Vorwort des Vorsitzenden

Liebe Mitglieder und Freunde des Sudetendeutschen Priesterwerks!
Europa hat gewählt. Wenn Sie diese Zeilen lesen, stimmt erstens der Satz und zweitens wissen Sie schon um das Ergebnis. Im Entstehen dieser Zeilen liegt die Wahl dagegen noch vor uns. Dafür feiern wir gerade 75 Jahre Grundgesetz. Der Gottesbezug in der Präambel ist einer Mehrheit der bundesdeutschen Bevölkerung laut einer aktuellen Befragung nach wie vor wichtig, obwohl die beiden großen Kirchen keine fünfzig Prozent mehr ausmachen.
Was hat Gott mit dem Rechtsstaat zu tun? Was mit einer völkerübergreifenden Solidargemeinschaft? Was mit dem Frieden? Als Christen sagen wir ganz klar: Alles! Die Ideologisierung und Überhöhung des Begriffes „Nation“ führte zweimal zu einem Weltkrieg und seine Geburtsstunde lag unter anderem auch in einem Krieg -mit vorangegangener Revolution. Und wenn es auch dazwischen und davor nicht an großen Kriegen mangelte, so brannte sich doch in das Geschichtsbewusstsein unseres Landes derjenige ein, der dreißig Jahre lang angeblich um die richtige Konfession geführt wurde. Der Mensch kann sich alles zurechtlegen und zu eigen machen, ja: auch „GOTT“! Aber wer die Worte Jesu nicht selektiert, sondern Kern und roten Faden sucht, der weiß, dass Gott nicht zum Krieg, sondern allein zum Frieden taugt!
Vielleicht werden wir weniger, das bedeutet aber nicht, dass wir dazu beitragen sollen, dass Gott in dieser Gesellschaft abgeschrieben wird. Nicht weil uns die „Mitglieder“ davonlaufen, nicht weil gewachsene Strukturen für sich schon wertvoll wären, sondern weil – wie es der heilige Bruder Niklaus von Flüe gesagt - „Friede allweg in Gott ist, denn Gott ist der Friede“.
Als die „Mutterstadt“ Eger 1627 wieder katholisch wird, will die „Filiale“ Marktredwitz lutherisch bleiben. Mitten im 30jährigen Krieg, 1642, lässt der Bürgermeister Leopold eine Inschrift einmeißeln:
„Ach Gott, gib Fried, welcher ernährt und steur dem Krieg, der alls verzehrt. Zerbich die Schwert, Spieß, Bogn und Pfeill. Gib uns hie Fried, dort ewigs Heil.“
Ich meine, das kann man heute noch genauso beten!

Ihr
Pfarrer Holger Kruschina

„Wir dürfen uns Europa nicht nehmen lassen!“

Pontifikalamt mit dem Augsburger Bischof Dr. Bertram Meier beim Sudetendeutschen Tag

Die pfingstliche Vielsprachigkeit, die auch für den (sudeten)deutsch-tschechischen Alltag gilt, einige prägende sudetendeutsche Personen aus der Vergangenheit und den Augsburger Bistumspatron, den heiligen Ulrich, stellte der Augsburger Bischof Dr. Bertram Meier, Hauptzelebrant des katholischen Festgottesdienstes beim Sudetendeutschen Tag, in den Mittelpunkt seiner Predigt. Und natürlich erwähnte er seine sudetendeutschen Wurzeln seitens seiner am 12. März verstorbenen Mutter, die aus der Kreis Freiwaldau stammte.
Über die bestens gefüllte Messehalle freute sich in seiner Begrüßung der Präses der sudetendeutschen Katholiken Monsignore Dieter Olbrich. „Feiern wir diesen Gottesdienst im Sinne der Völkerverständigung zwischen Sudetendeutschen und Tschechen“, leitete er zum Hauptzelebranten über. Dieser betonte seine langjährige Verbundenheit mit Bernd Posselt, dem Sprecher der Sudetendeutschen Volksgruppe.
„Als Kirche sind wir ja ‚global player‘“, bemerkte der Augsburger Oberhirte einleitend in seiner Predigt und verwies in diesem Zusammenhang auf die vielen Sprachen auch in der Kirche. Aus den Erfahrungen in seiner Funktion als Vorsitzender der Kommission Weltkirche der Deutschen Bischofskonferenz ist für ihn die Erfahrung der Verbindung im Glauben und Herzen sowie beim gemeinsamen Gebet besonders wichtig. Konkret „die christliche Grundhaltung einer offenen und respektvollen Begegnung mit Menschen, vor allem auch mit Kriegsflüchtlingen und Vertriebenen“, wobei er auf die Ereignisse 1945/46 hinwies. „Auch beim Sudetendeutschen Tag geht es um grundsätzliche Wertschätzung und Freundlichkeit“, stellte der Bischof fest und erinnerte an die beiden Gründerväter der europäischen Einigung Konrad Adenauer und Robert Schuman. „Noch heute ist es das Ziel, aufeinander zuzugehen und das Wohlergehen der Völker zu fördern!“ Mit Blick auf die anstehende Europa-Wahl wandte er sich gegen jeden „...ismus“, diese alle seien unvereinbar mit den gemeinsam getragenen Werten von Menschenwürde und Solidarität. Vielmehr fordere Pfingsten dazu auf, dem Gemeinwohl zu dienen sowie die persönlichen Talente und Charismen zu entfalten und in die Gemeinschaft einzubringen – „zum Aufbau der Gemeinde und zum Wohl der Mitmenschen“, so der Bistumschef. Als Beispiele nannte er den heiligen Adalbert von Prag, der sich schon zu seiner Zeit für die Einigung Europas einsetzte, und die erste Nobelpreisträgerin für Medizin Gerty Cori, die aus Prag stammte. Ebenso drückte er seine Sorge über die Gefährdungen von innen und außen für Freiheit, Frieden und Demokratie aus. „Wir dürfen uns Europa nicht nehmen lassen!“, forderte er vehement. Damit kam er zur zentralen Aussage des Evangeliums, in dem Jesus seinen Jüngern den Frieden als Aufgabe aufträgt. Für Bischof Meier gehört hier auch der „innere Friede, der von Gott kommt“ dazu. In diesem Kontext erwähnte er auch die Vermittlung des Friedens von Tussa (Illertissen) im Jahr 954 durch den heiligen Ulrich. Mit Blick auf die aktuellen Kriege und Konflikte in der Ukraine und im Heiligen Land empfahl er deshalb, „die Wege der Gewalt zu überwinden“ – gemäß Bertha von Suttners Leitwort „Die Waffen nieder“ – und die Kanäle des Dialogs nicht aufzugeben. Natürlich gestand er – wie auch die Deutsche Bischofskonferenz – der Ukraine ihr Recht auf Verteidigung zu. Und Bischof Meier kam schließlich auf einen weiteren wichtigen Aspekt, die Vergebung, die ebenfalls nötig sei. „Wir wollen natürlich weiterkommen in der Völkerverständigung. Dafür bilden Vertrauen und Wahrhaftigkeit eine bedeutende Basis“, fasste der Oberhirte zusammen.
Am Ende der Eucharistie sprach Monsignore Adolf Pintíř im Namen der Tschechischen Bischofskonferenz ein Grußwort. „Leichter kommt ein Sudetendeutscher Tag nach Tschechien als ein tschechischer Bischof zum Sudetendeutschen Tag“ leitete er dieses humorvoll und vielleicht mit Hintergedanken ein. Die gute Entwicklung der Beziehungen zwischen Sudetendeutschen und Tschechen seit der Samtenen Revolution 1989 schrieb er auch dem Wirken des Heiligen Geistes zu. „Das war eine große Gabe, die wir bekommen haben. Aber die Gabe bringt auch eine Aufgabe mit sich – die Aufgabe, als Christ im heutigen Europa zu wirken. Die sudetendeutschen und tschechischen Gläubigen können ein Zeugnis geben, dass es möglich ist, als Christen im heutigen Europa zu leben. Wir sind von Gott ins heutige Europa nicht vertrieben, sondern gesandt! Wir haben eine Aufgabe, ja eine Mission im heutigen Europa!“
Als Lektoren der Lesungen fungierten Christoph Lippert und Lothar Palsa, die Fürbitten trugen Ursula Lippert und David Macek vor, das Evangelium Monsignore Adolf Pintíř und Holger Kruschina, der Vorsitzende des Sudetendeutschen Priesterwerks. Das Amt des Kantors übernahm Roland Hammerschmied. Die musikalische Gestaltung oblag Kurt Pascher und seinen Original Böhmerwälder Musikanten. Die Kollekte war für das Kloster Haindorf im nordböhmischen Isergebirge.
Und eine Randnotiz zum Schluss: Wie sich in einem kurzen Zwiegespräch bei der Predigt von Bischof Meier herausstellte, kannte der Ortsbetreuer des Heimatortes von Bischof Meiers Mutter eben diese. So klein ist (oft) die Welt.

Markus Bauer

 

Pfingsten als Fest der Einheit in Vielfalt

Predigt von Bischof Dr. Bertram Meier im Festgottesdienst beim Sudetendeutschen Tag

Liebe Sudetendeutsche, liebe Schwestern und Brüder aus Tschechien, Bayern, sowie alle Gäste aus anderen Teilen der Welt,
ganz bewusst möchte ich mit dieser Anrede zum Ausdruck bringen, worum es heute geht: Es ist Pfingsten, die Geburtsstunde der Kirche als einer weltweiten Glaubensgemeinschaft! Voller Freude feiern wir dieses Fest, an dem wir als Christinnen und Christen daran erinnern, wie Gott fünfzig Tage nach Ostern seinen Heiligen Geist in die Welt sandte, damit seine Botschaft der Liebe über alle Grenzen hinweg zu den Völkern gelange und das Antlitz der Erde erneuere (vgl. Ps 104,30).
Für einen Gottesdienst beim „74. Sudetendeutschen Tag in Augsburg“ hätte es wohl kaum einen passenderen Termin im Kirchenjahr geben können. Eingedenk der Biographie vieler hier in der Messehalle mag doch gerade die Botschaft von Pfingsten ermutigend sein, dass Gott Menschen verschiedener Sprachen zusammenführt.
Für mich hat das nebenbei auch eine persönliche Note. Wie manche wissen, stamme ich mütterlicherseits aus einer Familie, deren Heimat bis zur Vertreibung 1946 Domsdorf im Sudetenland war. Auch vor diesem Hintergrund kamen mir beim Lesen der heutigen Texte vom Pfingstsonntag drei Gedanken, die ich Ihnen gerne mitgebe, und die auch gut zum Motto der dreitägigen Begegnung „Miteinander für Europa“ passen. So deute ich das Pfingstereignis als klaren Auftrag zur Völkerverständigung (1), als Aufgabe, dem Gemeinwohl zu dienen (2) und schließlich als Aufruf zu Vergebung und Frieden (3).

1. Pfingsten als Auftrag zur Völkerverständigung
Werfen wir zunächst einen Blick in die erste Lesung aus der Apostelgeschichte. So manche Lektorin bzw. Lektor stolpert beim Vorlesen der vielen Völker, die da aufgezählt werden. Warum, könnte man fragen, ist es dem Verfasser Lukas so wichtig, die verschiedenen Nationalitäten alle einzeln aufzuführen? Dahinter steckt eine Botschaft, denn die Völker sind nach Himmelsrichtungen geordnet. Das zeigt, dass der Geist Gottes sich über die ganze Erde hinweg ausbreitet und Menschen unterschiedlichster Herkunft zusammenführen will. Als Bischof, dem die Weltkirche schon immer eine Herzensangelegenheit war und der in seiner jetzigen Funktion als zuständiger Ansprechpartner der Deutschen Bischofskonferenz ferne Länder bereist, habe ich es schon oft erlebt: Wenn es auch manchmal schwierig ist, und wir als Christinnen und Christen verschiedener Länder und Kulturen kein solches Sprachwunder (vgl. Apg 2,6) erleben, bei dem alle sich verstehen, wie es uns die Heilige Schrift vom Pfingsttag berichtet, fühlt man sich doch im Glauben und im Herzen verbunden, insbesondere beim gemeinsamen Gebet.
Dabei gehört es generell zu den christlichen Grundhaltungen, allen Menschen, egal, wo sie herkommen, offen und respektvoll zu begegnen. Dies gilt ganz besonders für Notleidende wie Kriegsflüchtlinge und Vertriebene. Wir alle wissen und haben es teilweise persönlich erlebt, dass die Erfahrungen des vergangenen Jahrhunderts hierbei sehr unterschiedlich waren. Unabhängig vom jeweiligen Herkunftsland gab es Menschen, die anderen ablehnend bis feindselig gegenüberstanden, während andere das Leid der Betroffenen sahen und Unterstützung anboten. So ist Pfingsten nicht nur das Fest der Geistsendung; Pfingsten ist der Auftrag, eine Geisteshaltung einzunehmen, die von einer grundsätzlichen Wertschätzung und Freundlichkeit gegenüber unseren Mitmenschen geprägt ist. Wenn wir in diesen Tagen über die europäische Idee nachdenken, erinnern wir uns auch an die Aussagen von Konrad Adenauer (1876-1967) und Robert Schuman (1886-1963), die eine freundschaftliche Völkerverständigung als ausschlaggebenden Impuls für die Gründung der EGKS (Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl), einer Vorläuferorganisation der EU, ansahen. Und noch heute ist es ein erklärtes Ziel der Europäischen Union, festgeschrieben im EU-Vertrag, aufeinander zuzugehen und „das Wohlergehen ihrer Völker zu fördern“. Lassen Sie mich an der Stelle, auch mit Blick auf die anstehende Europawahl am 9. Juni, noch einmal klar sagen: Dem Geist und der christlichen Prägung Europas entspricht es, sich einerseits eigener Sorgen und Interessen anzunehmen, sie aber andererseits in Dialog und Partnerschaft im gemeinsamen kontinentalen und globalen Miteinander zu übersteigen und Lösungen für alle zu erarbeiten. Ein Zurück zu „-ismen“ wie Nationalismen, Autokratismen, Rassismen, Populismen, Egoismen usf. ist unvereinbar mit den gemeinsam getragenen Werten von Menschenwürde und Solidarität. Christliche Weltanschauung und Glaube stehen als transzendente Wertegaranten im Dienst von Wohlstand und friedlicher Völkergemeinschaft. Ein Europa der Strukturen und Institutionen ohne diesen tragenden und belebenden Geist würde kraft- und ziellos werden. Damit spannt sich der Bogen zum zweiten Gedanken aus:

2. Pfingsten als Aufgabe, dem Gemeinwohl zu dienen
In der Lesung aus dem 1. Korintherbrief haben wir gehört, dass Gott seinen Geist allen Menschen schenken will (vgl. 1 Kor 12,7). Jedem gibt er von Geburt an Talente und Charismen mit, die es im Laufe des Lebens zu entfalten gilt. „Damit sie anderen nützt“ (vgl. 1 Kor 12,7), schreibt Paulus, und gibt uns gleichsam als Aufgabe mit, all unsere Fähigkeiten zum Aufbau der Gemeinde und zum Wohle der Mitmenschen einzusetzen.
Geht man die Geschichte Europas nach, dann haben viele Frauen und Männer aus dem Sudetenland hier Großes geleistet. Ich erinnere an den hl. Adalbert von Prag (um 956-997), der nicht nur in mehreren osteuropäischen Staaten die Werte des Christentums als Missionar verbreitete, sondern dessen Einfluss auf Kaiser Otto III. wohl maßgeblich zu dessen Idee einer „renovatio imperii“ im Sinne einer Einigung Europas als Staatenbund führte. Manche Historiker sehen darin die Geburtsstunde Europas. Weitere berühmte Sudetendeutsche dienten auf je eigene Weise dem Gemeinwohl, wie die erste Nobelpreisträgerin für Medizin, Gerty Cori (1896-1957). Nehmen wir diese Persönlichkeiten als Beispiel und fragen uns, welche Gaben Gott uns geschenkt hat und welchen Beitrag wir leisten können, damit Europa immer mehr zu einem Haus wird, in dem viele Nationen ihre Wohnung finden, und wo Freiheit und Gerechtigkeit keine leeren Worthülsen darstellen, sondern durch konkretes Handeln in Politik und Gesellschaft Realität werden! Grundlage dafür ist das christliche Menschenbild, wonach die Würde jedes Einzelnen und besonders der Schutz des menschlichen Lebens von der Zeugung bis zum natürlichen Tod von zentraler Bedeutung sind (vgl. aktuelle Debatte um die Legalisierung eines frühzeitigen Schwangerschaftsabbruchs).
So komme ich zu meinem dritten Gedanken, der sich hauptsächlich auf das heutige Evangelium bezieht.

3. Pfingsten als Aufruf zu Vergebung und Frieden
Was sind die ersten Worte, die Jesus nach seiner Auferstehung zu seinen Jüngern sagt? „Friede sei mit euch!“ Gleich zweimal sagt er das (Joh 20,19.21). Allein daran können wir erkennen, welche Bedeutung der Herr dieser Zusage beimisst. Er, der Sieger über Sünde und Tod, möchte uns mit seinem Geist einen inneren Frieden schenken, der von Gott kommt, und der uns befähigen soll, zum Frieden in der Welt beizutragen. Einer, der das früh verstanden und danach gelebt hat, war der heilige Ulrich, dem wir im Bistum Augsburg in diesem Jubiläumsjahr besonders gedenken. Viele verbinden ihn mit der Legende um den „Sieg auf dem Lechfeld“ und haben dadurch mitunter ein falsches Bild im Kopf. Denn der hl. Ulrich war alles andere als ein begeisterter Kriegsheld. Als Reichsbischof oblag ihm die Verteidigung des Gebietes, für das er zuständig war. Seine eigentlich friedliche Gesinnung aber können wir aus seinem Verhalten in „Tussa“, dem heutigen Illertissen, ablesen. Damals gelang es ihm, die drohende Schlacht zwischen König Otto I. und seinem leiblichen Sohn, dem Schwabenherzog Liudolf, durch diplomatisches Geschick abzuwenden und Frieden zu vermitteln.
Auch hier sehe ich eine Brücke zur Gegenwart und darf auf das, vor wenigen Wochen erschienene, Friedenswort der deutschen Bischöfe mit dem Titel „Friede diesem Haus“ verweisen. Angesichts der schrecklichen Kriege in der Ukraine, im Heiligen Land und in anderen Ecken der Welt ist es für die Schaffung und den Erhalt des Friedens unbedingt notwendig, Wege der Gewaltüberwindung zu suchen. Ich erinnere an die aus dem Sudetenland stammende Friedensnobelpreisträgerin Bertha von Suttner (1843-1914), deren Ruf „Die Waffen nieder!“ uns heute noch Mahnung sein sollte. Auch wenn sich ein Land aus Notwehr selbst verteidigen muss, dürfen die Kanäle des Dialogs nie aufgegeben werden. Um auch dauerhaft Frieden zu haben, braucht es noch eine Sache, auf die uns Jesus im Evangelium hinweist: Vergebung. Vordergründig erteilt er seinen Jüngern den Auftrag, Sünden zu vergeben. Dem darf man aber wohl auch einen Aufruf an uns alle entnehmen, einander Fehler zu verzeihen - selbst, wenn das bisweilen außerordentlich schwerfällt.
Vielleicht gibt es heute den ein oder anderen hier in der Messehalle, der schlimme Erinnerungen im Kopf hat und sich außer Stande sieht, bestimmten Menschen ihre Untaten zu vergeben. Ihnen möchte ich ein Zitat mitgeben, das der Schriftstellerin Gertrud von le Fort (1876-1971) zugeschrieben wird: „In der Verzeihung des Unverzeihlichen kommen wir der göttlichen Liebe am nächsten.“

Liebe Schwestern und Brüder,
das Pfingstereignis hat die Geschichte der Welt radikal verändert. Lassen Sie uns, so wie die Zeugen dieses historischen Ereignisses, staunen über das, was in Jerusalem passiert ist, und einstimmen in das Lob Gottes, dessen Liebe keine Grenzen kennt. Glauben wir daran, dass SEIN Heiliger Geist auch heute noch in uns wirkt und wir alle gesendet sind, um diese Welt zu einem besseren und friedlicheren Ort zu machen. Sende aus Deinen Geist, und das Antlitz der Erde wird neu!

Der Heilige Ulrich als europäischer Heiliger?

Vortrag des Sudetendeutschen Priesterwerks und der Ackermann-Gemeinde beim Sudetendeutschen Tag

Die Stadt Augsburg war diesmal auch aus dem Grund Ort des Sudetendeutschen Tages, weil das Bistum Augsburg derzeit das Ulrichsjubiläum 2023/24 feiert. Damit wird der Bistumspatron, der heilige Ulrich, gewürdigt, der vor 1100 Jahren – im Jahr 923 – die Bischofsweihe erhalten hat und 973, also vor 1050 Jahren verstarb. Mit der Frage, ob dieser zu einem Heiligen für Europa ernannt werden soll, befasste sich ein Vortrag des Sudetendeutschen Priesterwerks und der Ackermann-Gemeinde am Nachmittag des Pfingstsonntags.
Den erwähnten Anlass zum Jubiläum und das 50-jährige Wirken Ulrichs als Bischof griff in seiner Einführung Mathias Kotonski, Beisitzer im Vorstand des Sudetendeutschen Priesterwerks, auf. „Ulrich war ein sehr aktiver Mensch, ein großer Bischof und Heiliger“, fasste er zusammen und leitete auf den Vortrag von Domkapitular Dr. Thomas Groll über, der Bistumshistoriker in Augsburg und Vorsitzender des Bischöflichen St.-Ulrich-Komitees ist.
Kurz stellte Groll die momentanen europäischen Heiligen (Benedikt, Kyrill und Method, Katharina von Siena, Birgitta von Schweden, Edith Stein) vor. Er berichtete von der Fahrt einer Delegation des Bistums zur Europäischen Kommission nach Brüssel im September letzten Jahres, wo das Bistumsanliegen, den heiligen Ulrich in die Riege der Europa-Heiligen aufzunehmen, vorgetragen wurde. Die Kommission habe das aber nicht als ihre Aufgabe gesehen, so Groll zum Ergebnis der Exkursion. Natürlich versuche auch der Augsburger Bischof Dr. Bertram Meier, dieses Anliegen bei den zuständigen Stellen im Vatikan voranzutreiben.
Mit drei Attributen charakterisierte Groll den Bistumspatron: mutig, sozial, europäisch. Der Mut Ulrichs drücke sich im Einstehen für seinen Glauben aus. „Er war viel mit dem Pferd oder Ochsenkarren unterwegs – zu Firmungen, Gottesdiensten, zu den Bergbauern, Kirchweihen usw. Für die heutige Zeit bedeute das, so der Domkapitular, in schwierigen Zeiten zusammenzustehen und das Gute in der Kirche darzustellen. Der soziale Aspekt sei zu Ulrichs Zeiten anders gewesen. Bei ihm drückte sich dieser vor allem im Umgang mit Armen und Bedürftigen aus. „Er hat sich erst zum Essen hingesetzt, wenn er gewusst hat, dass die armen Leute auch versorgt waren und zu essen bekamen. In der Karwoche bei der Fußwaschung hatte er immer Geschenke für die Armen, zum Beispiel einen Fisch (eines seiner Symbole), dabei“, schilderte der Priester. Übertragen auf jetzt sei es wichtig, „dass wir auch heute in Europa für die Armen und Bedrängten da sind. Hier ist Ulrich ein Vorbild“, so Groll vertiefend. Zum europäischen Aspekt verwies er auf die Vermittlung des Friedens von Tussa (Illertissen) im Jahr 954 durch Ulrich, was dann im Jahr darauf für die siegreiche Schlacht auf dem Lechfeld gegen die Ungarn von Vorteil war. Die damalige Abwehr der ungarischen Aggressoren verglich Groll mit dem Krieg Russlands gegen die Ukraine, wo Abwehr und Verteidigung gerechtfertigt waren beziehungsweise sind. „Die Bischöfe hatten damals wichtige Funktionen, um das Reich zusammenzuführen – auch Bischof Ulrich“, erläuterte der Historiker und bezeichnete den heiligen Ulrich daher als Prototyp eines Europäers. Dass in der Folge der Schlacht auf dem Lechfeld dann Ungarn missioniert wurde und Stephan I. der erste christliche König Ungarns wurde – und Ungarn damit ein „festes Glied der europäischen Völkerfamilie“, erwähnte Groll ergänzend. Die Verehrung des heiligen Ulrichs mit zahlreichen Kirchenpatronaten, Ulrichsbrunnen usw. in Deutschland, Österreich, der Schweiz, Italien, Frankreich und Ungarn sei außerdem ein eindrucksvolles Zeugnis, „dass der heilige Ulrich für Europa ein gutes Vorbild sein kann“, so Groll zusammenfassend.
Bei den Fragen der Zuhörerinnen und Zuhörer wurde deutlich, dass der Name Ulrich in der entsprechenden Übersetzung wohl auch im slawischen Bereich stark verbreitet war, vor allem nach dem Jahr 955. In Deutschland seien aktuell die Vornamen Ulrich und Ulrike hingegen eher selten.

Markus Bauer

 

Ein Seelsorger mit Leib und Seele

Monsignore Herbert Hautmann feiert 90. Geburtstag

Der allerorts beliebte Geistlichte, dessen Wirkungsstätten Nürnberg-St. Michael, Bad Windsheim-St. Bonifaz, Fürth-St. Heinrich, St. Nikolaus, Bad Steben, Schwarzenstein, Schwarzenbach am Wald und Stöckach waren, und der nunmehr seit 2011 Subsidiar im Seelsorgebereich Fränkische Schweiz Süd und im Dekanat Ebermannstadt ist, war gerührt von den vielen Beweisen aufrichtiger Zuneigung von allen Seiten.
Neben Glück- und Segenswünschen von Vertretern aus Politik und Kirche beider Konfessionen, kamen Geburtstagsgrüße von Pfarrangehörigen aus allen seinen Wirkungsstätten. Ihrem Heimatvertriebenen-Seelsorger gratulierten auch seine Landsleute. Dazu sind der stellvertretende Bezirksobmann von Oberfranken und Nailaer Obmann Adolf Markus mit seinem Stellvertreter Jürgen Nowakowitz und Landsmann Horst Kaschel in die Kirche gekommen, um den Geburtstagsjubilar zu gratulieren und ihm die Ehrenurkunde für 55 Jahre Mitgliedschaft zu überreichen. Seit 2006 ist Monsignore Herbert Hautmann als Nachfolger von Monsignore Adolf Schrenk Vertriebenenseelsorgrer der Erzdiözese Bamberg und lädt seit dem zur jährlichen Vertriebenenwallfahrt ein, die heuer wieder am 1. September in Gößweinstein stattfindet. Hauptzelebrant wird Regionaldekan Holger Kruschina aus Nittenau, der Erste Vorsitzende des Sudetendeutschen Priesterwerkes sein. Es ist ja auch eines der vielen Verdienste des Vertriebenenseelsorgers, dass die Egerer Wallfahrt nach Marienweiher wieder neu belebt wurde. Seit 2011 pilgern Tschechen und Deutsche wieder gemeinsam in drei Tagen die 76 Kilometer lange Strecke von Eger nach Marienweiher.
In der Wallfahrtsbasilika „Heiligste Dreifaltigkeit“ in Gößweinstein feierte nun der Geburtstagsjubilar zusammen mit fünf Mitbrüdern den Franziskanerpatres Ludwig, Lazarus und Igor aus Gößweinstein, und den Ruhestandsgeistlichen Alfred Bayer und Wolfgang Kunze aus Weißenohe einen Dankgottesdienst, den Regionalkantor i.R. Georg Schäffner an der Orgel und Herbert Hautmanns Neffe Wolfgang Dersch mit der Posaune musikalisch umrahmten. Es war ein Kaleidoskop musikalischer Leckerbissen, die dem Jubilar und der Gemeinde geschenkt wurden, u.a. das „Trumpet Voluntary“ von J. Clarke, das „Ave Verum“ von W. A. Mozart und eine der populärsten Melodien der klassischen Musik das "Lascia ch'io pianga" von G. F. Händel.
Aber als Eingangslied wünschte sich der Jubilar das vertraute "Wohin soll ich mich wenden" aus der Schubert- Messe. Die Stelle "zu dir, zu dir o Vater komm ich in Freud und Leiden" sei ein Leitgedanke, der das Leben prägt, so der Jubilar. P. Ludwig Mazur OFM begrüßte eingangs seinen Mitbruder. Er freute sich, dass der Jubilar bei ihnen in Gößweinstein wohne, und bedankte sich für seine wertvollen Dienste. In seiner emotionalen Ansprache reflektierte Monsignore Hautmann die letzten schweren Kriegsjahre in seiner Heimat. Als Elfjähriger erfuhr er am Schluss des Zweiten Weltkrieges die Nähe Gottes. Gerade um die Zeit seines Geburtstages, Anfang Mai 1945, wurde die Bevölkerung der Stadt Eger gebeten die Stadt zu verlassen, oder sich sonst irgendwo in Sicherheit zu bringen. Die Familie fand bei einem Onkel in Altkinsberg bei Eger Unterschlupf. Den elfjährigen Herbert hatten sie immer wieder hinausgeschickt um zu sehen. Da waren noch viele Deutsche auf dem Rückzug, bis schließlich ein Panzer den Berg hinaufrollte. Darin saß ein dunkelhäutiger Soldat. Das heißt, die Amerikaner waren da! Nun gab es viele Dankgebete, besonders an die Mutter Gottes von Loreto., die in einer Wallfahrtskirche in der Nähe von Eger verehrt wird. Der Jubilar fühlt sich mit Maria Loreto eng verbunden und so möchte er diesmal die Spenden zu seinem Geburtstag für Maria Loreto weiterleiten, damit die Liebe zum christlichen Glauben lebendig bleibe!
In seiner zu Herzen gehenden Ansprache hörte man auch immer wieder seine Dankbarkeit für seine Berufung zum Priester heraus. „Dass ich im Glauben froh geblieben bin, und sogar die Gnade des Priestertums erreichte, verdanke ich dem guten Beispiel und dem Gebet vieler Christen, die in der Liebe Gottes geblieben sind. Viele davon danken auch heute mit mir!" sagte er.  „Der Glaube ist letztendlich ein unverdientes Geschenk!", fuhr der Jubilar fort. „Doch er kann leider auch manchmal schwach werden!", gab er zu bedenken und verwies auf die Vertrauenskrise in der Kirche durch das schlechte Beispiel führender Glaubensboten! Es stehe uns aber nicht zu diese zu verurteilen, betonte er, denn auch sie hören die Worte Jesu „Bleibt in meiner Liebe!" „Wir dürfen niemanden von der Liebe ausschließen!"
Monsignore Herbert Hautmann war und ist ein Seelsorger mit Leib und Seele. Der Autor dieses Berichtes hatte schon vor 30 Jahren in der Presse veröffentlicht: „Wo dieser Pfarrer hinkommt, da geht die Sonne auf“. Und so hat an allen seinen Wirkungsstätten sein segenreiches Wirken, seine Güte, Liebe und Menschlichkeit bleibende Spuren hinterlassen, die in seinen jetzigen Seelsorgebereich „Fränkische Schweiz“ münden. Möge der Herr seinem treuen Diener weiterhin Gesundheit und Gnade schenken, dass er noch lange seinen vorbildlichen und bewährten Weg des Glaubens gehen kann.

Bernhard Kuhn

Auch das Sudetendeutsche Priesterwerk gratuliert Msgr. Herbert Hautmann zu seinem hohen Geburtstag. Der Jubilar ist ein langjähriges und verdientes Mitglied. Solang es seine Gesundheit zuließ war er ein treuer Teilnehmer der Jahrestagungen. Bis zur Beendigung der Visitatur gehörte er dem Konsultorenrat des Visitators an. Besonders die jährliche Vertriebenenwallfahrt nach Gössweinstein liegt ihm sehr am Herzen.
Herzliche Glück- und Segenswünsche zum Geburtstag!

Geschichte und Glaube im Schluckenauer Zipfel

Reise der „Freunde und Förderer von Maria Kulm“ ins deutsch-böhmische Niederland

Mit zwei Kleinbussen führte die 3-Tages-Fahrt entlang des Erzgebirges - Krušne Hory zur ersten Station in Aussig an der Elbe. Reiseleiter Herbert Baumann erzählte von der langen und oft leidvollen Geschichte der Stadt Ústí nad Labem. Besondere Beachtung fanden die Ereignisse von der Gründung der 1. Tschechoslowakischen Republik 1918 bis zur Vereinnahmung der böhmisch-deutschen Gebiete durch das Münchner Abkommen am 30.10.1938 ohne Beteiligung der Regierung in Prag. Der Weg führte über die Dr.-Edward-Beneš-Brücke bis zum Erinnerungsschild an das Massaker von Aussig am 31.8.1945, bei welchem durch Übergriff von einem militanten tschechischen Kommando über 100 Deutschstämmige, erkennbar an der weißen Armbinde, wahllos getötet wurden.
Eine weitere Station auf der Fahrt war die einstmals bedeutendste Stadt der böhmischen Glasbläserkunst in Nový Bor. Die Gruppe besuchte das Museum in Haida mit Einblick in die frühere Glasschmelze und Schleifwerkstätten. Zahlreiche Kunstwerke zeigten die Verarbeitung mit Kobalt, Perlmutt und Biskuittechnik. In der nahen Glasbläserei konnte die Gruppe das Zusammenwirken beim Schmelzofen und den verschiedenen Schritten vom Glaspfropfen bis zur fertigen Vase erleben. Der nächste Halt gehörte Jiřetín pod Jedlovou, St. Georgenthal am Tannenberg. Dort staunte die Gruppe über die große Kirche der Hl. Dreifaltigkeit. Beim Geburtshaus von Maria Ostermeier erzählte ihr Sohn Alfred, Initiator der Fahrt, über das Leben der Familie Woldrich bis zur Vertreibung. Auch die Enkel Sarah und Lena waren erstmals am Geburtshaus ihrer Oma, die später in Eschenbach lebte. Die Gruppe übernachtete in Warnsdorf an der Grenze zu Sachsen.
Anderntags ging es nach Rumburg. Dort besuchte die Gruppe das Heimatmuseum mit Darstellung des Familienlebens, der Handwerksberufe und der Geschichte der einstmals bedeutsamen Tuch- und Weberstadt. Ebenfalls stand die Loreto-Kirche der Jesuiten in Rumburk auf dem Programm. Fürst Anton Florian von Liebenstein ließ die Kirche des Hl. Laurentius, ein Kloster mit Kreuzgang, das Haus der Hl. Familie und die Hl. Stiege um 1700 erbauen. Noch heute kann man beim Betrachten der eindrucksvollen Bilder aus dem Marienleben im Rundgang diese Insel der Ruhe spüren, wo die Zeit immer noch nach eigenen Regeln zu laufen scheint. Im Anschluss ging es nach Philippsdorf zur neuromanischen Kirche „Maria – Heil der Kranken“. Nach einer nachgewiesenen Heilung von Magdalena Kade am 13. 1. 1866 entstanden Kirche und Gnadenkapelle. Die Wallfahrt zum bekanntesten Pilgerort in Nordböhmen Filipov wurde gefördert durch Papst Pius XI., welcher der Kirche den Titel „Basilika Minor“ verlieh, und den Besuch von Papst Johannes Paul II. Noch heute kommen viele Gläubige aus Sachsen, Thüringen und Tschechien in großer Zahl zu den Feierlichkeiten am Erscheinungstag, dem 13. Januar und an jedem 13. Monatstag. Zusammen mit der Gruppe sang Dekan Jozef Kujan SDB das Philippsdorfer Wallfahrtslied in deutscher und tschechischer Sprache. Der Nachmittag gehörte der Instrumentenbaufirma von Carl Bechstein in Seifhennersdorf. Die Gruppe bekam Einblick in die Entwicklung von Klavieren und Flügeln in 150 Jahren in der kleinen Stadt an der Mandau. Dazu entstand ein Konzertsaal für Aufführungen weltberühmter Künstler sowie ein Musikkaffee, das in vielen Bildern von Auftritten der Beatles bis Udo Jürgens erzählte. Der Abend gehörte der in einem Fabrikgebäude errichteten Brauerei „Kocour - Zum Schwarzer Kater“ mit einer großen beweglichen Uhr, bei welcher jede Stunde ein Bier erscheint.
Zum Abschluss ging es zum Wallfahrtsort in Maria Kulm - Chlum svaté Maří zwischen Eger und Falkenau. Dort staunte die Gruppe über die neuen Stufen entlang der Frontseite mit den beiden zeitgemäßen Stelen, die auf die Bedeutung der barocken Pilgerstätte von Christoph Dientzenhofer hinweisen. In der Gnadenkapelle feierte die Gruppe mit dem mitreisenden Pater Francis Plakkil eine Hl. Messe mit besonderem Gedenken an die verstorbenen „Freunde von Maria Kulm“. Besondere Beachtung fand das Gemälde des Engelkonzerts an der Ovaldecke sowie den Schrein der Gottesmutter am Gnadenaltar. Am Ende übergab die Gruppe eine Spende zum Beginn des neuen Wallfahrtsjahres an Propst Pater Milan Kučera vom Orden der Kreuzherren mit dem Roten Stern. Trotz des Armbruchs einer Teilnehmerin kam die Reisegruppe gut in die oberpfälzer Heimat zurück.

Herbert Baumann

 

Den Werten und dem Vorbild des Johannes Nepomuk verbunden

In Kasing bereichert eine diesem Heiligen gewidmete Bruderschaft das Pfarrleben

Der 16. Mai ist der Gedenktag für den heiligen Johannes Nepomuk. Im Umfeld dieses Termins finden vielerorts bis heute Veranstaltungen zu dessen Verehrung statt. So auch traditionell am Sonntag vor Pfingsten in Kasing (Landkreis Eichstätt, Bistum Regensburg), wo es seit 1748 eine „Bruderschaft zu Ehren des heiligen Priesters und Märtyrers Johannes Nepomuk“, so der ausführliche Name, gibt.
„Bruderschaft?“ Ist eine solche Vereinigung noch zeitgemäß, möchte man angesichts der gesellschaftlichen Entwicklungen fast fragen. Ein Relikt aus alten Zeiten, wo schon der Name – zumindest in gewissen Kreisen – auf Kritik stößt. Gender-Anhängern kann aber Paroli geboten werden. Denn von den aktuell ca. 300 Mitgliedern sind jeweils zur Hälfte Frauen und Männer, in der Vorstandschaft wirken fünf Männer und drei Frauen, wobei die vier Hauptposten paritätisch besetzt sind. Seit 28. Januar 2004 gilt diese Struktur, zu Gründungszeiten bis ins späte 19. Jahrhunderts leiteten der Bruderschaftspfleger, der Präses und der Stiftungsrat die Geschicke. In den späten 1880er und den 1890er Jahren gab es Unregelmäßigkeiten beim Geld, konkret Unterschlagung von Stiftungsgeldern und Veruntreuung von Stiftungsvermögen. Damit einher ging ein Vertrauensverlust, der lange Zeit nicht zurückgewonnen werden konnte. Der Präses (Pfarrer) war bis ins späte 20. Jahrhundert alleiniger Repräsentant und Aktivposten der Bruderschaft, der Gottesdienst zum Nepomuk-Gedenktag die einzige Veranstaltung.
Der 33 Jahre in Kasing wirkende Pfarrer Georg Seitz rückte in den letzten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts mit verschiedenen Aktionen die Bruderschaft und das Hauptfest wieder stärker in den Fokus. Die neuen und bis heute geltenden Strukturen wurden unter Seitz’ Nachfolger Eugen Wismeth geschaffen: es wurde eine Vorstandschaft gewählt, die sich um die Mitglieder (damals gut 450 – größte kirchliche Pfarrgruppe) und das Titularfest kümmert. Ferner obliegen der Vorstandschaft organisatorische Belange wie Mitgliederliste und -kontakte, Dokumentation, Finanzen und deren Verwendung usw. Dabei wurden auch der Zweck der Bruderschaft sowie die „Allgemeinen Verpflichtungen der Bruderschafts-Mitglieder“ neu festgelegt.
„Der Zweck der Bruderschaft ist es, die Ehre Gottes durch keine Todsünde zu verletzen, besonders nicht durch schlechte Reden; die Ehre des Nächsten nicht zu mindern durch verleumderische oder ehrabschneidende Reden; die eigene Ehre nicht zu verletzen durch die Sünde“ – nachzulesen in der im Jahr 2010 erschienenen Broschüre der Bruderschaft. Nicht zu vergessen ist die grundsätzliche Intention einer jeden Bruderschaft, dass sich die Mitglieder gegenseitig helfen sollen. Detailliert sind auch die Pflichten der Bruderschafts-Mitglieder festgehalten:
Führen eines christlichen Lebens
Gottesdienstbesuch, Teilnahme am Pfarrleben, Übernahme von Aufgaben in der Pfarrei
Sorge für einsame, alte und kranke Pfarrangehörige
Mitfeiern der heiligen Zeiten des Kirchenjahres und des Bruderschaftsfestes sowie Empfang der heiligen Sakramente (Beichte, Kommunion)
Sorge für die rechte Erziehung der Kinder und Jugendlichen, Gebet für diese und Wirken als Vorbild und Beispiel
Einsatz für das vorrangige Recht der Eltern auf die Erziehung ihrer Kinder
Teilnahme an Gottesdiensten für verstorbene Bruderschafts- und Pfarrmitglieder
(Rosenkranz)Gebet für verstorbene Bruderschaftsmitglieder
Mit der Renovierung im Jahr 1735 hatte das Kasinger Gotteshaus im Deckengemälde mehrere bildliche Hinweise auf Johannes Nepomuk erhalten, der rechte Seitenaltar ist ihm seither gewidmet. Mit der Innenrenovierung im Jahr 1902 wurden die Deckengestaltung und damit die Nepomuk-Aspekte entfernt, die Ausgestaltung des Nepomuk-Altars wurde wohl zu Beginn des 19. Jahrhunderts in Folge von Aufklärung und Säkularisation reduziert.
Blicken wir nun aber auf heute. Es fehlen nicht nur diese visuellen, bildhaften Elemente – oft mangelt es grundsätzlich an Inhalten und Bezügen zu Kirche, Religion und Glauben. Daher gibt es viele Ansätze zur Neuevangelisierung, neue Methoden der Vermittlung von Inhalten zu diesen Themen. Kann die Nepomuk-Bruderschaft dazu etwas beitragen?
„Drei, vier Kinder und einige Erwachsene konnten wir im vergangenen Jahr aufnehmen“, berichtet Thomas Girtner, der 1. Vorsitzende der Bruderschaft. Erwähnt sei, dass 2023 das 275-jährige Jubiläum begangen wurde. Frühere Fakten, etwa dass alle Kommunionkinder aufgenommen wurden, sind heute passé. Der Ansatz, gezielt Firmkinder anzusprechen, hat sich jedoch bewährt, erläutert Girtner. Bei der Bruderschaft läuft dies über eine „Angelobungs-Formel“, die – mit ihrem Namen versehen – den Buben und Mädchen, die gefirmt wurden, ausgehändigt wird. Damit kann zumindest eine Beschäftigung mit Aspekten des Glaubens und speziell Johannes Nepomuk einhergehen. Ein Wunsch Girtners ist ein Transfer dieser traditionellen Formel in eine jugendgerechte Sprache, das würde die Chancen verbessern. Haben die an der Bruderschaft Interessierten ihren Zettel abgegeben und damit die Bereitschaft bekundet, erhalten sie das Aufnahmezeugnis und sprechen beim Bruderschaftsfest ihr Gelöbnis. Da aber heute viele Kinder in anderen Orten in die Mittelschule und weiterführende Schulen gehen, gestaltet sich der Kontakt zu den Mädchen und Buben schwieriger.
Realistischerweise erwähnt Girtner, dass die Neulinge meist Angehörige oder Verwandte von Mitgliedern sind. Doch nicht selten kommt es auch zu Nachfragen und Gesprächen mit Erwachsenen, vor allem Neubürgern in Kasing, die noch wenig Kenntnis von der Bruderschaft haben. So können Wissensdefizite beseitigt und Kontakte zur Bruderschaft und damit zur Pfarrgemeinde und Kirche hergestellt – mitunter auch allgemeine Fragen zu Glaube, Kirche und Religion beantwortet werden. So kommt es vor, dass auch Personen außerhalb – Neubürger oder Leute aus Nachbarorten – beitreten.
Nicht unerwähnt soll bleiben, dass die Einladung bzw. Erinnerung an die Mitglieder zum Bruderschaftsfest mit der Bitte um eine Spende verbunden ist. So kommen jedes Jahr beträchtliche Beträge zusammen – für Messstipendien sowie weitere kirchliche Projekte. So etwa für die Außenrenovierung der Pfarrkirche, für den aus Kasing stammenden und in Bolivien als Missionar tätigen Franziskanerpater Miguel Brems (1926 – 2022), für Projekte der in der Pfarreiengemeinschaft wirkenden Vikare aus Afrika oder zum Kauf bzw. für die Reinigung von Messgewändern und liturgischen Gegenständen. Direkt oder indirekt kann man das auch als Unterstützung der Neuevangelisierung sehen.
Grundsätzlich sorgt sich die Bruderschaft natürlich um ihre Zukunft und sucht zeitgemäße Konzepte und Ideen dafür. Denn Ziel ist, auch das 300-jährige Jubiläum feiern zu können.

Markus Bauer

Die deutschsprachige Pfarrei in Prag

Es ist eine der schönsten Kirchen der Stadt, in der die deutschsprachige Pfarrei in Prag zu Hause ist, und das will im an Kirchen reichen Prag etwas heißen. Der Barockbaumeister Kilian Ignaz Dientzenhofer hat die Kirche St. Johannes Nepomuk auf dem Felsen am Karlsplatz entworfen, überreich ist ihr Gewölbe mit Fresken verziert und die Statuen und Seitenaltäre sind auch für Kunsthistoriker bemerkenswert. In diesem prächtigen historischen Rahmen spielt sich das Leben der deutschsprachigen Gemeinde ab, die 2016 zur eigenständigen Pfarrei erhoben wurde, damals noch unter dem inzwischen emeritierten Prager Erzbischof Dominik Kardinal Duka. Für die deutschsprachige Gemeinde war das eine große Auszeichnung: Nicht viele Auslandsgemeinden in Tschechien haben einen solchen Status. Die Erhöhung hing sicherlich auch damit zusammen, dass die deutschsprachige Gemeinde in den vergangenen Jahren ein reges Leben entfaltet, das auch weit über den Kreis ihrer Mitglieder hinaus Aufsehen erregt. Die Sonntagsgottesdienste sind gut besucht, junge Familien sind engagiert dabei, es gibt regelmäßige Konzerte in der Pfarrkirche, eine aktive Teilnahme bei der Sternsingeraktion, ein buntes Programm am Adventsmarkt der Pfarrei und anderen Feierlichkeiten. Und bei der alljährlichen „Lange Nacht der Kirche“ gehört das Programm, das die Gemeinde auf die Beine stellt, regelmäßig zu den am stärksten frequentierten.
„Das Gemeindeleben hier hat mich von Anfang an begeistert“, sagt Pfarrer Lothar Vierhock, der erst seit dem vergangenen Herbst in Prag ist und viele Erfahrungen aus dem Bereich der Auslandsseelsorge mitbringt: Zuvor war er von seinem Heimatbistum Dresden-Meißen aus für einige Jahre nach Hongkong und zuletzt an die deutschsprachige Gemeinde Moskau entsandt worden. „Es sind viele Kleinigkeiten, die mir sehr gut gefallen. Ich freue mich zum Beispiel immer, wenn wir regelmäßig nach dem Gottesdienst unser Kirchencafé halten, das im wunderbaren Garten vor der Kirche stattfindet“, sagt Lothar Vierhock. Während die Kinder durch den Garten toben, gibt es für die Erwachsenen Kaffee, Kuchen und manchmal sogar frisch gezapftes Bier und bayerische Weiß-würste. Es ist eine Vielzahl von weiteren
Aktivitäten, die das Gemeindeleben in Schwung hält – geplant ist beispielsweise eine gemeinsame Wallfahrt, unlängst fand ein Einkehrtag statt und jedes Jahr gehen Kinder zur Erstkommunion. Alle zwei Jahre wird überdies gefirmt. Eine Besonderheit ist die gute Verwurzelung der Gemeinde im deutsch-tschechischen Umfeld. Der Kontakt zur deutschen und österreichischen Botschaft sowie zu den Vertretungen der Freistaaten Bayern und Sachsen ist ausgezeichnet, ebenso wie zum verzweigten Netzwerk der deutschsprachigen Organisationen und Verbände in Tschechien. Besonders stolz ist die Gemeinde auch auf den engen und freundschaftlichen Draht zur evangelischen Schwestergemeinde. Traditionell gibt es mehrmals im Jahr ökumenische Gottesdienste und die Veranstaltungsreihe „Reden über Religion“ in der deutschen Botschaft. Zudem sind gemeinsame Ausflüge geplant – und Pfarrer Lothar Vierhock gibt zusammen mit seiner evangelischen Kollegin den Religionsunterricht an der Deutschen Schule Prag.

Kilian Kirchgeßner
Quelle: „Der Ackermann“ 1-2024, S. 10

Es gibt keine größere Liebe, als wenn einer sein Leben für seine Freunde hingibt

Ein Martyrologium der katholischen Kirche in den böhmischen Ländern im 20. Jahrhundert

„Das Christentum ist die Religion der Historiker“, schrieb der französische Historiker jüdischer Herkunft Marc Bloch in seiner Apologie der Geschichtswissenschaft oder „Der Beruf des Historikers“. Für die Beteiligung am antinazistischen Widerstand wurde er im Jahr 1944 hingerichtet. Seine Worte und sein Schicksal können wir als Sinn der Bedeutung der fünfzehnjährigen Arbeit des tschechischen Historikers Jan Stříbrný und seines vierzigköpfigen Mitarbeiterteams auffassen. Letztes Jahr zu Ostern stellten sie das Buch „Märtyrer und Opfer für Christus: Ein Martyrologium der katholischen Kirche in den böhmischen Ländern im 20. Jahrhundert vor“. Im Leben der katholischen Kirche in Tschechien stellt das Buch eine außerordentliche Tat dar, welche auch vom historischen Gesichtspunkt für das Kennenlernen der Zeit der Diktaturen, die nahezu die Hälfte des 20. Jahrhunderts in ganz Mitteleuropa plagten, nutzbringend ist.
Das biografische Wörterbuch enthält Berichte über 260 Märtyrer und Opfer aus den Reihen von Geistlichen und Laien aus den böhmischen Ländern. Die Publikation umfasst die Opfer des Nazismus und des Kommunismus und auch die Opfer aus der Zeit der Vertreibung der deutschen Bevölkerung seit Ende des Zweiten Weltkriegs. Die Tatsache, dass in einem Überblick die Glaubenszeugen angegeben sind, die das irdische Leben für Christus verloren haben, nicht nur tschechischer, sondern auch deutscher und polnischer Nationalität, Österreicher, Juden und Ukrainer sind, bedeutet, dass die tschechische Kirche bereits das einst bestimmende Geschichtsbild aufgab und zu jenem Teil der tschechischen Gesellschaft gehört, die das Erbe des Nationalismus loswerden will.
Das Martyrologium der tschechischen katholischen Kirche im 20. Jahrhundert ist nicht nur eine Chronik der Beziehung zwischen Staat und Kirche in Mitteleuropa in der Epoche der späten Neuzeit. Es ist auch eine überzeugende Aussage, über eine nicht überzeugende Botschaft der heutigen Zeit, hinsichtlich der Fähigkeit, die Parolen „Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit“ zu erfüllen, welche die säkularen fortschrittlichen Ideologien durchsetzten und mit denen sie stets operieren. Das tschechische Martyrologium bietet uns die Bestätigung der gültigen Erfahrung, dass die totalitären Regime des 20. Jhdts., sowie die gegenwärtigen Diktaturen, Feinde Christi, der Kirche und der Gesellschaft sind. Die heutige Kirche in der Welt leidet unter Verfolgung im größeren Maß als früher, die moderne Zeit brachte die versprochene Toleranz nicht. Wir haben daher die Pflicht, an alle verfolgten Christen mehr zu denken und für sie zu beten und obwohl wir unser Leben in Bequemlichkeit genießen, das uns der westliche Lebensstil anbietet, sollten wir solidarisch mit der verfolgten Kirche in vielen Ländern der heutigen Welt sein.
Märtyrer für Christus sind diejenigen, die Entschlossenheit bewiesen, treu gegenüber dem Evangelium zu sein, als sie den Aufruf Christi befolgten und ihr Kreuz nahmen und ihm nachfolgten. Sie passten sich dem Bild unseres Erlösers an, wenn sie sich entschieden haben, alles auf dieser Welt zu verlieren, den Weg von Niederlage zu Niederlage zu gehen, Demütigung und Leiden auf sich zu nehmen, um ihre Seele zu retten und das ewige Leben zu erlangen. Hunderte von Männern und Frauen, Märtyrern und Märtyrerinnen, erstrahlen heute in der Herrlichkeit Gottes. Sie haben die Reihen der tschechischen Heiligen in einer ungewöhnlichen Zahl und Weise erweitert.
Der Hl. Paulus offenbarte uns den Sinn des menschlichen Leidens und Opfers: „Jetzt freue ich mich in den Leiden, die ich für euch ertrage. Für den Leib Christi, die Kirche, ergänze ich in meinem irdischen Leben das, was an den Leiden Christi noch fehlt. Ich diene der Kirche durch das Amt, das Gott mir übertragen hat, damit ich euch das Wort Gottes in seiner Fülle verkündige“ (Kol 1, 24-25). Zeugnisse, mit dem eigenen Blut besiegelt, erinnern uns heute eindringlich daran, dass die Kirche eine Gemeinschaft ist, welche nicht nur eine irdische und vorübergehende Dimension hat. Schließlich hat Christus denjenigen die ihm folgen, nicht Erfolg, Wohlstand und irdischen Ruhm versprochen. Christen sind nicht von „dieser Welt“, aber haben ihr wahres Zuhause von ihrem himmlischen Vater bereitet bekommen. Die Christen sind bereits Bürger des himmlischen Reichs und durch ihr irdisches Pilgern sollen sie „Salz der Erde“ sein, das die Gegenwart verändert. Durch das Zeugnis unseres Lebens verwirklichen wir das Reich Gottes schon hier auf Erden. Die Hingabe der Märtyrer brachte, wie wir immer wieder sehen, reichhaltig Nutzen, welches sich nach dem Jahr 1989 bei der Erneuerung der Kirche und Gesellschaft, verwüstet durch die Vorherrschaft der beiden totalitären Regime, zeigte.
Allein das Wesen der Kirche und Liturgie selbst, verbindet die gegenwärtige Kirche mit der Vergangenheit, sowie mit der Zukunft und der Ewigkeit. Es ist offensichtlich, dass sich mit dem Beitrag der Christen und auf der Grundlage der christlichen Geschichts- und Gesellschaftsauffassung in Tschechien ein schwieriger Prozess der Vergangenheitsbewältigung verwirklicht. Die Grundlagen einer funktionierenden Gesellschaft können nicht auf dem Fortbestehen von Ungerechtigkeit und Gesetzlosigkeit aufgebaut werden. Denn dann ist es unmöglich, eine menschenwürdige Ordnung der öffentlichen Angelegenheiten zu finden, welche aus Gottes Vorhaben und einer Schöpfungsordnung hervorgehen. Das Streben nach Gerechtigkeit hat sich in dem Bemühen gezeigt, die Ungerechtigkeit zu überwinden und die Verbrechen zu bestrafen. Es waren notwendige Wegweiser, die den Weg zu einer freien Gesellschaft zeigten, deren Preis durch die Opfer der tschechischen Märtyrer des 20. Jahrhunderts bezahlt wurde. Es war kein leichter Weg. Vieles ist bisher noch nicht erreicht, vielen bleiben wir immer noch etwas schuldig, in einigen Bereichen haben wir auch versagt. Trotzdem ist das Bewusstsein über die Richtigkeit dieses Weges heute völlig ohne Diskussion. Die wahre Erkenntnis über die Vergangenheit ist die Voraussetzung für die gegenwärtige Gerechtigkeit, sowie eine der Garantien für zukünftige Gerechtigkeit. Ohne die Erkenntnis der Vergangenheit, verpassen der Mensch und die Gesellschaft einen notwendigen Prozess der Buße, der Vergebung und der Versöhnung. Gemäß den Worten des Historikers, kann das Christentum daher berechtigt als „die Religion der Historiker“ bezeichnet werden. Im Gegenteil können wir ergänzen, dass die Geschichte sich über die andauernde Aufmerksamkeit der Christen und der Kirche erfreut. Für einen gläubigen Menschen ist es notwendig, diejenigen im Gedächtnis zu behalten, die mit ihrem Leben Christus bezeugten. Durch die Märtyrer ist Gott immer noch in der Geschichte sichtbar präsent. Für die Kirche sind Märtyrer ein Grund, um Gott zu loben und Dankbarkeit zu äußern.
Das Leben der Kirche und die Erkenntnis des Weges, den die Länder Mitteleuropas in den vergangenen dreißig Jahren zurücklegten, sind eine überzeugende Bekräftigung der Richtigkeit der Ablehnung einer der utopischen Visionen, welche sich nach dem Fall des Nazismus und vornehmlich des Kommunismus anboten, und die als „dicken Strich hinter der Vergangenheit“ bezeichnet wurden. Eine weitere Lehre für die heutigen Tage, die uns die Märtyrer aus den böhmischen Ländern mit ihrem Leben hinterlassen haben, ist, dass die geistige Zerbrechlichkeit der gegenwärtigen europäischen Gesellschaft eine festere Verankerung in Christus erfordert. Die zahlreichen Reihen der neuen und sicherlich bald kanonisierten Heiligen stellen für uns eine Herausforderung dar, damit wir keine Angst haben, ihrem Lebensweg zu folgen. Wir leben in einer Zeit, in der uns viele Gefahren nicht drohen, in der nicht unser irdisches Leben auf dem Spiel steht, sondern umso mehr unser ewiges Leben.

Tomáš Drobný
Übersetzung: Dominika Novotná

Märtyrer und Opfer für Christus. Ein Martyrologium der katholischen Kirche in den böhmischen Ländern im 20. Jahrhundert. Jan Stříbrný und Koll. Prag 2023, Karmelitánské nakladatelství, Academia.

„Oskar Schindler – Lebemann und Lebensretter“

Sonderausstellung im Sudetendeutschen Haus vom 07.06. bis 27.10.2024

Der sudetendeutsche Unternehmer Oskar Schindler (1908-1974) aus Zwittau/Svitavy im mährischen Schönhengstgau rettete gemeinsam mit seiner Frau Emilie 1200 Judenvor den Vernichtungslagern der Nationalsozialisten. Dieser Akt der Menschlichkeit und Zivilcourage wurde erst 1993 mit dem Spielfilm „Schindlers Liste“ einer breiten Öffentlichkeit in der Welt bekannt.
Lebensstil und Lebenswandel Oskar Schindlers entsprechen nicht den allgemeinen Vorstellungen von einem Helden. Leichtfertiger
Umgang mit Geld und mit Frauen, die Tätigkeit als Agent der Wehrmachtsspionage und als Kriegsgewinnler zeichnen eher das Bild
eines charakterschwachen Menschen. Aber in den dunkelsten Stunden Europas während des zweiten Weltkrieges und der Schoah wurden aus dem Lebemann Schindlerder Lebensretter Schindler und aus den Geretteten die „Schindlerjuden“.
Aus Anlass des 50. Todestages von Oskar Schindler am 9. Oktober 2024 erzählt das Sudetendeutsche Museum in einer Sonderausstellung in zehn Kapiteln die Geschichte seines Lebens und seiner Rettungsaktion. Nach der Ausstellungseinführung „Oskar Schindler – Lebemann und Lebensretter“ titeln die weiteren Kapitel: Heimat in Mähren – Der Lebemann – Das Rad im NS-Getriebe – Der Unternehmer – Schindlers Liste(n) – Die Lebensretter Oskar und Emilie – Vom Retter zum Geretteten – Schindlers Koffer – Würdigungen.
Zu Oskar Schindlers persönlicher Tragik gehört, dass er nach dem Krieg trotz massiver Bemühungen seiner jüdischen Freunde
weder wirtschaftlich noch privat Fuß fassen konnte und am Ende seines Lebens nahezu vergessen war.
Im Zentrum der Ausstellung stehen die berühmten Listen Schindlers, von denen mehrere Fassungen erstellt wurden. Erstmalig
wird der Öffentlichkeit das Original einer zweiseitigen Liste vom 29. Januar 1945 präsentiert. Dieses wertvolle Zeitdokument
enthält die Namen von 81 jüdischen Häftlingen aus dem KZ Golleschau/Golezów, einem Nebenlager des KZ Auschwitz. Die
Insassen dieses Transportes zählten nicht zu den über 1000 Personen, die Schindler aus seiner Fabrik in Krakau rettete. Aus
Menschenliebe nahm Schindler diesen und zwei weitere Transporte auf. Ihm und seiner Frau Emilie gelang im mährischen Brünn
litz/Brněnec die Lebensrettung der meisten Juden aus diesen Transporten. Die 1098 Namen der durch den Film bekannt gewordene Liste vom 18. April 1945 werden in einer aufwändigen Installation visualisiert. In weiteren Audio- und Audiovideostationen kommen Gerettete zu Wort. Der Schauspieler Friedrich von Thun verleiht Schindler für dessen bewegende Abschiedsrede am 8. Mai 1945 seine Stimme.

Quelle: Sudetendeutsches Museum