Vorwort des Vorsitzenden

Liebe Mitglieder und Freunde des Sudetendeutschen Priesterwerks,
ich ziehe weiter. Nach zwölf Jahren in Roding wechsle ich noch einmal den Pfarrort. Neben der Alltagsarbeit gilt es jetzt den Umbruch zu planen und zu gestalten. Dazu gehört natürlich auch der Umzug. Mit Bedacht habe ich in den letzten Tagen und Wochen schon Dinge in die Hand genommen: Sollst Du mich weiter begleiten oder ist nun auch die Zeit gekommen, Dich hintan zu lassen? Kartons, die ich schon mitgebracht und gefühlt nie angeschaut habe. Unterlagen, die in den letzten Jahren zusammengekommen sind: Welche von ihnen sollten aufgehoben werden und welche gehören mit der bisherigen Pfarrei „verabschiedet“? Erinnerungsstücke, die einem im ersten Moment wichtig erschienen und die nun, nach einigen Jahren Abstand, ihr biografisches Gewicht verloren haben. Erst recht der ganze Krimskrams, den „man ja mal brauchen könnte“. Wenigstens für Bücher habe ich einen sinnvollen Abnehmer. Die MIZI, der Missionszirkel des Regensburger Priesterseminars verwurstet sie antiquarisch und gibt den Erlös in die Mission.
Ich denke an meinen Vater, Gott hab ihn selig, der gefühlt jeden krummen Nagel aufgehoben hat. Ich hab mir immer gedacht; das kommt vielleicht auch daher, weil er schon einmal alles zurücklassen musste und quasi vor dem Nichts stand. Ich sehe die alte Truhe auf dem Dachboden vor mir, der „Reisekoffer“ meiner Großeltern in den sie das – und nur das – hineintun konnten, was sie bei der Vertreibung mitnehmen durften. Das physische Gepäck war erzwungenermaßen leicht, das seelische wog schwer! Den krummen Rücken meiner Oma könnte zwar ein Orthopäde erklären, aber er kam wohl auch von diesem „Rucksack“.
Und dann – wer könnte das in diesen Tagen vergessen – kommen mir die Menschen in den Sinn, die nur eine Plastiktüte in den Bus mitnehmen konnten, ein Handy in der Hosentasche oder gar nur die Kleidung am Leib: aus der Ukraine, aus Syrien, dem Sudan …
Wir dürfen nicht aufhören daran zu erinnern, welche Verantwortung jeder von uns hat, damit das Lebensgepäck eines jeden Menschen alles enthält, was man braucht und was an „biografischen Schätzen“ wichtig ist, um die Würde und Einmaligkeit jedes Lebens zu achten. Und wir müssen IMMER fragen, wo kann ich anderen die Last des Schicksals leichter machen.
Wer anders als unser HERR kann die Quelle der Orientierung sein? „Nehmt mein Joch auf euch und lernt von mir; denn ich bin gütig und von Herzen demütig; so werdet ihr Ruhe finden für eure Seele. Denn mein Joch drückt nicht, und meine Last ist leicht.“ (Mt 11, 29f)
Das wollen wir der Welt bezeugen.
Ihr
Regionaldekan Holger Kruschina
Vorsitzender des SPW

Gottesdienst beim Sudetendeutschen Tag

Dank für die Leistung in der alten Heimat und hier

Zum Sudetendeutschen Tag gehören seit jeher, zumal zum traditionellen Veranstaltungstermin Pfingsten, natürlich feierliche Gottesdienste. Der römisch-katholischen Eucharistiefeier stand heuer der Erfurter Weihbischof Reinhard Hauke vor, der seit 2009 auch Beauftragter der Deutschen Bischofskonferenz für die Vertriebenen- und Aussiedlerseelsorge ist.
Neben dem Hauptzelebranten begrüßte Monsignore Dieter Olbrich, Präses der sudetendeutschen Katholiken und Geistlicher Beirat der Ackermann-Gemeinde, besonders Monsignore Alexander Hoffmann von der Erzdiözese München/Freising (Domvikar und Abteilungsleiter Muttersprachliche Seelsorge) sowie als Vertreter der Tschechischen Bischofskonferenz Monsignore Adolf Pintíř, der auch Vorsitzender der Sdružení Ackermann-Gemeinde ist und am Schluss des Gottesdienstes ein Grußwort sprach.
Das Motto des Sudetendeutschen Tages „Schicksalsgemeinschaft Europa“ nahm auch Vertriebenenbischof Hanke in seiner Predigt auf. Er beleuchtete zunächst den Begriff „Schicksal“ anhand der Herkunft bzw. von Aussagen dazu im Lexikon für Theologie und Kirche. Das Wort stehe theologisch oft im Kontext „Einwilligung in den Willen Gottes“, in Verbindung mit Europa nannte der Vertriebenenbischof die ökologischen Herausforderungen sowie den Frieden und – im historischen Rückblick – die Charta der Heimatvertriebenen von 1950, die eine Antwort auf das Schicksal der Vertreibung zu geben versucht. Zentrale Aspekte seien hier angesprochen: Recht auf Heimat, gleiches Staatsbürgerrecht, gerechte Verteilung, Integration der Vertriebenen. „Das Schicksal der Vertreibung aus der Heimat ist ein Weltproblem“, stellte Weihbischof Hanke weiter fest und mahnte an, das geistige und religiöse Leid der Vertriebenen in Erinnerung zu rufen. Es geht darum, die Last der Vertreibung zu spüren und dafür zu sorgen, dass diese Erfahrung sich nicht wiederholt. Aber das Schicksal der Vertreibung wiederholt sich.“ Ursachen dafür seien Armut, Hunger, Umweltkrisen, von Menschen gemachtes Unrecht und Kriege – wie aktuell der in der Ukraine. Gerade an Pfingsten ergehe daher die inständige Bitte an den Heiligen Geist, dass er „Veränderungen am Menschen bewirken“ möge, wie es in der Pfingst-Erzählung geschah oder in der Sündenvergebung mittels des Heiligen Geistes. Aktuell zeige sich Europa als eine besondere Schicksalsgemeinschaft – geprägt vor allem durch die Hilfen und Unterstützung der Ukraine in unterschiedlicher Form. „Mit Schicksal ist hier eine große Hoffnung verbunden. Gemeinsam suchen wir nach Wegen, um Not zu lindern und Frieden zu schaffen. Als Glaubende stehen wir vor Gott und bitten um Frieden in Europa, wozu auch die verlorene Heimat gehört“, fasste der Vertriebenenbischof seine Gedanken zum Motto des Sudetendeutschen Tages zusammen. Aber er sprach auch Anerkennung und Lob aus: „Als Vertriebenenbischof ist es mir eine besondere Ehre, Ihnen für die schöpferische Leistung in der alten Heimat und hier zu danken. Aus einem guten Geist konnte Neues entstehen, friedliche Verbindungen der Völker in ganz Europa. Dazu möge Gott auch weiterhin helfen.“
Als Vertreter der Tschechischen Bischofskonferenz sprach Monsignore Adolf Pintíř ein Grußwort. Darin ging er besonders auf die historischen Bezüge der Bistümer Prag und Pilsen zum Bistum Regensburg (Bischof Wolfgang) ein und lobte die gute Nachbarschaft und Zusammenarbeit auch auf kirchlicher Ebene.
Die musikalische Umrahmung des Gottesdienstes oblag der Gartenburger Bunkerblasmusik unter der Leitung von Roland Hammerschmied, der auch als Kantor wirkte, und dem Vokalensemble „Moravia Cantat“, geleitet von Wolfram Hader.

Markus Bauer

Predigt von Weihbischof Hauke beim Gottesdienst zum Sudetendeutschen Tag

„Schicksalsgemeinschaft Europa“ lautet das Thema des heutigen 73. Sudetendeutschen Tages 2023 hier in Regensburg. Diesem Thema muss ich mich stellen, wenn ich an diesem Tag eine Predigt im Pfingstgottesdienst halten soll. Relativ schnell war ich mir bewusst, dass das Wort „Schicksal“ in der Heiligen Schrift nicht vorkommt. Beim Nachforschen in Lexika wurde dieser Verdacht bestätigt. Im Lexikon für Theologie und Kirche Bd.9 fand ich einen Artikel von Jürgen Werbick – Jahrgang 1946 - der viele Jahre in Münster als Fundamentaltheologe lehrte. Dort heißt es:
„Die theologische Überlegung zeigt gegenüber dem Begriff Schicksal eine gewisse Reserve, da er als ‚heidnischer Begriff‘ außergöttliche Schicksals-Mächte assoziiert…
Schlimme Lebensschicksale sind der ‚Ernstfall‘ seelsorglicher Begleitung, der es nicht einfach darum gehen kann, den Betroffenen eine bestimmte religiöse Sinndeutung anzubieten. Vielmehr ist die Fähigkeit zu stützen und zu stärken, authentisch auf das Widerfahrene zu antworten. Die Seelsorgerund Seelsorgerinnen können gegebenenfalls auch gefordert sein, mit den Betroffenen nach der Unterscheidung zu suchen zwischen Zumutungen, die Widerstand und Kampf erfordern, u. der Widerfahrnis jener Herausforderung, die mit dem Einwilligen in den guten Willen Gottes beantwortet werden soll.“
Dieser Kommentar aus dem Lexikon bestätigt mein Denken und Fühlen, denn einerseits möchte ich zustimmen, dass wir in einer Schicksalsgemeinschaft Europa leben, in der wir miteinander in vieler Hinsicht verbunden sind und deshalb uns um das gemeinsame Haus z.B. in ökologischen und wirtschaftlichen Fragen sorgen. Anderseits ist das, was uns zusammenfügt, auch durch menschliche Initiative geleistet worden, d. h. durch Friedensverhandlungen und Bündnisse, die verschiedene Völker freiwillig eingegangen sind, um dadurch zu einer neuen Kraft aufzuwachsen, die Gedanken entgegengesetzt werden kann, die friedensverachtend und menschenverachtend sind. Wir handeln damit nicht aufgrund von widergöttlichen Mächten, die uns zusammenführen, sondern aufgrund eines guten Geistes in uns, den wir Schöpfergeist und Heiligen Geist nennen und der in besonderer Weise am Pfingstfest in den Blick kommt. Ich denke, dass wir alle, die auch heute diesen Gottesdienst mitfeiern, beim Thema „Schicksal“ auch an Fügung denken, die wir der Kraft des Heiligen Geistes verdanken und die sich für mich besonders in der Charta der Vertriebenen gezeigt hat, die am 5. August 1950 in Stuttgart-Bad Cannstatt von 30 Vertretern der deutschen Heimatvertriebenen unterzeichnet und am folgenden Tag vor dem Stuttgarter Schloss und im ganzen Bundesgebiet verkündet worden ist.
Dort heißt es:
„Wir haben unsere Heimat verloren. Heimatlose sind Fremdlinge auf dieser Erde. Gott hat die Menschen in ihre Heimat hineingestellt. Den Menschen mit Zwang von seiner Heimat trennen bedeutet, ihn im Geiste zu töten.
Wir haben dieses Schicksal erlitten und erlebt. Daher fühlen wir uns berufen, zu verlangen, dass das Recht auf Heimat als eines der von Gott geschenkten Grundrechte der Menschheit anerkannt und verwirklicht wird.“
Damals ging es um das gleiche Staatsbürgerrecht der Vertriebenen vor dem Gesetz, die gerechte Verteilung der Lasten des Krieges auf die ganze Bevölkerung, Eingliederung der Berufsgruppen der Vertriebenen und ihre Beteiligung am Wiederaufbau Europas. In der Charta heißt es dazu: „Die Völker müssen erkennen, dass das Schicksal der deutschen Heimatvertriebenen wie aller Flüchtlinge, ein Weltproblem ist, dessen Lösung höchste sittliche Verantwortung und Verpflichtung zu gewaltiger Leistung fordert. Wir rufen Völker und Menschen auf, die guten Willens sind, Hand anzulegen ans Werk, damit aus Schuld, Unglück, Leid, Armut und Elend für uns alle der Weg in eine bessere Zukunft gefunden wir.“
Ich denke, dass es angemessen ist, am heutigen 73. Sudetendeutschen Tag diese geistige und religiöse Leistung der Vertriebenen in Erinnerung zu rufen und zu würdigen, denn in diesem Jahr jährt sich ebenfalls die Proklamation der Charta zum 73. Mal. Wir spüren in diesen Formulierungen die Last der Vertreibung ganz deutlich, aber auch den Willen, aufgrund dieser bitteren Erfahrung dafür zu sorgen, dass diese Erfahrungen sich nicht wiederholen. Bedauerlicherweise müssen wir jedoch auch aufgrund der derzeitigen kriegerischen Situation in Europa feststellen, dass sich das Schicksal der Vertreibung wiederholt, aber auch hier ganz deutlich nicht irgendein anonymer Gott oder eine anonyme Macht am Werk sind, sondern eine konkrete Regierung, die Beschuldigungen ausspricht, die jeglicher Grundlage entbehren. Menschengemachtes Unrecht erleben wir und fühlen uns bisweilen hilflos. Politiker und der Vatikan, der Kardinal Zuppi, den Erzbischof von Bologna beauftragt hat, suchen diplomatische Wege und sorgen für die Rechte der Verteidigung eines Landes, wobei wir immer in Sorge sind, dass der Krieg ausufert und nicht mehr zu Händeln ist. Christliche Initiativen wie auch die Initiative einer in Assisi ansässigen Ritterschaft versuchen, an die Mächtigen in Moskau und Kiew zu appellieren und rufen zu Gebeten um Frieden auf, weil sich auch die Mächtigen der Erde manchmal schon außer Stande sehen, mit ihren Mitteln der Wirtschaft und Diplomatie einen Frieden zu erzwingen.
Am heutigen Pfingstfest können wir nicht anders, als den Heiligen Geist Gottes bitten, Veränderungen in den Herzen der Menschen zu bewirken, die wir mit äußerer Macht nicht bewirken können. Dass der Gottesgeist die Völker zu einer neuen Einheit verbinden kann, hören wir in der Apostelgeschichte. Vertreter aus uns bekannten Völkern werden genannt, die heute in mehr oder weniger großen politischen und wirtschaftlichen Krisen stecken: Iran, Ägypten, Israel, Nordafrika, Türkei, Asien, Rom und Arabien. In Jerusalem werden die Menschen dazu bewegt, die großen Taten Gottes zu preisen und dann in ihren Ländern zu verkünden. In Jerusalem sprechen sie eine gemeinsame Sprache im Lobpreis und dann in ihren Ländern in der Heimatsprache. Immer geht es um das Gleiche: Friede, Gerechtigkeit, Versöhnung und Liebe.
Der Apostel Paulus betont die Unterschiedlichkeit in den Gaben des Heiligen Geistes, aber auch die gemeinsame Quelle. Wenn etwas dem Frieden dient, dann kommt es auch dieser gemeinsamen Quelle der Liebe Gottes, die seit der Erschaffung der Welt kreativ ist und Veränderung bewirkt. Derzeit darf ich Kinder von Katholiken taufen, die aus Frankreich und Lettland zu uns nach Thüringen gezogen sind. Ich freue mich über die Vielfalt, die dann im Gesang und im Gebet zum Ausdruck kommt, die aber auch – ehrlich gesagt - anstrengend ist, denn man kann dann die Taufe nicht in der sonst gewöhnlichen und eingespielten Form feiern. Er bedarf zusätzlicher Absprachen, aber diese halten auch den eigenen Geist in Bewegung. Für Paulus ist es auch wichtig, dass durch den gemeinsamen Glauben die Standesunterschiede keine Bedeutung mehr haben, so dass nunmehr eine Bedrohung der Würde des Menschen ausgeschlossen ist. Wir haben die gleiche Würde in der Taufe erhalten und diese veranlasst uns, mit dem Mitmenschen innerhalb und außerhalb der Kirche in Würde umzugehen.
Dem Evangelisten Johannes war es wichtig uns zu berichten, wie die Sündenvergebung zu uns Menschen kommt, die durch Tod und Auferstehung Jesu bewirkt wurde. Der Heilige Geist ist die Macht, die Sünden wegnimmt und die durch den Dienst der Apostel weitergegeben werden soll. Beichte hören dürfen ist ein besonderes Geschenk, das die Kirche den Priestern und Bischöfen überträgt. Es macht sehr demütig und zugleich froh, denn was ist schöner, als dass einem Menschen, der unter einer Sünde leidet, sagen zu können: „Deine Sünden sind dir vergeben.“ Der Christ findet hier zu einem neuen Anfang, den die Welt nicht geben kann, sondern der eine Geschenk des Auferstandenen an seine Kirche und damit an seine Brüder und Schwestern ist. Ich bin sicher, dass die Menschen, die vor 73 Jahren die Charta der Vertriebenen unterzeichneten, aus einem versöhnten Herzen gesprochen und entschieden haben, denn die liebe Heimat im Blick zu behalten und dennoch in die Zukunft zu schauen, die in neuer Umgebung liegt, die jedoch noch voller Zerstörung und Not war – das ist aus rein menschlicher Kraft fast nicht möglich war. Welche Kräfte waren dazu notwendig? Ich denke, dass auch die Kraft der Versöhnung des Heiligen Geistes gewirkt hat. Hier kann ich nur staunen und danken.
Wenn auch Europa derzeit eine besondere Schicksalsgemeinschaft hat, in der über Waffen und Notwehr gesprochen werden muss und bisweilen auch schon vom Wiederaufbau eines Landes verhandelt wird, das aber derzeit noch unter Zerstörungen leidet, so macht mir diese Situation deutlich, dass mit diesem Wort „Schicksal“ große Hoffnungen verbunden werden. Die Brüder und Schwestern in Europa, die in Not sind, werden uns damit aber zu Freunden in der Schicksalsgemeinschaft. Gemeinsam suchen wir nach Wegen, um die Not zu lindern und Frieden zu schaffen. Die meisten von uns können es nur im Kleinen tun, wenn um Hilfe gebeten wird, wie in der heutigen Pfingstkollekte der Gemeinden RENOVABIS, aber in der Summe ist es dann doch eine große Hilfe. Als Glaubende stehen wir an diesem Pfingstfest vor Gott und bitten um den Frieden in Europa, das uns zur Heimat geworden ist und zu dem auch die verlorene Heimat im Osten Europas gehört. Die Berge und Täler dort sind geblieben und manche Traditionen, die von den Vertriebenen früher dort praktiziert wurden, sind heute hier lebendig, wie wir es besonders am Sudetendeutschen Tag erleben. Als Beauftragter der Deutschen Bischofskonferenz für die Vertriebenen ist es mir ein besonderes Anliegen, Ihnen für die schöpferische Leistung in der alten Heimat und dem neuen Zuhause hier zu danken. Aus der inneren Kraft des Glaubens an einen guten Gott, der uns niemals verlässt, konnte Neues entstehen. Möge das gute Werk, das durch Gottes- und Nächstenliebe geprägt ist, unser ganzes Volk und die Völker Europas einen und zu friedlicher Verbindung führen. Amen.

Rede des tschechischen Bildungsministers Prof. Dr. Mikulaš Bek

Sehr geehrter Herr Ministerpräsident Söder, sehr geehrter Herr Posselt, sehr geehrte Damen und Herren, liebe Landsleute, ich möchte Sie sehr herzlich im Namen der Regierung der Tschechischen Republik begrüßen, und besonders im Namen des Ministerpräsidenten Petr Fiala.
Als Bürger und Politiker habe ich immer geglaubt, dass der Weg aus Prag nach Berlin nicht nur durch Dresden, sondern auch durch München führt und dass der Weg aus Prag nach München durch den Dialog mit den Sudetendeutschen führt. Ich muss zugestehen, ich habe einige Tage überlegt, ob ich meine Rede aus dem Stegreif wage oder mich lieber an ein Papier halten sollte. Aber ich habe mich entschlossen, es ist besser direkt zu sprechen, weil die ministerialen Reden, die von Mitarbeitern vorbereitet werden, ein bisschen matt sind. Und in den deutsch-tschechischen Beziehungen geht es in der ersten Reihe um Aufrichtigkeit, Authentizität und Vertrauen. Ich erlebe heute eine innere Freude, weil es zum ersten Mal ist, dass ein tschechischer Minister hier steht, ohne dazu Mut zu brauchen. Wir haben in den letzten Jahren ein Wunder erlebt. Das, was eine Ausnahme war, was Mut brauchte von meinen Freunden Daniel Herman und Pavel Bělobrádek, ist schon Alltag geworden. Darüber bin ich glücklich. Ich bin heuer 59 Jahre alt geworden. So stehe ich vor Ihnen als Zeuge des Prozesses der Annäherung zwischen Deutschen und Tschechen. Ich wage zu sagen, das Werk der Versöhnung zwischen Deutschen und Tschechen ist im Grunde vollbracht.
Ich werde natürlich später noch zu dem „im Grunde“ zurückkommen, um es ein bisschen zu erweitern. Aber es ist wahr. Ich war eigentlich Zeuge des Prozesses, weil ich in der kommunistischen Tschechoslowakei mit den Hassbildern im damaligen tschechischen Fernsehen, Hassbildern von Sudetendeutschen Tagen aufwuchs. Das Bild wurde meistens noch durch private Erzählungen korrigiert. In meiner Familie Erzählungen über meinen Großvater, den ich nicht erlebt hatte. Er ist ziemlich früh verstorben. Er war ein Landarzt im Böhmerwald, in Watzau/Vacov, gleich an der Sprachgrenze. Seine Geschichten von Beziehungen zwischen Tschechen und Deutschen waren sehr verschieden von dem offiziellen Bild. Ich bin überzeugt, dass die Geschichte der Versöhnung ziemlich lehrreich ist für alle anderen Völker. Es ging um den Mut von Václav Havel am Anfang der 1990er Jahre. Es ging um den Mut von vielen Kollegen auf beiden Seiten, auf der sudetendeutschen wie auch auf der tschechischen Seite. Ich erinnere mich an die Jahre, die ich in Regensburg verbracht hatte am Sudetendeutschen Musikinstitut als Musikwissenschaftler, teilnehmend an Veranstaltungen über das gemeinsame kulturelle Erbe. Das war für mich die erste Erfahrung mit realen Sudetendeutschen. Dann kamen die Initiativen von meinen Freunden aus der christdemokratischen Partei Tschechiens. Dann kamen die ersten offiziellen Schritte und Besuche. Und als Höhepunkt vielleicht kam das letzte Jahr mit dem Krieg gegen die Ukraine. Damals haben wir irgendwie entdeckt, was uns verbindet. Wir haben endlich gelernt, uns selbst durch die Augen des anderen zu sehen. Tschechen durch die Augen der Deutschen und Sudetendeutschen und andersrum. Wir sind reif geworden. Das ist ganz wichtig. Dann kam die tschechische Präsidentschaft in der EU. Ich muss sagen, dass unser Erfolg unmöglich ohne die Unterstützung der deutschen Kollegen gewesen wäre. Die Zusammenarbeit funktionierte sehr gut auf verschiedenen Ebenen zwischen der Tschechischen und Deutschen Bundesregierung, aber auch mit Landesregierungen und Landtagen. Das ist ganz wichtig. Wir haben sehr eng zusammengearbeitet während der tschechischen Präsidentschaft in der schweren Zeit. Danke dafür!
Das Werk der Gnade ist vollbracht. Wir haben die Grundlagen gelegt. Und wir müssen natürlich weiterarbeiten. Unsere gemeinsame Aufgabe ist sehr, sehr ähnlich zu der Aufgabe, die die Deutschen und Franzosen im Westen von Europa haben. Hier in Mitteleuropa sind es wir, Tschechen, Deutsche und Sudetendeutsche, die für die Zukunft Europas arbeiten müssen. Wir müssen einstehen für Menschenrechte, Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und Freiheit. Das ist unsere Aufgabe. Wir müssen gemeinsam in Europa gegen die Aggression im Osten stehen. Das ist ganz wichtig.
Liebe Freunde, wir haben viel Hass, viel Weh und viel Blut hinter uns. Deshalb müssen wir für den Frieden arbeiten. Hier in Regensburg gestatte ich mir am Ende, ein paar lateinische Worte zu nutzen, weil hier 1200 Jahre früher die böhmischen Adligen getauft wurden. Agnus Dei, qui tolis peccata mundi. Miserere nobis. Dona nobis pacem.

Quelle: Sudetendeutsche Landsmannschaft

Entschieden für Verständigung - Junge Tschechen und die eigene Geschichte

Podiumsgespräch von Ackermann-Gemeinde, Adalbert Stifter Verein, Sudetendeutschem Priesterwerk und Tschechischem Zentrum beim Sudetendeutschen Tag

„Entschieden für Verständigung. Junge Tschechen und die eigene Geschichte“ lautete der Titel des Podiumsgesprächs, zu dem vier Institutionen gemeinsam beim Sudetendeutschen einluden: Ackermann-Gemeinde, Kulturreferat für die böhmischen Länder im Adalbert Stifter Verein, Tschechisches Zentrum und Sudetendeutsches Priesterwerk. Kein Wunder also, dass der Veranstaltungsraum bis auf den letzten Platz besetzt war.
Die vier Einrichtungen sowie die am Podiumsgespräch beteiligten Personen stellte Kulturreferent Wolfgang Schwarz in seiner Begrüßung und Einführung kurz vor. Es sei inzwischen „unkompliziert, über schwierige Themen zu sprechen, über die Vergangenheit und Zukunft“, stellte er fest und verwies auf die jüngsten Veranstaltungen in Regensburg und Selb mit dem tschechischen Ministerpräsidenten Petr Fiala bzw. dem tschechischen Staatspräsidenten Petr Pavel. „Auch in der Politik sieht man den Wandel, das hängt auch mit der Gesellschaft zusammen“, stellte Schwarz fest und verwies auf viele Aktivitäten in der Literatur, Wissenschaft sowie bei Vereinigungen. Vertreter von zwei Vereinen, die sich besonders mit der deutsch-tschechischen Geschichte befassen, bestritten das Gespräch: Veronika Kupková von Antikomplex und Petr Kalousek von Meeting Brno. In den Reihen der Gäste hieß Schwarz die tschechische Generalkonsulin Ivana Červenková, den Vorsitzenden des Sudetendeutschen Priesterwerks Regionaldekan Holger Kruschina und die Bundesgeschäftsführerin der Ackermann-Gemeinde Marie Neudörfl willkommen.
Erst seit gut drei Jahren ist Veronika Kupková bei Antikomplex, das heuer bereits auf 25 Jahre Wirken zurückblicken kann. Ein auch grenzüberschreitend vielfach beachtetes und positiv gewürdigtes Projekt war die Ausstellung „Das verschwundene Sudetenland“, wo jeweils einem Bild von ca. 1900/1905 das gleiche Motiv hundert Jahre später gegenübergestellt wird. „Einige Ereignisse brauchen eine lange Zeit, bis sie bekannt werden. Die Bilder haben – vor allem in den ersten Jahren – kritische Diskussionen und große Emotionen ausgelöst“, blickte Kupková zurück. Natürlich auch aus dem Grund, weil es bis dahin kaum Möglichkeiten einer kritischen und unpolitischen Diskussion über diese ersten Nachkriegsereignisse (Vertreibung der Sudetendeutschen, Ansiedlung vor allem Angehöriger aus Minderheiten in diesen Regionen) gab. In jüngster Zeit hat Antikomplex, so die Mitarbeiterin, den Fokus etwas geändert. Man befasst man sich mit den Menschen, die jetzt in den ehemaligen sudetendeutschen Gebieten leben, wirken und arbeiten, d.h. mit Projekten zur Verbesserung der Situation dort. „Das Narrativ ist nun etwas bunter. Das wollen wir zeigen. Natürlich ist nicht alles super. Aber es wird deutlich, dass sich die Dinge entwickeln und auch schon geändert haben. Es geht um Leute, die dem Sudetenland ein neues Gesicht geben wollen“, konkretisierte Kupková. Unter dem Titel „Mitten am Rande“ ist eine erste Dokumentation über die Menschen bzw. Projekte im Nordwesten im letzten Jahr erschienen, der zweite Teil über den Nordosten wird in Kürze veröffentlicht.
Anhand einer kurzen Video-Präsentation stellte Petr Kalousek das Festival „Meeting Brno“ kurz vor. „Manchmal geht es um schwierige Themen. Aber bei einer guten Atmosphäre lassen sie sich gut behandeln“, stellte er einleitend fest und freute sich, dass die heurige Veranstaltung unter der Schirmherrschaft des neuen tschechischen Staatspräsidenten Pavel und dessen slowakischer Amtskollegin Zuzana Čaputová steht. Die dem Festival zugrunde liegende Veranstaltung, der Versöhnungsmarsch, findet natürlich immer noch statt. Im Jahr 2015 jährte sich der Brünner Todesmarsch (Vertreibung der Deutschen aus Brünn) zum 70. Mal. Das war der Grund damals für Gespräche mit der neuen Stadtspitze über ein angemessenes Gedenken. „Wir waren sozusagen zum richtigen Zeitpunkt am richtigen Ort“, erläuterte Kalousek rückblickend. Die neue Rathausspitze unterstützte nicht nur die angedachten Aktivitäten, sondern unterzeichnete zudem eine Erklärung zur Versöhnung und gemeinsamen Zukunft – übrigens eine von wenigen weiteren derartigen Deklarationen neben der deutsch-tschechischen Erklärung, „in denen man sich zu den Nachkriegsereignissen äußert“, vertiefte der Meeting Brno-Mitarbeiter. Doch nicht nur in der politischen Ebene müsse es, so Kalousek, Änderungen in der Haltung geben, sondern allgemein auch auf der lokalen Ebene hinsichtlich tragischer Vorkommnisse vor Ort. „Wir haben die Hoffnung, dass der Sudetendeutsche Tag mal in Tschechien stattfinden kann“, warf Kalousek einen Blick nach vorne.
Von weiteren Projekten, unter anderem einem internationalen Work-Camp (mehrere Stand- bzw. Projektorte) im Erzgebirge mit Jugendlichen aus Deutschland, Tschechien, Griechenland, Italien und Spanien berichtete Veronika Kupková. Auf diese Weise würden die Themen auch in den jeweiligen Ländern bekannt. Speziell die deutsch-tschechische Geschichte könne durch einen „sensitiven Blick“ (Landschaft) und durch Kontakte mit den Menschen vor Ort (Zeitzeugen) entdeckt werden. Besonders die frühere Stadt Preßnitz, aus der nach 1945 die Deutschen vertrieben wurden und die dann Ende der 1960er Jahre dem Bau einer Talsperre weichen musste, womit auch die zuvor neu angesiedelten Menschen ihre Heimat verloren, nannte Kupková als Fallbeispiel. Sie hat sich übrigens intensiv damit beschäftigt.
Diesen Ansatz, die große Geschichte durch menschliche Erlebnisse und Schicksale zu vermitteln, verfolgt auch Meeting Brno. Wobei hier auch die früheren jüdischen Bewohner Brünns mit einbezogen werden. Da hier über Brünnlitz/Brněnec ein historischer Bezug zu Oskar Schindler hergestellt werden kann, ergibt sich ein guter Anknüpfungspunkt für entsprechende Angebote. Grundsätzlich sieht Kalousek auch bei jungen Leuten eher Interesse an der Orts-, Lokal- und Regionalgeschichte als an der „großen“ Geschichte. Auf diesem Weg könnten dann aber auch die größeren Zusammenhänge erläutert werden.
Moderatorin Blanka Navrátová vom Tschechischen Zentrum München interessierte nach diesen inhaltlichen Aspekten der Arbeit der Austausch bzw. die Kooperation mit Vereinen, Verbänden, Behörden usw. Antikomplex habe die Zusammenarbeit mit Vereinen seit der Corona-Pandemie begonnen, vor allem wegen der Synergieeffekte. Bei Meeting Brno ist laut Petr Kalousek die Zusammenarbeit mit anderen Vereinen „nicht sonderlich intensiv“, auch weil Brünn nicht typisches Sudetenland sei. Für das Festival arbeite man aber mit sudetendeutschen Einrichtungen und Verbänden zusammen. Hinsichtlich der Behörden sei zwischen der politischen Ebene und der Verwaltung zu unterscheiden. „Die Unterstützung durch die Politik ist wichtig, die Zusammenarbeit mit den Verwaltungen nicht immer einfach“, brachte es der Meeting Brno-Mann auf den Punkt.
Gefragt nach den Unterschieden bei Geschichtskenntnissen zwischen tschechischen und deutschen Jugendlichen stellte Veronika Kupková fest, dass es eher Unterschiede zwischen West- und Ostdeutschland gebe. Ihrer Meinung nach hängt das auch mit der in der DDR nicht möglichen Gründung von Vertriebenenverbänden zusammen und natürlich dem damaligen Verständnis der ČSSR als Brudervolk, das vor eben diesem Hintergrund keine Vertreibungen durchgeführt hat.
Abschließend wollte die Moderatorin wissen, ob sich das kollektive Gedächtnis in der tschechischen Gesellschaft zum Thema „Vertreibung“ bereits verändert hat. Differenziert antwortete Kalousek: für einen guten Teil der jungen Generation sei das kein Thema mehr. Dann gebe es Menschen, die sich mit dem Thema auskennen und meinen, dass es schlimm war. Und schließlich würden wieder andere Menschen die Meinung vertreten, dass die Zeit zur Auseinandersetzung mit diesem Thema noch nicht gekommen sei. „Auch 80 Jahre nach dem Krieg ist es noch problematisch, das Thema anzusprechen. Weitere Arbeit an dieser Thematik ist nötig. Aber es bessert sich. Ich bin überzeugt, dass wir immer mehr darüber reden können und damit immer stärker ins Bewusstsein kommen – auch durch Gespräche und freundschaftliche Beziehungen“, fasste Kalousek zusammen. Veronika Kupková gab die Frage zurück. „Wie ist das Thema im Gedächtnis der Deutschen geblieben?“ Sie verwies auf Menschen zwischen 60 und 70 Jahren, die dem Thema „Vertreibung“ oft viele Vorurteile entgegenbringen. Auch da habe die Bildungsarbeit viel zu tun.

Markus Bauer

Sanierung und Erhaltung deutscher Friedhöfe und Gräber in Tschechien

Gesprächsforum beim Sudetendeutschen Tag

„Der Zustand der Friedhöfe gibt Aufschluss über den Zustand der Bevölkerung“. Diesen Satz prägte ein tschechischer Teilnehmer der Konferenz „Gräber der Deutschen und anderer Nationalitäten in der Tschechischen Republik“ am 28. April 2023 in Prag. Prof. Dr. Ulf Broßmann, Vorsitzender der Arbeitsgruppe „Friedhöfe“ beim Sudetendeutschen Heimatrat, berichtete über die Konferenz am Sudetendeutschen Tag in Regensburg.
Zu dem heutigen desolaten Zustand der deutschen Friedhöfe kam es, da die Sudetendeutschen 1946 die Toten bei der zwangsweisen Abschiebung aus der Heimat zurücklassen mussten und danach die Gräber nicht pflegen durften.
Die dadurch voranschreitende Zerstörung deutscher Friedhöfe versuchte ab 2001 der damalige Direktor des Regionalmuseums in Chomutov/Komotau, Stanislav Děd, zusammen mit dem Verein Omnium aufzuhalten.
Dies erfolgte durch Fotodokumentationen sowie durch den Hinweis auf den deutsch-tschechischen Staatsvertrag von 1992 mit den Artikeln 24 und 30, in denen sich die Tschechische Regierung verpflichtete, das Problem des deutschen Kulturguts Friedhöfe und Gräber zu lösen. Die Einrichtung einer „Arbeitsgruppe Friedhöfe“ beim Regierungsrat für Nationale Minderheiten in der Tschechischen Republik und 2017 die Verteilung eines Handbuches an tschechische Gemeinden, wie mit verlassenen deutschen Friedhöfen umgegangen werden soll, sensibilisierten dir tschechische Öffentlichkeit und die deutsche Minderheit in Tschechien, die deutschen Gräber künftig pietätvoll zu achten.
Auch beim Ausschuss für Kultur und Volkstumspflege der Sudetendeutschen Landsmannschaft berichtete Stanislav Děd 2016 in München über die Verpflichtung der Tschechischen Republik, die sich aus dem Staatsvertrag von 1992 ergäbe, und schlug erstmals eine internationale Konferenz über die Friedhofsprobleme vor. Damit sollte die Sudetendeutsche Landsmannschaft in die Lösung der Gräberprobleme einbezogen werden. Leider kam es zu einem Rückschlag, denn die Gesprächspartner auf der tschechischen Seite fehlten (Regierung Babiš und Pandemie).
Die genaue Anzahl der deutschen Gräber in der Tschechischen Republik ist nicht bekannt, es müsse sich um mehrere 100.000 auf ca. 6.000 Friedhöfen handeln. Ihr Zustand sei desolat, in Militär- und Grenzgebieten seien die Friedhöfe verschwunden. Deshalb gab das Tschechische Außenministerium 2020 ein Projekt in Auftrag, mit dem Titel: „Problematik der deutschen Gräber in der Tsch. Republik: ein umfassender Ansatz“. Die Durchführung liegt bei der Technologieagentur der Tschechischen Republik (TAČR), die Unteraufträge an verschiedene Organisationen vergab. Die Ziele des Projekts sind:
1. Erarbeitung einer qualifizierten Grundlage für die Umsetzung des bilateralen Vertrages mit Deutschland im Bereich der Pflege deutscher Gräber auf dem Gebiet der Tschechischen Republik und Entwicklung einer digitalen Karte.
2. Erarbeitung eines Vorschlages für ein umfassendes Konzept für die Tschechische Regierung zur Entscheidungsfindung über die Sanierung oder Rekonstruktion von Grabstätten unter Berücksichtigung des jeweiligen kulturhistorischen und außenpolitischen Kontextes.
3. Grundlagen schaffen für die Festlegung der Parameter finanzieller Fördertitel für Gemeinden oder Verbände.
Da es sich abzeichnete, dass das Ergebnis des Projektes erst im September 2023 vorliegen würde, wurde vom tschechischen Außenministerium sowie vom tschechischen Regierungsamt am 28. April 2023 eine Konferenz im Palais Czernin zum Thema „Gräber der Deutschen und anderer Nationalitäten in der Tschechischen Republik“ anberaumt. Sie sollte sich den Fragen widmen, wie der aktuelle Zustand der Gräber und Friedhöfe sei, wie die letzten Ruhestätten der Ahnen weiter vor dem Verfall gerettet werden könnten, wer dafür zuständig und was zu tun sei.
Auf Betreiben von Stanislav Děd und Martin Dzingel, stv. Vorsitzender des Regierungsrates für Nationale Minderheiten und Präsident der Landesversammlung der deutschen Vereine in der Tschechischen Republik, wurden erstmals auch Vertreter der Sudetendeutschen Landsmannschaft eingeladen, die zur Vorbereitung der Konferenz die „Arbeitsgruppe für historische deutsche Gräber und Friedhöfe in der Tschechischen Republik“ beim Sudetendeutschen Heimatrat einrichtete.
Martin Dzingel eröffnete die Konferenz, der tschechische Außenminister Lipavský berief sich auf den deutsch-tschechischen Vertrag von 1992 und bestätigte, dass der tschechische Staat verpflichtet sei, das Problem der deutschen Friedhöfe und Gräber zu lösen. Der deutsche Botschafter in der Tschechischen Republik, Andreas Künne, betonte, dass die Beziehungen zwischen Deutschland und der Tschechischen Republik so gut seien wie nie zuvor und die Lösung des Friedhofproblems für deutsche Gräber angegangen werden muss.
Die Fragen zum aktuellen Zustand der deutschen Gräber und Friedhöfe konnten, vor allem durch die Vorträge von Stanislav Děd und Štěpánka Šichová mit Fotomaterial, gut dokumentiert werden. Děd schlug auch ein Lösungskonzept vor:
1. Es sollen einfache, brauchbare, akzeptable Maßnahmen zum Erhalt der verbliebenen Gräber vorgeschlagen werden.
2. Auf größeren Friedhöfen mit ausreichend Platz sollen deutsche Gräber nicht gestört, aufgelöst oder fremdbelegt werden.
3. Friedhöfe sollen präventiv gepflegt werden. (Reinigung durchführen, Vandalismusschäden beseitigen, überwuchernde Vegetation roden, Grabsteine aufrichten usw.)
4. Nur Grabsteine von nicht mehr vorhandenen Gräbern sollen zu Gedenkstätten zusammengestellt werden. Gezielte Verlegung von Grabsteinen vorhandener Gräber ist nach geltendem Recht und Pietätsgründen nicht möglich.
5. Grabmale historischer Bedeutung sollen als Teil des europäischen Kulturerbes, als nationales Kulturgut oder als Teil der Geschichte der Gemeinde instandgesetzt und erhalten werden.
Děds Vorschläge decken sich weitgehend mit dem Konzept der Arbeitsgruppe „Friedhöfe“ beim Sudetendeutschen Heimatrat.
Bei rechtlichen Fragen sei zu klären, ob die Kommunen die Pflicht hätten, Gräber zu sanieren oder diese Aufgabe vom Staat übertragen bekämen. Dabei müsse man beachten, dass Bauten (wie Gruften, Grabhäuser), die mit dem Boden verbunden seien, als Immobilien behandelt würden. Zuständig wäre dann der Grundstückbesitzer (Kommunen, Betreiber der Begräbnisstätte, Staat). Grabeinrichtungen (wie Grabmale, Umrandungen, Deckplatten) seien Mobilien, die ohne Entwertung beseitigt werden könnten. Exhumierungen seien aus Pietätsgründen nicht erlaubt, jedoch schon, wenn kein anderer Begräbnisplatz für heutige Bewohner vorhanden sei. Die Frage stellt sich dann, wo die exhumierten Gebeine aufgehoben werden sollen.
Als Vorsitzender der AG „Friedhöfe“ beim Heimatrat führte Ulf Broßmann aus, dass die Sanierung des deutschen Kulturgutes Friedhöfe in der Tschechischen Republik das Ziel sei, weshalb die Arbeitsgruppe auch eigene Vorschläge erarbeitet hätte. Weiter bot er eine vertrauensvolle, konstruktive Zusammenarbeit sowie nachhaltige Arbeitskontakte zwischen der tschechischen und der sudetendeutschen Seite an. Broßmann endete damit, dass die Sudetendeutschen eine förderliche Kooperation für eine künftige Instandsetzung der deutschen Friedhöfe bzw. Gräber begrüßen, die ein pietätvolles, historisches Gedächtnis an die Verstorbenen darstellt, aber auch eine Chance bietet für eine gemeinsame, tschechisch-sudetendeutsche Erinnerungskultur.
Weitere Fragen, wie die letzten Ruhestätten der Ahnen vor dem Verfall gerettet werden könnten, wer dafür zuständig und was zu tun sei, konnten nur andiskutiert werden. Konkrete Antworten sowie belastbare Zahlen über die zu erwartenden Kosten, an denen sich der Deutsch-Tschechische Zukunftsfonds beteiligen würde, wird das Projekt liefern, das das tschechische Außenministerium in Auftrag gab.
Die heutige Situation auf Friedhöfen mit deutschen Gräbern ist unumkehrbar. Es geht jetzt darum, dass auf Grund der Ergebnisse des Projektes, bei den derzeit noch vorhandenen deutschen Friedhöfen und Gräbern in der Tschechischen Republik die Zerstörung gestoppt sowie die Sanierung und Erhaltung durchgeführt wird.
So war die Konferenz ein Meilenstein, bei der die Grundlagen für eine Lösung des Problems der deutschen Gräber in der Tschechischen Republik geschaffen wurden, da Mitglieder der Sudetendeutschen Landsmannschaft erstmals an direkten Gesprächen auf höchster Ebene teilnahmen und da alle Konferenzteilnehmer einhellig die Meinung vertraten, dass die deutschen Friedhöfe und Gräber saniert und erhalten werden müssen.
Im weiteren Vorgehen werden die „Arbeitsgruppe Friedhöfe“ beim Regierungsrat für Nationale Minderheiten in der Tschechischen Republik zusammen mit der „Arbeitsgruppe Friedhöfe“ beim Sudetendeutschen Heimatrat gemeinsam ein Lösungskonzept erarbeiten, das auf den Ergebnissen des Projekts des Außenministeriums basiert.
In einer finalen Konferenz in Prag wird, vermutlich Ende 2023, mit Beteiligung der Arbeitsgruppe „Friedhöfe“ beim Heimatrat, ein umfassendes Lösungskonzept für die Tschechische Regierung zur Entscheidungsfindung über die Sanierung, Rekonstruktion und Finanzierung von Grabstätten vorgelegt werden.

Ulf Broßmann und Edmund Schiefer

400 Jahre Böhmische Provinz der Jesuiten

In diesem Jahr ist es 400 Jahre her, dass die Böhmische Provinz der Jesuiten gegründete wurde. Deswegen soll hier die Geschichte der Jesuiten in Böhmen, Mähren und Schlesien dargestellt werden.
Schon im Todesjahr des Ordensstifters, des Hl. Ignatius von Loyola 1556 ließen sich die ersten Jesuiten unter Führung des heiligen Petrus Canisius endgültig in Prag nieder, um ein Kolleg am alten Dominikanerkloster St. Klemens zu errichten. Bereits ein Jahr zuvor hatte Petrus Canisius zu Verhandlungen in der böhmischen Hauptstadt geweilt, nachdem König Ferdinand schon im Jahre 1551 erstmals um die Entsendung von Jesuiten in die böhmischen Länder gebeten hatte. In der Stiftungsurkunde des Klemenskollegs betont der König ausdrücklich, dass er die Jesuiten gerufen habe und sie „zur Erhaltung der spärlichen Überreste der katholischen Religion in Böhmen für notwendig halte“. Relativ bald erfolgten weitere Niederlassungen der Gesellschaft, so im Jahre 1566 in der damaligen mährischen Hauptstadt Olmütz, fünf Jahre später in Brünn, 1585 in Böhmisch-Krummau und 1591 in Komotau und im südböhmischen Neuhaus. Paulus Hoffaeus, der in der deutschen Reformationsgeschichte als einer der erbittertsten Gegner des Laienkelches bekannt ist, war von 1558 bis 1561 Rektor des Prager Kollegs. In Olmütz arbeiteten die Jesuiten am dortigen Kolleg so erfolgreich, dass es Bischof Wilhelm Prusinowsky schon nach vierjähriger Lehrtätigkeit 1570 in den Rang einer Akademie erhob. Kaiser Rudolf II. (1576-1611) machte daraus im Jahre 1581 eine Universität.
Mit der Markgrafschaft Mähren, dem Herzogtum Schlesien und den beiden Lausitzen gehörte Böhmen zunächst zur Österreichischen Provinz des Jesuitenordens, die Petrus Canisius 1551 gegründet hatte. Erst am 23. September 1623, also drei Jahre nach der für die Habsburger siegreichen Schlacht am Weißen Berg, wurde unter dem Provinzialat des Pater Gregor Rumer eine eigene provincia Bohemiae gegründet. Ein Noviatshaus gab es schon seit 1564 in Prag. Es wurde nach Olmütz und 1573 nach Brünn verlegt, wo es genau zwei Jahrhunderte bis zur Aufhebung des Ordens im Jahre 1773 bestand.
Bis zur Errichtung einer eigenen böhmischen Provinz waren außer den bereits erwähnten Kollegien keine weiteren Niederlassungen entstanden, da die protestantischen Stände dagegen opponierten. Erst nach dem Jahre 1623 setzte eine Welle von Neugründungen ein, so allein im Jahre 1624 die Gründung der drei Kollegien in Jitschin, Iglau und Znaim, 1625 in Troppau und auf der Kleinseite in Prag, außerdem in den folgenden Jahren in Kuttenberg (1626), Eger (1627), Leitmeritz (1628), in der Prager Neustadt (1628) und einer Reihe anderer Orte. Neben der Lehrtätigkeit an diesen ordenseigenen Schulen waren die Volksmissionen ein Hauptbereich und Schwerpunkt des Wirkens der böhmischen Jesuiten. Man widmete sich vor allem der Rückführung der Böhmischen Brüder und der noch zahlreichen Kryptoprotestanten (Protestaten im Untergrund), übernahm die Seelsorge an den großen Wallfahrtsorten wie in Kiritein in Mähren, in Altbunzlau oder auf dem Heiligen Berg bei Přibram in Südböhmen. Insbesondere die tschechischsprachigen Jesuitenpatres waren in diesen Volksmissionen tätig, wie überhaupt die Gegenreformation in den böhmischen Ländern einen gewichtigen Beitrag zur Erhaltung und Ausgestaltung der tschechischen Sprache geleistet hat.
Seit der Gründung der böhmischen Ordensprovinz wurden in Rom die Briefe mit der Bitte um Entsendung in die Heidenmission gesammelt. Zunächst aber wurden alle verfügbaren Kräfte in der Heimat gebraucht, um den Hussitismus und Kryptoprotestantismus zu überwinden.
Ein wichtiges Arbeitsgebiet der böhmischen Jesuiten war von Anfang an die Universität. Kaiser Ferdinand II. hatte das Klemens-Kolleg in der Hauptstadt als Universitas Ferdinandea mit der alten Karls-Universität vereinigt, obgleich dagegen Bedenken selbst vom Jesuitengeneral Vitelleschi laut wurden. Tatsächlich brachte diese Vereinigung einige Schwierigkeiten mit sich und führte zum Widerstand des Prager Erzbischofs Kardinal Harrach, der 1627 in Rom erreichte, dass die Congregatio de Propaganda Fide jegliche Promotionen an der Ferdinandea verbot. Deshalb wurden auch die beiden Hochschulen wieder getrennt, allerdings dann 1658 von neuem zur Carolina-Ferdinandea zusammengeschlossen. Während auf der Carolina die Professoren vom Kaiser ernannt wurden, konnte auf der Ferdinandea der jeweilige böhmische Jesuitenprovinzial die Professoren aus den Reihen der Ordensmitglieder bestellen. Bis heute ist in Prag ein Teil der Prager Universität in den weiten Räumen des ehemaligen Klementinums untergebracht.
Das Wachstum der böhmischen Ordensprovinz zeigt sich darin, dass sie ein Jahrhundert nach ihrer Verselbständigung insgesamt 1336 Mitglieder zählte, die zu 41 Niederlassungen gehörten. Davon waren nicht weniger als 28 höhere Lehranstalten und nur dreizehn kleinere Residenzen.
Der erste böhmische Missionar, Wenzel Pantaleon Kirwitzer, wurde nach China ausgesandt, als Böhmen noch zur österreichischen Provinz gehörte. Erst als der Dreißigjährige Krieg vorbei war, folgte der Olmützer Valentin Stansel, der ebenfalls für die Chinamission bestimmt war, dann aber mangels einer Fahrtgelegenheit von Portugal aus statt nach China nach Brasilien geschickt wurde.
Auch als die Bohemia ihren personellen Aufbau abgeschlossen hatte, gab es Schwierigkeiten bei der Aussendung von Missionaren, da sowohl Portugal als auch das habsburgische Spanien die Zulassung von ausländischen Missionskräften eingeschränkt hatten. So gingen relativ viele „böhmische Jesuiten … bis Berlin, Danzig, Schweden, Norwegen, Polen und Russland. In den höheren Erziehungsanstalten der Provinz wurden nicht nur einheimische Jünglinge erzogen und unterrichtet, sondern auch Schweden, Norweger, Russen und Ruthenen. Der Einfluss der Provinz erstreckt sich daher auf ein sehr weites Ländergebiet, und die Geschichte ihrer Anstalten ist zugleich ein guter Teil der Geschichte der katholischen Missionen in jenen Ländern“. Insbesondere die Mission im Russland Peter des Großen ist ohne die böhmischen Jesuiten nicht zu denken, noch weniger die Priesterausbildung der unierten Ruthenen, die zum Großteil in Olmütz erfolgte.
Die seelsorglichen Zustände in den überseeischen Kolonien Spaniens waren aber im Laufe der Zeit so unhaltbar und katastrophal geworden, dass der Zugang für österreichische Untertanen in spanische Länder erlaubt wurde. Am 29. November 1664 teilte Ordensgeneral Paul Oliva den mitteleuropäischen Provinzen mit, „dass der Indische Rath Seiner Majestät nach Aufhebung der früheren Bestimmung auch ausländische Ordensgenossen in die indische Mission zulassen wolle. … In diese Erlaubnis sind … alle eingeschlossen, welche zur österreichischen, böhmischen, flandrobelgischen, gallo-belgischen Provinz gehören sowie jener Theil der Oberdeutschen Provinz, welcher unter den österreichischen Erzherzögen von Innsbruck steht“.
In der Folge setzte aus Böhmen eine wahre Welle von Bittgesuchen in die Mission ein. In weniger als einem Jahrhundert wurden rund 160 Angehörige der Provinz in die Mission ausgesandt. Vielen anderen Indipetae blieb als ihr Indien nur die Arbeit in der Heimat.
Das 18. Jahrhundert bringt bereits gegen die Jahrhundertmitte einen empfindlichen personellen Rückgang. Im Jahre 1750 zählt die Ordensprovinz nur noch 1253 Mitglieder, die zu 26 Kollegien und zwölf Residenzen gehören. Außerdem gab es damals noch dreizehn Missionen, drei Probationshäuser und das Professhaus bei St. Niklas in Prag. Den Patres im letzteren „oblagen außer dem Dienst in der St. Niklaskirche die Missionspredigten in Böhmen und die Lagermission im Heer. Sie arbeiteten auch zeitweilig unter den Katholiken Sachsens“.
Die beiden Kriege um Schlesien zwischen Kaiserin Maria Theresia und dem Preußenkönig Friedrich II. bringen der Provinz territoriale Verluste. 1755 wird das nun preußische Schlesien samt der Grafschaft Glatz als eigene Vizeprovinz des Ordens von der Bohemia getrennt. 1773 schlägt auch in Böhmen und Mähren die Stunde der Aufhebung für den Orden. Seine sämtlichen Güter, insbesondere die Kollegien, gehen in den Besitz des k.k. Studienfonds über, die Kirchen in den Religionsfonds, den Kaiser Joseph II. geschaffen hatte.
Als 1814 Papst Pius VII. die Aufhebung des Ordens rückgängig machte, dauerte es bis 1853, als mit dem Kolleg in Mariaschein die Jesuiten wieder in Böhmen Fuß fassten.
Die Jesuiten besaßen bis zur Vertreibung in der böhmischen Vizeprovinz vier deutsche Häuser: Mariaschein, Tetschen, Bodenbach und Duppau. In Mariaschein betreuten die Jesuiten die Wallfahrt und leiteten das Gymnasium und das Exerzitienhaus. Auch in Duppau führten die Patres das erzbischöfliche Gymnasium und das Konvikt. 1950 wurden in der Tschechoslowakei alle Klöster von der kommunistischen Regierung verboten. Erst nach der Samtenen Revolution 1990 wurden die Orden wieder zugelassen. Heute gibt es acht Residenzen in Prag, Teschen, Mariaschein, Velehrad, auf dem Hostein, Brünn, Olmütz und in Kolín (Noviziat).

Rudolf Grulich

Msgr. Dr. Franz Linke - Priester mit Leib und Seele

Katechet, Seelsorger, Politiker, Propst des Kollegiatkapitels der St.-Wenzel-Kirche in Nikolsburg

Franz Linke stammte aus Jägerndorf, wo er am 25. Oktober 1880 in der armen Familie eines Strumpfwirkers geboren wurde.
Die Reifeprüfung legte er am 27. Juni 1900 in Kremsier ab. Am 5. Juli 1904 wurde er zum Priester geweiht. In der Pfarrei Deutsch-Liebau in der Region Mährisch-Schönberg verbrachte als Pfarrvikar und später als Katechet an der Bürgerschule sieben Jahre seines Priesterlebens.
Zu Beginn des Schuljahres 1911/12 wechselte er nach Olmütz/Olomouc, um dort 23 Jahre lang als Katechet an der Bürgerschule für Jungen zu arbeiten. Er begnügte sich jedoch nicht mit der Erfüllung seiner Pflichten, sondern engagierte sich aus eigener Initiative für den Aufbau des Reiches Gottes im deutschen christlich-sozialen Verein in Olmütz/Olomouc. Zu dieser Zeit schloss er auch sein Postgraduiertenstudium ab und sein weiterer Einsatz schien in die Richtung des Dozenten für Kirchengeschichte an der Theologischen Fakultät zu gehen. Das ist nicht passiert. Gott hatte mit dem Doktor der Theologie Franz Linke andere Pläne.
Mit der Entstehung der Tschechoslowakischen Republik änderte sich die Position der lokalen deutschen Volksgruppe, einschließlich der deutschen Katholiken. Man musste sich dem stellen. Einer von denen, die die Situation so verstanden haben, war Dr. Franz Linke.
Als Vorsitzender des im Jahre 1919 gegründeten Vereins der deutschen katholischen Geistlichkeit der Erzdiözese Olmütz/Olomouc begann er die Priester deutscher Nationalität in der Erzdiözese Olmütz zu organisieren. Unter seiner Leitung trafen sich die Priester dieses Vereins einmal im Quartal zu Bezirksversammlungen, sogenannten Konventen, und hielten jedes Jahr – meist während der Sommerferien – eine Generalversammlung des gesamten Vereins ab. Bei diesen Treffen wurden regelmäßig Themen aus dem pastoralen, karitativen, sozialen und erzieherischen Bereich sowie aktuelle Probleme allgemeiner pastoraler Art erörtert. Der Verein bereitete auch berufliche Fortbildungskurse für Priester vor.
Dank der engen Zusammenarbeit mit den Olmützer Erzbischöfen wurde der Verein zum inoffiziellen, aber faktischen Vertreter der deutschen katholischen Gemeinde im Kontakt mit den Olmützer Erzbischöfen und auch ein de facto leitendes Zentrum der pastoralen Tätigkeit unter den deutschen Katholiken.
Anlässlich des 10jährigen Bestehens des Vereins schrieb die Zeitung „Das Volk“ über die Aktivitäten von Dr. Franz Linke: “Unter seiner Führung hat sich der Verein zu dem entwickelt, was er ist, zu einer der angesehensten und geachtetsten Organisationen, die in sich festgeschlossen und von der Liebe und dem Vertrauen ihrer Mitglieder getragen auf eine an Erfolgen reiche Arbeit zurückblicken kann. Dr. Linke ist heute einer der bekanntesten und beliebtesten Persönlichkeiten unserer Heimat, von dem die allgemeine Überzeugung herrscht, dass, was in seinen Händen ruht, geborgen und gut angelegt ist. Man hat Dr. Linke in den letzten Tagen viel auf die Schultern geladen, aber er hat es ertragen. Und wenn er selbst dem Schreiber dieser Zeilen gesagt hat, dass der Priesterverein, wenn auch nicht die kleinste, aber die liebste seiner Arbeiten und Sorgen ist, dann kann man daraus folgern, dass Dr. Linke Priester mit Leib und Seele ist, ein wahrer Volkspriester, dessen einzige Freude die Arbeit für das Wohl von Kirche und Volk ist.
Wir danken heute Gott dem Herrn, dass er uns einen solchen Mann als Führer und Freund geschenkt hat; wir danken aber auch Dr. Linke anlässlich seines Doppeljubiläums für all seine Arbeit und sein Wirken“ („Das Volk“ Nr.149 S. 1).
Er engagierte sich im neu gegründeten Volksverein der deutschen Katholiken sowie im Bund der christlich-deutschen Turnvereine.
Auch politisch war er als Mitglied der Deutschen Christlich-Sozialen Volkspartei tätig und zwar nicht nur auf der Ebene der Stadt Olmütz, sondern wurde im Jahre 1929 auch als Abgeordneter in das Mährisch-Schlesische Landesparlament gewählt. Er wurde Mitglied des Landesausschusses (Landesregierung), in dem er bis Anfang 1937 arbeitete.
Als er 1934 als allgemein anerkannte Persönlichkeit zum Propst des Kollegiatkapitels der St.-Wenzel-Kirche in Nikolsburg ernannt wurde, stellte er seine Tätigkeit in der Olmützer Erzdiözese und später auch seine politische Tätigkeit ein und widmete sich hauptsächlich der Seelsorge. Unter anderem war er bereits 1934 aktiver Teilnehmer der Brünner Diözesansynode und nahm 1935 am Nationalen Katholikenkongress in Prag teil. Die wichtigste seiner pastoralen Aktivitäten war der eucharistische Kongress, den er im September 1936 in Nikolsburg anlässlich des 300. Todestages des Olmützer Bischofs Franz Kardinal Dietrichstein organisierte. Er stieß sowohl bei den deutschen als auch bei den tschechischen Teilnehmern auf eine außerordentliche Resonanz.
Nach der Unterzeichnung des Münchner Abkommens wurde er zum Generalvikar für den sudetendeutschen Teil der Brünner Diözese ernannt, d.h. für 104 Pfarreien und etwa 180.000 Katholiken. Die Zeiten waren weder für die Kirche noch für Franz Linke einfach. Seine pastorale Priorität war die ständige Ausbildung der Priester, sowohl geistlich als auch seelsorgerisch. Er organisierte regelmäßige monatliche geistliche Erneuerungen, bot und empfahl Fortbildungskurse für die Suche nach neuen pastoralen Wegen.
Er stand unter ständiger Überwachung durch die deutsche Geheimpolizei, was sich auch auf seine Gesundheit auswirkte. Ohne jegliche Anzeichen einer gesundheitlichen Veränderung starb er am 29. Dezember 1944 plötzlich an einer Hirnblutung. Er wurde auf dem Friedhof in Nikolsburg begraben.
Sein Vermächtnis und Vorbild für uns alle ist seine feste Überzeugung und seine beispielhafte Bereitschaft, sich für die Kirche einzusetzen, seine Bereitschaft, seine ganze Kraft und seine Fähigkeiten für das Wohl seiner Nächsten einzusetzen. Trotz der vielen Ehrungen, die ihm zuteil wurden, einschließlich der hohen kirchlichen Ämter, die er bekleidete, blieb er ein Pater Franz, der allen Menschen nahe sein wollte.

P. Dr. Jan Larisch

Christliche Versöhnungsinitiative in Freudenthal/Bruntál

Seit 2016 hat sich in Freudenthal/Bruntál, der Heimatstadt meiner Eltern, eine Versöhnungsinitiative entwickelt, die die Versöhnung zwischen Tschechen und Deutschen zum Ziel hat. Initiator war Roman Hota, Pastor der Christlichen Gesellschaft „Tesalonika“, einer freikirchlichen Gemeinde in Freudenthal/Bruntál. Nach dem Studium historischer Quellen, die die Gewalt und das Unrecht gegen die Sudetendeutschen am Ende des Zweiten Weltkriegs beschreiben, lud er Christen aus verschiedenen Kirchen ein, sich seiner Initiative anzuschließen und nach Wegen der Versöhnung der beiden Nationen zu suchen.
Eine kleine Gruppe von Christen hielt am 26.10.2016 einen Bußgottesdienst ab. Gemeinsam taten diese Christen vor Gott Buße für das Unrecht an den Sudetendeutschen. Anfang 2019 wurde eine lokale Arbeitsgruppe, das Versöhnungsteam gebildet, das praktische Schritte zum Aufbau von Beziehungen zwischen den ursprünglichen sudetendeutschen Einwohnern bzw. ihren Nachkommen und den heutigen tschechischen Bürgern von Freudenthal/Bruntál unternimmt.
Dazu gehören Grüße zum Geburtstag von ehemaligen Freudenthalern und persönliche Kontakte durch Besuche oder die Teilnahme an Versammlungen des Heimatkreises Freudenthal/Altvater. Roman Hota lädt halbjährlich zu deutsch-tschechischen Online-Konferenzen ein. Seine Frau Kristýna, die sehr gut deutsch spricht, berichtet regelmäßig im „Freudethaler Ländchen“ über die Erfahrungen und die Aktivitäten der Versöhnungsinitiative.
Bei meiner Reise nach Freudenthal/Bruntál im August 2022 hatte ich mich auch mit den Mitgliedern der Versöhnungsinitiative getroffen und lange und intensive Gespräche geführt.

Mathias Kotonski

P. Martin Leitgöb CSsR - Neuer Provinzial der Redemptoristen

P. Martin Leitgöb wurde am 17. Januar 2023 beim Provinzkapitel der Provinz Wien-München zum neuen Provinzial gewählt und vom Generaloberen bestätigt. P. Martin Leitgöb wurde 1972 in Eggenburg/Niederösterreich geboren und studierte in Innsbruck, Wien und Rom Theologie. 2002 schloss er das Studium mit dem Doktorat in Kirchengeschichte ab und trat in das Noviziat der Redemptoristen ein. 2003 legte er die erste Profess ab. 2007 folgte die Priesterweihe durch Kardinal Schönborn im Wiener Stephansdom. Nach einem Pastoraljahr in Deutschland folgte ein pastoraler Einsatz in Wien, vor allem von „Maria am Gestade“ aus. Von 2012 bis 2020 war P. Leitgöb Seelsorger für die deutsche Gemeinde in Prag. 2019 wurde er zum Provinzvikar gewählt und übernahm ab 2020 die Aufgaben eines Pfarrers am Schönenberg in Ellwangen.
Seit seiner Zeit als Pfarrer der deutschen Gemeinde in Prag ist der neue Provinzial eng mit dem Sudetendeutschen Priesterwerk verbunden. So war er Referent bei der Jahrestagung am 9. April 20218 in Bamberg.
Wir gratulieren ihm herzlich zur Wahl zum Provinzial und wünschen ihm Gottes Segen für seine verantwortungsvolle Aufgabe.

Mathias Kotonski