heiligsten Erlösers zu verlassen und bat den Heiligen Vater um eine Dispens von den Ordensgelübden. Er erhielt die Dispens und wurde als Priester der Erzdiözese Olmütz gemäß den Anweisungen des Erzbischofs von Olmütz in die ordentliche kirchliche Verwaltung eingebunden. Zunächst wurde er am 1. Januar 1917 zum Kaplan in Velké Losiny/Groß Ullersdorf ernannt. Drei Jahre später, am 1. Mai 1920, zum Kaplan in Loučná nad Desnou/Wiesenberg, am 1. September 1921 wurde er provisorischer Kaplan in Jiříkov/Girsig bei Rýmařov/Römerstadt und am 1. November 1924 Pfarrer in Bílčice/ Heidenpiltsch bei Moravský Beroun/Bärn. Nach etwa 9 Jahren wurde er zum Pfarrer in Nové Lublice/Neu Lublitz in der Region Opava/Troppau ernannt, wo er im September 1933 eintraf.
Das landwirtschaftlich geprägte Dorf am nordwestlichen Rand des Niederen Jeseník-Gebirges auf einer Höhe von etwa 550 Metern mit den angrenzenden Siedlungen Nový dvůr/Neuhof und Šratnov und der Pfarrkirche der Heiligen Dreifaltigkeit hatte damals weniger als 500 Einwohner katholischen Glaubens. Im Dorf gab es eine zweiklassige allgemeinbildende Schule, und in der Pfarrei arbeitete die Bruderschaft der Ewigen Anbetung des Allerheiligsten Sakraments. Es scheint, dass in dieser kleinen Pfarrgemeinde das Leben nicht nur des Pfarrers, sondern auch der Gemeindemitglieder dem Rhythmus des natürlichen und kirchlichen Jahres folgte.
Doch als der neue Pfarrer kam, begann der Einfluss von Henleins Pro-Nazi-Bewegung in das Leben der kleinen Gemeinde einzudringen und allmählich stärker und stärker zu werden. Trotz der nicht nur versteckten, sondern auch öffentlich sichtbaren Ablehnung dieser antichristlichen Bewegung durch den örtlichen Pfarrer gab es auch in dieser kleinen Gemeinde Menschen, die unkritisch, ja fanatisch diesem politischen und nationalen Extrem anhingen. Nach der Unterzeichnung des Münchner Abkommens im September 1938 erreichten die Spannungen zwischen diesen Menschen und dem örtlichen geistlichen Verwalter ihren Höhepunkt. Der Pfarrer machte deutlich, dass er mit dem Münchner Diktat nicht einverstanden ist. Bei den Reichstagswahlen im Dezember 1938 verkündete er von der Kanzel aus, dass er gegen den Anschluss des Sudetenlandes an das Reich und damit gegen Adolf Hitler gestimmt habe. Und als er am Sonntag, dem 27. Oktober 1940, dem Christkönigsfest, erklärte: "Jesus Christus ist unser Führer", wurde beschlossen, ihn zu verhaften.
Am 19. März (nach anderen Quellen am 19. oder 29. April) 1941 wurde er verhaftet, mehr als drei Monate lang in Opava/Troppau inhaftiert und dann in das Konzentrationslager Dachau deportiert. Dort wurde er am 7. Juli 1941 im Alter von 63 Jahren zum Häftling Nummer 26.618. Die Vernichtungspraktiken seiner Haft schwächten allmählich seine Gesundheit und seine Kräfte, und P. Johann Smolik starb am 26. August 1942, erschöpft und ausgehungert durch einen mehrtägigen Darmkatarrh. Seine große Stütze in diesen schwierigen Situationen war - nach den überlieferten Zeugnissen - sein Zellengenosse, der Direktor des Erzbischöflichen Knabenseminars in Bruntál/Freudenthal, P. Karl Schrammel. Die sterblichen Überreste wurden im Krematorium des Lagers eingeäschert, offiziell nach Nové Lubliky/Neu Lublitz überführt und dort unter strenger Aufsicht der Gestapo am Dienstag, dem 6. Oktober 1942, in aller Stille in das Priestergrab gelegt.

Jan Larisch

Ein Priesterleben im Mato Grosso

Zu seinem 55. Weihetag hatten wir Günther Lendbradl einen Glückwunsch geschickt. Als Antwort kam der folgende eindrucksvolle Brief

Ich bin 1939 in Falkenau geboren und gleich danach ist unsere Familie nach Karlsbad übersiedelt, von wo ich die ersten Eindrücke meiner Kindheit bewahrt habe. Erst 1989, nach fast 40 Jahren, machte ich mit einem Freund eine Reise, um zu sehen, wo ich geboren wurde und wo ich bis zu meinem achten Lebensjahr mein Leben verbracht habe.
1939 begann der Zweite Weltkrieg. Mein Vater kam erst 1948 aus russischer Kriegsgefangenschaft zurück. Ich war damals acht Jahre alt, und unsere Familie, meine Mutter mit ihren vier Kindern, waren schon vertrieben und in Biskirchen im Kreis Wetzlar angesiedelt. Wir übersiedelten in den fünfziger Jahren nach Kaiserslautern, wo mein Vater, Beamter, eine Anstellung bekam. Dort machte ich mein Abitur am altsprachlichen Gymnasium.
Mit 21 Jahren entschloss ich mich, im Priesterseminar in Mainz Theologie zu studieren. Es war die Zeit der Il. Vatikanischen Konzils. Wir Studenten träumten von einer neuen Kirche, die die Fenster geöffnet hat, um die veränderte Welt zu atmen. Eines Tages kam Besuch ins Seminar. Es war ein deutscher Bischof aus Brasilien, der auch am Konzil teilnahm. Er war ein Franziskaner aus der Fuldaer Provinz und erzählte von seiner Mission im Mato Grosso. Zusammen mit Lothar, einem Mitstudenten, sprachen wir mit Dom Vunibaldo Talleur und fragten ihn, ob er uns gebrauchen könne. Nachdem wir, Lothar und ich, unser Studium beendet hatten, ließen wir uns auf die damals noch „Prälatur”, dann seit 1968 Diözese Rondonöpolis und heute Diözese Rondonöpolis-Guiratinga inkardinieren. Wer mich weihte, war Kardinal Volk. Ein Jahr nach meiner Weihe kam ich dann nach Rondonöpolis in den Bundesstaat Mato Grosso. 1939 übernahm die Fuldaer Provinz der Franziskaner den Mato Grosso als Missionsgebiet. Ich habe also mein Leben hier gelebt, bereue es nicht, und würde alles wieder so tun, wie ich mich entschieden habe.
Mato Grosso war damals in fast menschenleeres riesengroßes Gebiet. Die Leute kamen, mit der Hoffnung, ein Stück Land erwerben zu können. Alles war neu. Keinerlei Infrastruktur. Sie rodeten den Wald, zündeten ihn an und pflanzten in die verbrannte Erde Reis und Bohnen. Es gab damals keinen Strom, keine Maschinen, keine Straßen, keine Wasserleitungen, alles nur schwere Handarbeit. Leider hat sich die Hoffnung auf Land nicht erfüllt.
Heute leben 80% der Bevölkerung in der Stadt. Anstelle der „agricultura familiar“, herrscht heute das „agro-negöcio“. Mit Hilfe der modernsten Maschinen und dem modernsten Stand der Technologie wird heute Soja, Mais, Baumwolle und Rinderzucht betrieben. Alles für den Export. Das Land gehört heute den von mal zu mal reicheren Fazendeiros (Großgrundbesitzern). In den über 50 Jahren, hat sich sehr viel verändert. Mato Grosso ist heute einer der reichsten Bundesstaaten. Aber es hat sich auch verändert. Zum Beispiel die Kirche. Fast die Hälfte der Bevölkerung ist nicht mehr katholisch. Die charismatischen „neo-pentecostalen“ Pfingstkirchen sind am Wachsen. Ich wohne seit 6 Jahren in einem neu besiedelten Außenbezirk am Stadtrand. Es gibt über 50 Pastoren, so nennen sich die Leiter der Pfingstgemeinden, und nur eine katholische Gemeinde, die ich begonnen habe. Unserer Kirche fehlen nach wie vor die Priester und viele junge Priester bringen es nicht fertig, den Getauften (Laien) Verantwortung zu übertragen. Seit 2019 gibt es keinen Katechistenunterricht mehr, keine Kurse zur Ausbildung der Dienste für Laien, keine Einkehrtage. Der Zeitgeist, des Neokapitalismus, hat zur Folge, dass die Menschen dem Glauben gegenüber indifferent werden, säkularisiert. Ich weiß nicht, ob das der richtige Ausdruck ist.
Auch die Pandemie hat ihre Spuren hinterlassen. 2023 ist in Rondonöpolis ein Treffen der Basisgemeinden angesagt. Wir erwarten etwa 2000 bis 2500 Teilnehmer aus ganz Brasilien, aber auch aus Lateinamerika und einigen europäischen Ländern. Das Treffen sollte schon 2022 stattfinden, ist aber wegen der Pandemie auf 2023 verschoben worden. Es wäre noch viel zu erzählen, zum Beispiel unsere Regierung. Es steht nicht gut, Machtkampf, Korruption, Verleumdung und fake-news, wieder Inflation und wachsende Armut. Aber ich will jetzt meinen Antwortbrief beenden.
Persönlich geht es mir gut, gesundheitlich habe ich bisher keine Probleme, bin noch voll im Einsatz. Da unser Bischof am Palmsonntag an Covid gestorben ist, warten wir auf einen neuen und da ich Generalvikar war, bin ich auch weiterhin engagiert im Führungsteam der verwaisten Diözese.

Günther Lendbradl

Bischof František Václav Lobkowicz zum Gedenken

Am 17. Februar 2022 starb der erste Bischof von Ostrava-Opava/Ostrau-Troppau, Mons. František Václav Lobkowicz O. Praem.

Er stammte aus dem Křimicer Zweig der alten tschechischen Lobkowicz-Familie, die ihren Namen von dem Dorf Lobkovice erhielt, das ein Geschenk von König Wenzel IV. an Mikuláš Chudý von Újezd war, der 1417 höchster Schreiber des böhmischen Königreichs wurde. Seine Nachkommen rückten in den königlichen Dienst vor. Die Familie wuchs, teilte sich in Zweige auf, einige kamen zu Wohlstand, andere starben aus.
Der Großvater des Bischofs, Jaroslav Alois Lobkowicz (1877–1953), war einer der Unterzeichner der Erklärung zur Nationalität des tschechischen Adels vom 7. September 1939. Sein zweitgeborener Sohn Jaroslav Claude (1910–1985) heiratete 1940 Gabriela Korff-Schmising-Kerssenbrock (1917–2008), mit der er fünf Kinder hatte: Jaroslav (das gegenwärtige Haupt des Geschlechtes, geb. 1942), František Václav, Filip ZdeněkVojtěch (Prämonster, Abt von Teplá/Tepl, geb. 1954), Maria Polyxena verh. Czerninová (*1941) und Maria Leopoldina, verh. Sternberg (1943–2017).
Der zukünftige Bischof von Ostrava-Opava/Ostrau-Troppau wurde am 5. Januar 1948 als Franz von Assisi Karel Bedřich Klement Jaroslav Alois Leopold Gerhard Telesfor Odilio Jan Bosco Pavel Maria Václav Fürst von Lobkowicz geboren. Zu diesem Zeitpunkt war bereits ein großer Teil des Besitzes der Familie beschlagnahmt worden, der Rest im Jahr 1950. Sein Vater durfte sich seinen Lebensunterhalt als Hausmeister des verstaatlichten Schlosses, dann als Straßenmeister bei der Straßenverwaltung und schließlich als Lagerverwalter bei der Buchgesellschaft in Pilsen verdienen. Dennoch schafften es seine Kinder, das Gymnasium zu absolvieren und das Studium an der Universität abzuschließen. František Václav begann sein Studium an der Philosophischen Fakultät der Karls-Universität in Prag im Jahr 1966.
1967 wechselte er an die römisch-katholische Theologische Fakultät „Cyril und Methodius“ in Prag mit Sitz in Litoměřice/Leitmeritz, die seit 1950 auf der Grundlage eines Regierungsdekrets die einzige theologische Schule für die Vorbereitung katholischer Priester in den böhmischen Ländern war. In der vorübergehenden Entspannung des Jahres 1968 trat er in den Prämonstratenserorden ein und studierte auf Anweisung seiner Oberen 1968–1969 Philosophie an der Universität in Innsbruck. Nach seiner Rückkehr schloss er sein Theologiestudium in Litoměřice/Leitmeritz ab, legte am 10. August 1972 in Teplá/Tepl heimlich die Gelübde ab und wurde am 15. August 1972 vom Prager Apostolischen Administrator František Tomášek in der Kapelle des Erzbischöflichen Palais zum Priester geweiht. In den Jahren 1972–1974 leistete er seinen Grundwehrdienst. Nach seinem Abschluss war er eine Zeit lang ohne staatliche Zulassung, d. h. er konnte nicht in den kirchlichen Dienst eintreten. Nach der Intervention von Josef Veselý, dem Apostolischen Administrator der Apostolischen Verwaltung von Český Těšín/Teschen, wurde ihm von den staatlichen Behörden gestattet, im April 1975 die Stelle eines Kaplans außerhalb seiner Heimatdiözese in der Pfarrei Frýdek/Friedek in Frýdek-Místek/Friedek-Mistek anzutreten. Danach übernahm er als Kaplan die Pfarrei von Jablunko/Jablunkau und Český Těšín/Teschen. Am 1. Juli 1984 wurde er Pfarrer in Ostrava/Ostrau-Mariánské Hory und war dort bis zu seiner Abreise nach Prag im Frühjahr 1990 als Priester tätig. Im März 1990 wurde er von Papst Johannes Paul II. zum Titularbischof von Catabum Castra und gleichzeitig zum Weihbischof von Prag ernannt. Am 7. April 1990 empfing er die Bischofsweihe und wählte als bischöflichen Wahlspruch "Pro vita mundi" (Für das Leben der Welt, Joh 6,51). Seine Konsekratoren waren Franz Kardinal Tomášek und die Bischöfe Jan Lebeda und Antonín Liška. Der neue Weihbischof wurde Dekan des Metropolitankapitels von St. Veit und war bis 1996 in der Prager Erzdiözese tätig.
Im Jahr 1996 beschloss der Heilige Stuhl, die Diözese Ostrava-Opava/Ostrau-Troppau zu errichten, und am 30. Mai 1990 wurde Mons. František Václav Lobkowicz OPraem ihr erster Diözesanbischof . Bei der feierlichen Inthronisation am 31. August 1996 übernahm er die Leitung der Diözese. Es gelang ihm, die notwendigen kirchlichen Strukturen "auf der grünen Wiese" aufzubauen. Er erfüllte seine bischöflichen Aufgaben in vorbildlicher Weise (Teilnahme an den Besuchen des Heiligen Papstes Johannes Paul II. in der Tschechoslowakei, an der XIII. Generalversammlung der Bischofssynode (2013), an der Mitteleuropäischen Wallfahrt nach Maria Zell, zwei "ad limina"-Besuche in den Jahren 2005 und 2014, usw.). Er hat sich den Kindern, der Jugend und der Pfadfinderbewegung gewidmet und war jedes Jahr beim Treffen der Kinder der Diözese Ostrava-Opava/Ostrau -Troppau in Prašivá anwesend, und er hat nie das jährliche Pfadfindertreffen in Ivančena versäumt. Im August 2017 nahm er aktiv am einwöchigen Nationalen Jugendtreffen in Olomouc/Olmütz teil und im Mai 2021 feierte er mit seinem Diözesanklerus das 25-jährige Bestehen der Diözese Ostrava-Oppava/Ostrau-Troppau in der Kathedrale des Göttlichen Erlösers in Ostrava/Ostrau. Zu diesem Zeitpunkt war er bereits schwer krank. Obwohl eine schwierige Krebsbehandlung und eine erfolgreiche Transplantation sein Leben um fast sechs Jahre verlängerten, konnte die Krankheit nicht vollständig geheilt werden. Bischof František Václav starb am 17. Februar 2022 im Städtischen Krankenhaus in Ostrava/Ostrau.
Das Requiem in der Kathedrale des Göttlichen Erlösers in Ostrava/Ostrau wurde am 26. Februar 2022 vom päpstlichen Nuntius Karl Balvo zelebriert, die Beerdigungszeremonie in der St.-Wenzels-Kirche wurde vom Bruder des Verstorbenen, dem Abt von Teplá/Tepl, Filip Lobkowicz OPraem, geleitet. Die sterblichen Überreste des Verstorbenen wurden in ein Grab im Presbyterium dieser Kirche gelegt.
Requiem aeternam dona ei, Domine, et lux perpetua luceat ei (Herr, gib ihm die ewige Ruhe und das ewige Licht leuchte ihm).

P. Jan Larisch, Diözesancaritasdirektor von Ostrava-Oppava/Ostrau-Troppau

Jan Graubner neuer Erzbischof von Prag

Am 2. Juli dieses Jahres wird der derzeitige Erzbischof von Olomouc/Olmütz, Jan Graubner der 37. Erzbischof von Prag. Er wird das Amt von Kardinal Dominik Duka übernehmen.
Jan Graubner stammt aus Strážnice/Straschnitz und wird dieses Jahr am Ende der Sommerferien 74 Jahre alt. Seine Berufung in das höchste Amt der Kirche in Tschechien erfolgte ein Jahr vor seinem "priesterlichen Ruhestand". Erzbischof Graubner sagte Mitte Mai in einer Pressemitteilung, er sei von der Ernennung überrascht worden. Wie man sieht, sind die Wege des Herrn unberechenbar.
Erzbischof Graubner verlässt Olomouc/Olmütz, wo er seit seiner Jugend gearbeitet hat. Von 1968 bis 1973 studierte er an der dortigen theologischen Fakultät und wirkte anschließend an verschiedenen Stellen in der Erzdiözese Olomouc/Olmütz, die damals auch die heutige Diözese Ostrava-Opava/Ostrau-Troppau umfasste. In seinen Predigten und Interviews erinnert er sich an seine Jahre als Kaplan in Valašské Klobouky/Walachisch Klobouk, und an seine Zeit in Vizovice/Wisowitz, wo er Pfarrer war. Nach der Samtenen Revolution im Jahr 1990 wurde er Weihbischof in Olomouc/Olmütz und Generalvikar von Erzbischof František Vaňák. Nach seinem Tod 1992 übernahm er die Erzdiözese Olomouc/Olmütz.
Erzbischof Graubner ist vor allem für seine Betonung der Pfarrseelsorge, der Volksfrömmigkeit und der Nächstenliebe bekannt. In den vergangenen 30 Jahren seines bischöflichen Dienstes war er für den Bau zahlreicher Kirchen und Kapellen sowie für die Renovierung zahlreicher Pfarrkirchen verantwortlich. Bei der Aufzählung dürfen wir die Gründung mehrerer Schulen unterschiedlichen Typs, vom Kindergarten bis zur höheren Berufsschule, nicht auslassen. In den letzten Jahren wurde auch ein Ausbildungszentrum eingerichtet, in dem Fachkräfte für die Arbeit in den erzbischöflichen Wäldern und in der Landwirtschaft ausgebildet werden.
Der neue Erzbischof von Prag steht vor einer Reihe von Herausforderungen. Dazu gehört, neue Wege der Kommunikation mit den Menschen zu finden und zu versuchen, ihnen das Evangelium zu verkünden. Dafür muss er den Priestern, Diakonen und seinen engsten Mitarbeitern viel Energie und Zeit widmen. Darüber hinaus muss der neue Erzbischof den Prozess der Eigentumsrückgabe abschließen und die wirtschaftliche Situation der Erzdiözese Prag stabilisieren. Vielleicht hat der Heilige Vater aus diesem Grund einen erfahrenen Matador auf den Stuhl des Heiligen Vojtěch berufen.
Wünschen wir Vater Erzbischof Jan viel Kraft, Gesundheit und Gottes Segen für seine Amtszeit auf dem Prager Bischofsstuhl!

P. Jan Koblížek