Inhalt 2025-2
Vorwort des Vorsitzenden
Festgottesdienst beim Sudetendeutschen Tag
Predigt von Bischof Dr. Rudolf Voderholzer
Aufarbeitung der Geschichte und der eigenen Schuld ist eine Daueraufgabe
Versöhnte Nachbarschaft
Kann die Kirche in Tschechien, Polen und Deutschland Heimat sein?
Unsere Märtyrer
Im Mai 1945 verblühten in Odrau 42 Blumen …
Eisernes Priesterjubiläum von Monsignore Herbert Hautmann
Personalia
Vorwort des Vorsitzenden
Liebe Mitglieder und Freunde des Sudetendeutschen Priesterwerks!
Das war doch mal ein katholisches Ostern! Wie vor 20 Jahren ging eine starke Persönlichkeit auf dem Stuhl Petri in der Osteroktav heim zum Herrn. Der letzte Segen wird bei beiden, Johannes Paul II. und Franziskus, beeindruckend in Erinnerung bleiben. Und wieder folgt ein Mann, der zuletzt nicht aus der Seelsorge als Diözesanbischof, sondern aus der Kurie stammt, wenn es bei Benedikt dem XVI. auch wenige Jahre in München und lange in Rom waren. Wieder ein Mann dessen Töne getragener und vielleicht auch wohl abgewogener sind. Bei Josef Ratzinger die große Theologie, die übrigens mit einer Dissertation über „Volk und Haus Gottes in Augustins Lehre von der Kirche“ anhob, bei Robert Prevost, dem Augustiner, das vielfältige Charisma der Leitung.
Schon vor 20 Jahren ging die Live-Aufnahme vom Schornstein und seinen Rauchzeichen über die Bildschirme, aber was nun, in Zeiten von Social Media alles möglich war und gesendet wurde, war schon noch einmal ein ganz anderes Kaliber. Natürlich wendet sich die Aufmerksamkeit der Welt jetzt wieder anderen Dingen zu, aber vier Wochen lang in einer solchen Präsenz, Breite und Top unter den Quoten zu sein, war schon so etwas wie eine kleine Frischzellenkur für uns mitteleuropäische Katholiken, die seit Jahren den Eindruck haben, gesellschaftlich abgeschrieben oder allenfalls angekreidet zu werden.
Einmal mehr wurde und wird sichtbar, wie Gott geheimnisvoll verborgen aber ganz klar wirkt, nicht nur in der kollektiven Dankbarkeit für ein Menschenleben oder in einer beeindruckenden Wahl, sondern auch in vielen Herzen, die sich berühren, ja erschüttern lassen. Nun ist es an jedem von uns, beständig auf diesen GOTT-mit-uns hinzuweisen, ihn ins Gespräch zu bringen, dem offensichtlich starken Strom der göttlichen Gnade unsere kleinen Wassertropfen des Glaubens, der Hoffnung und der Liebe zuzuführen – und dazu zähle ich auch unser treues Zeugnis in der Arbeit des Sudetendeutschen Priesterwerkes. Eine interessante Lektüre und eine gottvolle Zeit wünscht Ihnen allen.
Ihr
Pfr. Holger Kruschina
Festgottesdienst beim Sudetendeutschen Tag
Verbindung von Völkern, Mentalitäten und Sprachen durch den Heiligen Geist
„Vielleicht ist der heutige Pfingsttag ja auch dazu angetan, dass sich die Tränen des heiligen Wenzislaus wieder einmal aus Tränen der Trauer und des Schmerzes in Tränen der Freude verwandeln!“ Diese Botschaft richtete der Regensburger Bischof Dr. Rudolf Voderholzer beim Pontifikalamt im Rahmen des Sudetendeutschen Tages an die Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Eucharistiefeier. In Anlehnung an eine Passage aus Otfried Preußlers Buch „Die Flucht nach Ägypten“ motivierte der Oberhirte zu einer im christlichen Glauben fundierten Aufarbeitung von Geschichte sowie von erlittenem Leid und Schicksal.
„Dieser Pontifikalgottesdienst ist für viele von uns der Höhepunkt“, stellte Monsignore Dieter Olbrich, Präses der sudetendeutschen Katholiken und zugleich Geistlicher Beirat der Ackermann-Gemeinde, in seiner Begrüßung fest. Als „besondere Auszeichnung“ würdigte er die Tatsache, dass Bischof Voderholzer „an Pfingsten zu uns kommt, um die heilige Messe mit uns zu feiern“ – trotz Verpflichtungen besonders an diesem Hochfest im Dom. Ebenso hieß Olbrich Monsignore Adolf Pintíř willkommen, der in Vertretung der Tschechischen Bischofskonferenz kam und Vorsitzender der Sdružení Ackermann-Gemeinde ist.
Auf die bereits seit 1951 bestehende Patenschaft der Stadt Regensburg für die gesamte Sudetendeutsche Volksgruppe verwies Bischof Voderholzer in seiner Begrüßung ebenso wie auf seine böhmischen Wurzeln mütterlicherseits in Kladrau und den nördlichsten Punkt der Donau, des viele Völker und Länder verbindenden Flusses, bei Regensburg. „Im Gebet sind wir auch verbunden mit unseren verstorbenen Angehörigen und den Opfern von Kriegen, Terror und Vertreibung“, leitete der Oberhirte zur Liturgie über.
In seiner Predigt erinnerte er zunächst an das Ende des Zweiten Weltkriegs vor 80 Jahren im Mai in Europa und im August in Japan und an die anschließende in mehreren Phasen bis 1946 und zum Teil darüber hinaus erfolgte Vertreibung der Sudetendeutschen. Ebenso rief er den ersten Sudetendeutschen Tag zu Pfingsten 1950 in Kempten in Erinnerung und die am 5. August 1950 proklamierte Charta der deutschen Heimatvertriebenen. Diese sei „mit dem ausdrücklichen und bedingungslosen Verzicht auf Rache und Vergeltung und der Feststellung verknüpft, dass das Recht auf Heimat ein heiliges Menschenrecht darstellt. Möglich war diese Charta auf der Basis des christlichen Glaubens, der Botschaft von Pfingsten von der völkerverbindenden, Sprach- und Mentalitätsgrenzen überschreitenden Einheit der Völker und der darin gründenden Vision eines vereinten Europa auf der Basis des christlichen Glaubens“, legte Bischof Rudolf dar.
Als Fügung betrachtet der Regensburger Bischof, dass genau am Tag, an dem sich zum 80. Mal in Europa das Ende des Zweiten Weltkrieges jährte, der neue Papst Leo XIV. gewählt wurde. „Nicht nur seine ersten Worte, sondern auch seine Lebensgeschichte verweisen uns auf eine wahrhafte pfingstliche Existenz, die in der Kraft des Heiligen Geistes Völker, Mentalitäten und Sprachen verbindet, Brücken bauen und vielleicht auch einen Beitrag zum Weltfrieden leisten kann“, führte der Bischof aus. So waren ja die ersten Worte Papst Leos die dem Pfingstevangelium entnommenen Worte des von den Toten auferstandenen Christus „Der Friede sei mit euch allen!“ Bischof Voderholzer dazu: „Der Friede sei mit euch, kein Wort der Anklage, der Vergeltung oder gar der Rache, sondern ein Wort der Versöhnung und des Friedens von Seiten Jesu.“ Kurz streifte der Bischof die wichtigsten Lebens- und Wirkungsstationen des neuen Papstes und sprach von einer „Biographie, die wahrlich alle Dimensionen der pfingstlichen Universalität verbindet. Das ist ein Geschenk des Heiligen Geistes für die Kirche und für die ganze Welt. Ein Zeichen der Hoffnung in einer Welt, die in so vielfältiger Weise aufgebracht und verunsichert und zerrissen ist. (…) Wir können nur hoffen und beten, dass das Wirken von Leo XIV. reich gesegnet sei an Früchten des Friedens und der Völkerverständigung“, so Bischof Voderholzer abschließend zu diesem Aspekt seiner Ansprache.
Schließlich erinnerte er an den Friedensbeitrag des Schriftstellers Otfried Preußler, dessen jugendliche NS-Aktivitäten kürzlich zu heftigen Diskussionen geführt hatten. „Dies ist wahrlich nicht zu bagatellisieren oder kleinzureden. Aber Otfried Preußler hat das mehrjährige Fegefeuer russischer Kriegsgefangenschaft durchgemacht und dann sein Wirken als Pädagoge, Schulleiter und schließlich Schriftsteller in den Dienst einer Friedenspädagogik gestellt, die sich wahrlich sehen lassen kann“, konkretisierte Bischof Rudolf. Als Beispiel nannte er Preußlers Roman „Krabat“ - ein Meisterwerk, das zur Weltliteratur zähle. Darin zeige Preußler den Weg der Befreiung aus den todbringenden Fängen des Totalitarismus auf, „allein die Kraft der Liebe lässt schließlich das Regime der dunklen Mächte von Ausbeutung, Manipulation und Menschenverachtung in sich zusammenstürzen“, interpretierte der Bischof Preußlers Botschaft. Darüber hinaus hätten auch viele von Preußlers weiteren Büchern, so der Bischof, eine „anti-totalitäre Botschaft“.
Ein weiteres Motiv – „Die Tränen des heiligen Wenzislaus“ - entnahm Bischof Voderholzer Preußlers Buch „Flucht nach Ägypten. Königlich Böhmischer Teil“ – bekanntlich Preußlers Aufarbeitung des Verlustes seiner böhmischen Heimat. Der Oberhirte las eine kurze Passage des Streitgesprächs zwischen zwei extrem nationalistischen gesinnten Herren, einem Tschechen namens Bělohlávek und dem Deutschen Weishäuptl, die fast unversöhnlich wegen der Ortsnamen streiten. Das sorgt beim Heiligen Wenzislaus für bittere Tränen über sein Land und die beiden Völker - und für ein Bittgebet. „Vielleicht, liebe Schwestern und Brüder, liebe Landsleute von diesseits und jenseits der Grenze, ist der heutige Pfingsttag ja auch dazu angetan, dass sich die Tränen des heiligen Wenzislaus wieder einmal aus Tränen der Trauer und des Schmerzes in Tränen der Freude verwandeln“, schloss Bischof Voderholzer seine Predigt.
Am Ende des Gottesdienstes bedauerte Monsignore Pintíř, dass er nur in seinem eigenen Namen bzw. als Vorsitzender der Sdružení Ackermann-Gemeinde sprechen könne. Auch er erinnerte an das 80-jährige Gedenken des Kriegsendes und der Folgen. Aber auch an einen Ausspruch seiner Mutter über die Sünden: eine schwere Sünde hat schwere Folgen. Damit deutete Pintíř die Folgen von Krieg und Vertreibung an und fragte, wie diese schweren Folgen zu heilen seien. „Ein gutes Wort, egal wie groß es ist, trägt zur Heilung bei. Das ist das, was wir hier erfahren. Durch gute Worte heilen wir diese schweren Taten und schweren Folgen, die vor Jahrzehnten geschehen sind. Auch das ist Pfingsten“, meinte der tschechische Priester. Er brachte diesen Aussöhnungsprozess auch mit dem Synodalen Weg in Verbindung – und zwar im Sinne von „Wir sind auf einem Weg und wir sprechen miteinander. Und das tun wir hier, und das machen wir weiter. Das wird die Welt heilen!“
Markus Bauer
Predigt von Bischof Dr. Rudolf Voderholzer
Aus Krieg und Vertreibung lernen. Für Frieden und Freiheit kämpfen
Liebe Landsleute, liebe Schwestern und Brüder im Herrn!
Am 8. Mai dieses Jahres – es ist heute auf den Tag genau einen Monat her – jährte sich zum 80. Mal der Tag, an dem der Zweite Weltkrieg durch die bedingungslose Kapitulation Nazi-Deutschlands - in Europa zumindest – zu Ende ging. Wir wissen alle, dass in Asien erst der Abwurf der ersten Atombomben im August 1945 Japan in die Knie zwang, vor allem aber auch, dass mit dem Ende des Krieges ein anderes Verbrechen seinen Anfang nahm, die Vertreibung der Sudetendeutschen aus ihrer Heimat, die sich mit ihren verschiedenen Phasen dann bis 1946 und teilweise darüber hinaus hinzog.
Am Pfingstfest 1950, also vor 75 Jahren, fand in Kempten der erste Sudetendeutsche Tag statt. Und am 5. August 1950 wurde die „Charta der deutschen Heimatvertriebenen“ proklamiert, die mit dem ausdrücklichen und bedingungslosen Verzicht auf Rache und Vergeltung die Feststellung verknüpfte, dass das Recht auf Heimat ein heiliges Menschenrecht darstellt. Möglich war diese Charta auf der Basis des christlichen Glaubens, der Botschaft von Pfingsten von der völkerverbindenden, Sprach- und Mentalitätsgrenzen überschreitenden Einheit der Völker und der darin gründenden Vision eines vereinten Europa auf der Basis des christlichen Glaubens.
Ich betrachte es als eine Fügung, dass genau an diesem Tag, da sich das Kriegsende zum 80. Mal jährte, die nach dem Tod von Papst Franziskus in Rom zum Konklave versammelten Kardinäle überraschend schnell schon im vierten Wahlgang einen neuen Papst gewählt haben, Leo XIV. Nicht nur seine ersten Worte, sondern auch seine Lebensgeschichte, verweisen uns auf eine wahrhafte pfingstliche Existenz, die in der Kraft des Heiligen Geistes Völker, Mentalitäten und Sprachen verbindet, Brücken bauen und vielleicht auch einen Beitrag zum Weltfrieden leisten kann. Seine ersten Worte waren der Gruß des auferstandenen Herrn, der dem Evangelium des Pfingstsonntages entnommen ist „La pace sia con tutti voi“ – der Friede sei mit euch allen, die ersten Worte des auferstandenen Herrn, nachdem er ins Reich des Todes hinabgestiegen war, nachdem er allen Hass der Welt an sich hatte austoben lassen und die letzten und tiefsten Abgründe der Gottferne leidend durchschritten hatte. Der Friede sei mit Euch, kein Wort der Anklage, der Vergeltung oder gar der Rache, sondern ein Wort der Versöhnung und des Friedens von Seiten Jesu, nun im Munde eines Mannes, der in Chicago geboren wurde – mit europäischen Wurzeln – in den USA im Augustinerorden seine Ausbildung erfahren hat, sich dann in die Mission nach Peru in Südamerika hat senden lassen, aufgrund seiner überragenden Fähigkeiten dann über zehn Jahre das höchste Amt in seinem Orden mit Sitz in rom übertragen bekommen hatte, und nach zehnjähriger Tätigkeit als Bischof in Peru im Vatikan mit dem drittwichtigsten Amt betraut war, nämlich dem Dikasterium für die Bischöfe vorzustehen. Eine solche Biographie, die wahrlich alle Dimensionen der pfingstlichen Universalität verbindet, ist ein Geschenk des Heiligen Geistes für die Kirche und für die ganze Welt. Entsprechend positiv sind nach wie vor die weltweiten Reaktionen, und wir können nur hoffen und beten, dass das Wirken von Leo XIV. reich gesegnet sei an Früchten des Friedens und der Völkerverständigung.
Ich möchte die heutige Predigt anlässlich des Sudetendeutschen Tages in meiner Bischofsstadt Regensburg aber darüber hinaus zum Anlass nehmen, auch an den Friedensbeitrag eines unserer Landsleute zu erinnern, der im Oktober vor-vorigen Jahres 100 Jahre alt geworden wäre und der, wie mir scheint, nicht hinreichend gewürdigt wird, sondern dem Unrecht geschah. Ich spreche von Otfried Preußler, dem 1923 in Reichenberg geborenen Lehrer und Schriftsteller, der vor allem durch seine Kinder- und Jugendbücher bekannt geworden ist, aber durchaus auch für Erwachsene geschrieben hat.
Man wirft ihm vor, sich nicht hinreichend deutlich von seiner Jugendsünde distanziert zu haben, nämlich noch als Jugendlicher in die NSDAP eingetreten zu sein und einen Roman verfasst zu haben, der die Ideale der HJ verherrlicht. Dies ist wahrlich nicht zu bagatellisieren oder kleinzureden. Aber Otfried Preußler hat das mehrjährige Fegfeuer russischer Kriegsgefangenschaft durchgemacht und dann sein Wirken als Pädagoge, Schulleiter in Bayern und schließlich als Schriftsteller in den Dienst einer Friedenspädagogik gestellt, die sich wahrlich sehen lassen kann.
Sein Roman „Krabat“, der auch mehrfach verfilmt wurde, ist ein Meisterwerk und darf meines Erachtens zu den Werken der Weltliteratur gezählt werden. Er sollte nicht nur für Jugendliche, sondern auch für Erwachsene zur Pflichtlektüre gehören. Preußler, der die Versuchung dämonischer Mächte mit all ihrer Verfügungsgewalt über die Menschen erfahren hatte, weist mit diesem Roman – der natürlich auch die Aufarbeitung seiner eigenen Geschichte spiegelt – den Weg der Befreiung aus den todbringenden Fängen des Totalitarismus. Allein die Kraft hingebungsvoller Liebe, die sich aus dem Ostergeheimnis speist – vermittelt durch den sorbischen Ostergesang der Kantorka, allein die Kraft der Liebe lässt schließlich das Regime der dunklen Mächte von Ausbeutung, Manipulation und Menschen-verachtung in sich zusammenstürzen. Eine feinere und zugleich klarsichtigere Auseinandersetzung mit der Versuchung des Totalitarismus ist doch kaum denkbar. Nicht nur der Roman Krabat, auch die anderen Bücher Preußlers, durchzieht diese anti-totalitäre Botschaft. Und eine Schule [vgl. das Staatliche Gymnasium in Pullach], deren Verantwortliche dies nicht erkennen, hat den Namen Otfried Preußler wahrlich nicht verdient, wie seine Tochter nun in kluger Weise erklärt hat.
Noch ein zweites Motiv von Otfried Preußler möchte ich in Erinnerung rufen, das ich in seinem Werk „Die Flucht nach Ägypten“ gefunden habe und das mich sehr berührt hat. Dieses herrliche Buch ist ja seine Aufarbeitung des Verlustes seiner böhmischen Heimat. Das Motiv, von dem ich spreche, sind „die Tränen des heiligen Wenzislaus“, also des Nationalheiligen Herzogs Wenzel.
Angesichts eines Streites zwischen zwei extrem nationalistischen Herren aus Starkenbach, einem Tschechen und einem Deutschen, dem Herrn Weishäuptl (der Tscheche) und dem Herrn Bělohlavek (dem Deutschen, deren Familiennamen übrigens das gleiche bedeuten), die sich über die Ortsnamen unversöhnlich in die Haare geraten waren, beschreibt Otfried Preußler die Reaktion des heiligen Wenzislaus (Václav) in seinem unnachahmlichen Stil, ich muss es vorlesen:
„[...] wie nun der heilige Herzog Wenzeslaus dies bemerkt hat, da ist er zufolgedessen sehr traurig geworden, so dass er in einen abseits gelegenen Winkel der ewigen Seligkeit sich zurückgezogen und bittere Tränen geweint hat über sein Land und die beiden Völker, welche ihm innewohnen in Zank und Streit – und nicht einmal Gottes Wunder, wie der Versuch gezeigt hat, kann sie zur Einsicht bringen. – Aber vielleicht ist die Zeit noch nicht reif dafür, und so wird er nicht müde werden, der heilige Herzog von Böhmen, dass er für beide betet, die Weißhäuptls und die Bělohlaveks, damit sie nicht eines Tages [der Roman hat die zeitliche Perspektive des späten 19. Jahrhunderts!] sich gegenseitig ins Unglück bringen samt ihren Völkern. – Und wenn sie es dennoch tun sollten, möge der liebe Herrgott in seinem Ratschluß es fügen, dass wenigstens hinterher, wenn das Unheil an ihnen bereits geschehen ist, sie den Weg zueinander finden und ein für allemal ihren Frieden machen auf dieser Welt.“ (S. 379 f.) Soweit Otfried Preußler, Die Flucht nach Ägypten, Kapitel Numero 23.
Vielleicht, liebe Schwestern und Brüder, liebe Landsleute von diesseits und jenseits der Grenze, vielleicht ist der heutige Pfingsttag ja auch dazu angetan, dass die Tränen des heiligen Wenzislaus wieder einmal aus Tränen der Trauer und des Schmerzes sich in Tränen der Freude verwandeln.
Quelle: Bistum Regensburg
Aufarbeitung der Geschichte und der eigenen Schuld ist eine Daueraufgabe
Vortrag der Ackermann-Gemeinde und des Sudetendeutschen Priesterwerks
Auf großes Interesse stieß am Samstagnachmittag beim Sudetendeutschen Tag der von der Ackermann-Gemeinde und dem Sudetendeutschen Priesterwerk gebotene Vortrag von Niklas Zimmermann (Historiker und Politikredakteur bei der Frankfurter Allgemeinen Zeitung) zum Thema „Auf ‚Wahrheit‘ niemals verzichten: Wie der Versöhnungsgedanke in die sudetendeutsch-tschechischen Beziehungen fand“.
Moderator Christoph Lippert entschuldigte in seiner Begrüßung den Vorsitzenden des Sudetendeutschen Priesterwerks Holger Kruschina, der in seiner Pfarrei Nittenau die Vorabendmesse zelebrieren musste. Der Gruß des Moderators galt dem Präses der sudetendeutschen Katholiken Monsignore Dieter Olbrich sowie dem Vorsitzenden und der Geistlichen Beirätin der Sdružení Ackermann-Gemeinde Monsignore Adolf Pintíř und Sr. Angelika Pintířová und dem Ehrenvorsitzenden des Sudetendeutschen Priesterwerks Monsignore Karl Wuchterl.
Einleitend machte Lippert deutlich, dass in den Gründungsjahren der Ackermann-Gemeinde die damals führenden Personen – der Geistliche Beirat Pater Paulus Sladek OSA und der Bundesvorsitzende Hans Schütz – durchaus divergierende Positionen vertraten. Während der Geistliche bereits 1946 um Verzeihung der Fehler bat, welche die Sudetendeutschen begangen hatten und die mit zur Vertreibung beigetragen haben (also ein Eingeständnis eigener Fehler), habe Schütz die „Position der politischen Sudetendeutschen“ vertreten und die Sudetendeutsche als Opfer gesehen. Versöhnung könne es so nur geben, wenn die Tschechen ihre Verfehlungen zugeben und aufarbeiten. „Beide Positionen sind auch heute in der Sudetendeutschen Landsmannschaft präsent“, schlug Lippert die Brücke zur Gegenwart. So habe der bayerische SL-Landesobmann Steffen Hörtler die Verbrechen an Mitgliedern seiner Familie in seiner Rede thematisiert, die Sudetendeutschen als Opfer und die Tschechen als Täter dargestellt. Basis für eine Versöhnung sei für ihn die Aufarbeitung des Unrechts auf tschechischer Seite. Dagegen habe Volksgruppensprecher Bernd Posselt verschiedene Standpunkte im Blick, bereits mehrmals im Namen der sudetendeutschen Volksgruppe die eigene Schuld bekannt bzw. den Anteil der Sudetendeutschen für Verbrechen eingestanden. Für Lippert steht Versöhnung untrennbar mit der eigenen, persönlichen Mitverantwortung in Verbindung, grundsätzlich wünscht er sich konkrete Zeichen oder Maßnahmen – etwa ein Gedenken für Tote von Verbrechen, die von Sudetendeutschen begangen wurden.
Mit dem inzwischen traditionellen Versöhnungsmarsch Ende Mai von Pohrlitz nach Brünn zeigte Zimmermann einleitend ein „positives Beispiel, wie zwischen Vertriebenen bzw. ihren Nachfahren und Tschechen Versöhnung erlebt werden kann.“ Lipperts Gedanken aufnehmend meinte der Historiker, dass auch für die Sudetendeutschen die Aufarbeitung ihrer Geschichte eine Daueraufgabe bleibe - vor allem das „Bewusstsein, dass es auch sudetendeutsche Täter gegeben hat. Das hat lange gefehlt“, so Zimmermann. Er empfahl drei Schritte: Aufarbeitungsbereitschaft, tatsächliche Aufarbeitung, konkrete Maßnahmen in Verbindung zu Orten, Personen usw. „Versöhnung ist bei allen im sudetendeutsch-tschechischen Bereich Engagierten das zentrale Wort. Aber so einfach vom Himmel gefallen ist der Versöhnungsgedanke nicht. Dabei geht es um die Anerkennung der eigenen Vertreibungserfahrungen, die Haltung gegenüber tschechischen Erfahrungen und den Umgang mit im Namen der eigenen Gruppe begangenen Verbrechen. Das war und ist ein hartes Ringen in den zurückliegenden 80 Jahren“, leitete der Referent auf sein eigentliches Thema über.
Mit dem Vertriebenengelöbnis, vorgebetet von Pater Paulus Sladek am 13. Januar 1946 in München, startete Zimmermann die Zeitreise über mehrere Jahrzehnte. „Wir haben nicht nach den Sünden der anderen zu fragen, wir müssen die eigene Schuld bekennen. (…) Auch wir haben Anteil an der Schuld, die unser Volk auf sich geladen hat. Wir bekennen und bereuen!“ Als eine „Botschaft, die ihrer Zeit weit voraus war“ und nicht unumstritten, wertete der Historiker diese Sätze. Doch Zimmmermann verwies auch auf Defizite: „Die Tschechen kommen im Gebet nicht vor, es fehlt die Konkretisierung der Schuld bzw. der gemachten Fehler und der Adressat, vor dem die Schuld bekannt werden sollte.“ Daher sei zu schließen, dass sich das (diffuse) Schuldbekenntnis alleine auf Gott bezieht. Einen weiteren Schritt erneut von Pater Sladek führte Zimmermann als nächstes an: die Predigt bei der Grenzlandfahrt nach Haidmühle (Bayerischer Wald) im August 1955 im Rahmen des Bundestreffens der Ackermann-Gemeinde. Während der Ansprache habe der Pater besonders einen tschechischen Exilpriester angeblickt und sinngemäß folgende Aussagen gemacht: Das Unrecht hat nicht erst 1945 begonnen. Es geht darum, für alles einzustehen, was euch in den Jahren vorher angetan worden ist – auch von Menschen unseres Volkes. Unser Schuldbekenntnis muss in die Vergangenheit hineingreifen. „Die Tschechen werden nun als Akteur, als konkretes Gegenüber sichtbar – mit ihrer eigenen Geschichte, Leiderfahrung, Würde, ihren Leistungen usw.“, betonte der Referent den wesentlichen Unterschied zum Dokument von 1946. Allerdings fehlten weiterhin Verweise auf die NS-Besatzung, das Protektorat oder das Massaker von Lidice und das grausame Wirken Henleins. „Bei der Predigt in Haidmühle wurde aber zum ersten Mal ‚Versöhnung‘ genannt“, ergänzte Zimmermann. Doch der Versöhnungsgedanke habe danach nicht weiter Fahrt aufgenommen.
Denn 20 Jahre nach dem Münchner Abkommen erschien als Heft 12 der Schriftenreihe der Ackermann-Gemeinde eine Publikation zum Thema „München 1938 – eine offene Frage“. Hintergrund sei, so Zimmermann, Hans Schütz’ Position gewesen, wonach über offene Fragen nicht die Politik, sondern Völkerrechtler – als unpolitische Schiedsrichter – entscheiden sollten. Mit involviert in das Buch sei Hermann Raschhofer gewesen, unter anderem in der NS-Zeit Berater Konrad Henleins und persönlicher Freund Karl Hermann Franks (Staatsminister beim Reichsprotektor Böhmen und Mähren). Dass hier nicht von einer „vermeintlich unparteiischen Ausarbeitung“ dieses Themas gesprochen werden kann, deutete der Vortragende an. Jedenfalls habe diese Publikation Nachwirkungen bis in die 1990er, ja Anfang der 2000er Jahre gehabt. „Die Verrechtlichung war Teil des Problems und nicht der Lösung“, fasste Zimmermann diese Phase zusammen.
Von dieser Schiene sei die Ackermann-Gemeinde aber weggekommen – und auch weg von Forderungen und Aufrechnen hin zum Erinnern. Im Jahr 1965 habe Ernst Nittner gefordert, dass Antworten im Bereich des Politischen gegeben werden sollten. 20 Jahre später könne dann die Passauer Erklärung der Ackermann-Gemeinde und von Opus Bonum vom 3. August 1985 als christliche Versöhnungsinitiative mit der Bereitschaft zum Dialog mit dem Gegenüber betrachtet werden. Dabei seien die Aspekte Wahrheit und Gerechtigkeit ins Zentrum gerückt. Für den Historiker ist diese Erklärung aber immer noch zu wenig konkret, da Vorgänge in der Zwischenkriegszeit und während der Vertreibung nicht genannt wurden. „Eine Neuerung war aber, dass die Erklärung von relevanten katholischen Kräften auf beiden Seiten erarbeitet wurde“, betonte Zimmermann. Basis dafür sei der nun regelmäßige Austausch gewesen, wozu auch die seit Mitte der 1960er Jahre in allen Diözesen wirkenden Osthilfekreise beitrugen. Dadurch seien persönliche Kontakte zu Menschen in der alten Heimat möglich geworden.
Vermeintlich schon überwundene Thesen zum Münchner Abkommen seien in den 1990er Jahren in Publikationen aus anderen Kreisen wieder aufgetaucht, die Ackermann-Gemeinde habe diese als „schädlich für die Volksgruppe und für die Friedensarbeit“ kritisiert und weit vor der später vorgenommenen Satzungsänderung der SL diese empfohlen. Als letzte Bekundung der Ackermann-Gemeinde ging Zimmermann kurz auf die Ellwanger Erklärung vom 24. Juni 2001 ein. Darin heißt es unter anderem: „Die Ackermann-Gemeinde ist sich bewusst, dass sich auch Sudetendeutsche aus fataler Fehleinschätzung der Entwicklung in Hitlerdeutschland von 1938 aktiv an der Zerschlagung der Tschechoslowakei und an der nachfolgenden Unterdrückung des tschechischen Volkes beteiligt haben. Sie bittet um Vergebung für jene, die sich dabei persönlich schuldig gemacht haben.“ In der konkreten Benennung sei dies eine deutliche Weiterentwicklung, „die Versöhnungswilligkeit hat zugenommen. Es ist der Beginn einer wahren Aufarbeitung, die eine Daueraufgabe bleibt. Eine Geste auf sudetendeutscher Seite könnte den Weg, auf dem man sich befindet, noch weiter festigen“, bilanzierte der Referent.
Markus Bauer
Kann die Kirche in Tschechien, Polen und Deutschland Heimat sein?
Heimat. Finden wir sie in der Kirche? Können wir sie Menschen anbieten – und denen, die in dieser Gemeinschaft Unterstützung suchen – zum Beispiel Jugendlichen in der Nähe oder Flüchtlingen aus der Ferne?
Ende November 2024 trafen sich zu diesen Themen im Kloster Hejnice/Haindorf Tschechen, Deutsche und Polen – Experten, Praktiker und ihre Bischöfe – zum sogenannten „Trialog“.
Unter der Schirmherrschaft der Arbeitsgemeinschaft katholischer Verbände Mittel- und Osteuropa (AKVMOE) stellten sie hier ihre Erfahrungen und Pläne vor. „Wir erleben hier in der Praxis, was der Papst meint, wenn er von der synodalen Kirche spricht. Drei Nationen, ein Stück Europa, Männer, Frauen und Bischöfe aus den Grenzen des Ostens und Westens unseres Kontinents, wir hören hier einander zu und suchen den Weg zueinander. Wir machen das mitten in unserem gemeinsamen Zuhause, also der Kirche“, erklärte der Görlitzer Bischof Wolfgang Ipolt.
Äbtissinnen und Forscher
Mehrere Diskussionsrunden waren zwei Tage lang mit Experten aus den Reihen von Soziologen, Äbtissinnen zweier Klöster, Historikern, Priestern, Aktivisten und Forschern zu Gast. Die Ethnologin Jana Nosková, Leiterin der Abteilung für Memory Studies am Institut für Ethnologie der Akademie der Wissenschaften der Tschechischen Republik, stellte Veränderungen in der Interpretation und Wahrnehmung des Begriffs „Heimat“ im 19. und 20. Jahrhundert vor. Dieser Begriff hat im Laufe der historischen Entwicklung im deutschen Umfeld eine Reihe von Bedeutungsnuancen erhalten, die sich in der Folge nur schwer in andere Sprachen übertragen lassen. Konkret erläuterte sie, welche Rolle der Begriff „Heimat“ für gewaltsam vertriebene Deutsche spielt. Sie wies darauf hin, dass der Begriff „Heimat“ vor allem einen engen Zusammenhang mit drei weiteren Wörtern aufweist, nämlich Raum, Zeit und Identität.
Im Mittelpunkt der Debatte stand auch die Frage, ob und wie die Kirche ein Zuhause für „Heimatlose“, also Vertriebene, sein kann oder wie die Kirche Menschen am Rande der Gesellschaft und Ausgegrenzten helfen kann. Äbtissin Elisabeth Vaterodt OCist aus Marienthal, Beata Bykowska, Theologin und Pädagogin aus Polen, dazu online auch Historiker Jaroslav Šebek nahmen teil.
Ein Zuhause schaffen
Maryna Czaplińska von der polnischen Organisation Club der katholischen Intelligenz – stellte eine Studie vor, die sie 2022 an einer Stichprobe von zweitausend Gläubigen (darunter 450 Geistliche) in Polen durchgeführt hatte. Es zeigte sich, dass das Vertrauen der Menschen in die Kirche bei unseren Nachbarn dramatisch abnimmt, was sich auch sichtbar darin widerspiegelt, dass weniger Menschen regelmäßig in die Kirche gehen. „Im Allgemeinen nehmen sie das Problem der Intransparenz mit Unmut wahr und sind empört über Kirchenskandale.“ „Die Forschung hat gezeigt, dass der Hintergrund der Kirche als Heimat leider verschwindet und damit die Rolle von Laiengemeinschaften und -Organisationen unersetzlich wird“, schilderte Marie Neudörfl von der veranstaltenden Organisation.
Aus der Diskussion ging hervor, dass das Ideal zur Wahrung der gesellschaftlichen Stellung der Kirche und ihrer Neutralität gegenüber der Macht darin besteht, dass sich religiöse Menschen in der Politik engagieren, die Kirche jedoch in keiner Weise mit der Politik verbunden war.
Einer der Gäste, der slowakische Pfarrer P. Marian Prachár, der in Bratislava mit Jugendlichen arbeitet, beschrieb die konkrete „Schaffung eines Zuhauses“. Er verwandelte eine ungenutzte Kirche in ein Café, wofür er sowohl Unterstützung als auch Kritik erhielt. Er nutzt den Kirchenraum als Treffpunkt für Gläubige und Ungläubige – einen Ort der Begegnung mit dem Glauben. Er machte auch auf die schwierige gesellschaftliche Lage der Kirche aufmerksam – insbesondere in den vergangenen 35 Jahren, in denen die Kirche in seinem Land seiner Meinung nach den Wandel von der kommunistischen Ära zur neuen Situation noch nicht geschafft habe.
Kamingespräche
Der Direktor des Klosters Hejnice, Jan Heinzl, erzählte, wie der Krieg in der Ukraine begann und wie aus diesem Haus ein Zuhause für ukrainische Flüchtlinge wurde. Auch Frau Plášilová, eine Ukrainerin, die seit dreißig Jahren in der Tschechischen Republik lebt, und ihr Bruder, der an der Front kämpft, während sie seit zwei Jahren ukrainische Familien unterstützt, schlossen sich ihr an. Sie erzählten Geschichten über diese Schicksale und machten konkret deutlich, wie die Kirche ein Zuhause für Flüchtlinge sein kann.
Vier Bischöfe am Altar
In Hejnice kommt es häufig zu Treffen von Völkern, die diesem Ort nahestehen (die Lausitzer Sorben fehlten dieses Mal). Außergewöhnlich war die Anwesenheit von vier Bischöfen, die benachbarte Diözesen vertraten. Gemeinsam mit dem Ortsbischof Stanislav Přibyl feierten der von der Deutschen Bischofskonferenz mit der Seelsorge der Vertriebenen und Aussiedler beauftragte Reinhard Hauke aus Erfurt, Wolfgang Ipolt aus Görlitz und Krzysztof Zadarko aus der Diözese Koszalińsko-Kołobrzeg die morgendliche Heilige Messe am Donnerstag und beteiligten sich anschließend an der Podiumsdiskussion.
Am Donnerstagmorgen fand die Diskussion „Wie die Kirche jungen Menschen zur Heimat werden“ statt. Jonathan Lange und Matthias Altmann von den Jugendorganisationen Aktion-West-Ost und Junge Aktion der Ackermann-Gemeinde setzten sich an den gemeinsamen Tisch. Moderiert wurde dieses Gespräch von Francesca Šimuniová, Äbtissin der Deutsch-Tschechischen Benediktinergemeinschaft aus der Abtei Venio in München und dem Kloster auf dem Weißen Berg in Prag. Anschließend folgte eine Reihe von Interviews und Aussagen der Bischöfe. Zu der Frage, wie die Kirche Heimat für die Menschen in der Diözese Leitmeritz sein kann, aus der nach dem Krieg achtzig Prozent der Gläubigen deutscher Nationalität vertrieben wurden, sprach der „Gastgeber“ Bischof Stanislav Přibyl. Er stellte auf persönlicher Ebene das Umfeld seines Zuhauses vor, in der er „Religionskriege“ erlebte, weil sein Vater, wie er sagte, antikatholisch war. Anschließend fand er in der Pfarrei und beim Priester seine Heimat und Zuflucht, wo er seine Jugend und die Schwierigkeiten seines Heranwachsens erlebte. „Ich wurde freundlich empfangen und deshalb versuche ich, diese Atmosphäre denjenigen zu vermitteln, zu denen ich als Bischof der Diözese gesandt werde“, sagte der Leitmeritzer Bischof.
Er verglich die pastorale Struktur seiner Diözese mit einem Emmentaler Käse, wo es mehr Löcher als Käse gibt und der Käse nicht mehr vollständig zusammenhält. „Die Struktur, die wir geerbt haben, ist nicht tragend und es gibt so viele Löcher, dass es oft nichts zum Anlehnen gibt.“ „Und was uns zusammenhält, sind Beziehungen. Nicht institutionell, sondern Beziehungen zwischen Menschen – auch über Grenzen hinweg“, sagte Stanislav Přibyl. Sein Wunsch ist es, dass die Ortskirche, für die er verantwortlich ist, eine Heimat ist, nicht im Sinne eines Daches über dem Kopf, sondern ein Raum, in dem „wir eine warme, feste und liebevolle Nähe erfahren“. Er fügte hinzu, dass, wenn die Strukturen der Kirche nicht tragend seien, es notwendig sei, sie genau als Netzwerk dieser Beziehungen aufzubauen. „Hier, am Ort unseres Trialogs, möchte ich betonen, dass jede Versöhnungsarbeit dazu beiträgt, und Organisationen wie die Ackermann Gemeinde sind mir sympathisch und verdienen Unterstützung, denn Beziehungen müssen gereinigt, von Vorurteilen befreit und dauerhaft gepflegt werden.“ unabhängig von Landesgrenzen. Meine Vorgänger haben es zumindest von Bischof Weber an in der Not des Krieges, dann während und nach der Vertreibung der Deutschen getan. Und andere Bischöfe folgten ihm während der Unterdrückung durch den Kommunismus. „Ich sehe, dass die Schaffung eines Zuhauses als Netzwerk von Beziehungen für sie wichtig und unterstützend war“, schloss Bischof Přibyl.
Quelle: Ackermann-Gemeinde
Versöhnte Nachbarschaft
Unter diesem Titel erschien vor 20 Jahren Pastoralbrief des Beauftragten der Deutschen Bischofskonferenz für Flüchtlings- und Vertriebenenseelsorge, Weihbischof Gerhard Pieschl und der Visitatoren der Heimatvertriebenen als Rückblick und Ausblick anlässlich der 60. Wiederkehr von Kriegsende, Flucht und Vertreibung.
Wir veröffentlichen hier leicht gekürzt diesen Pastoralbrief, der auch heute Impulse für die deutsch-tschechischen Beziehungen geben kann und anschließend Gedanken dazu, was seit der Erscheinung des Briefes geschehen ist.
Liebe Schwestern und Brüder,
2005 – am 8. Mai – jährt sich zum 60. Mal das Ende des Zweiten Weltkrieges in der bedingungslosen Kapitulation des Deutschen Reiches.
2005 – am 5. August – gedenken wir auch des 55. Jahrestages der Proklamation der „Charta der deutschen Heimatvertriebenen“.
Beide Gedenktage nehmen wir zum Anlass, erneut daran zu erinnern, dass Christen verzeihen müssen, aber niemals gutheißen dürfen, was Unrecht war, auch nicht die Vertreibung der Deutschen, ihre Verschleppung, Internierung, Enteignung und die ihnen aufgezwungene Flucht, die sich als endgültige Vertreibung aus der Heimat erweisen sollte. Selbst nach sechs Jahrzehnten dürfen wir nicht schweigen, damit nicht unser Schweigen ein Freibrief wird für jene, die heute Rechte verletzen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit begehen, weil sie darauf rechnen, dass ihre Schandtaten schließlich verjähren und vergessen werden. (…)
I. Heimatvertriebene – doppelte Opfer des verlorenen Krieges
Jeder Mensch braucht eine Heimat, den Ort, an dem er sich wohl fühlt, an dem er von Menschen umgeben ist, die ihm Gutes wollen, an dem er seine Wurzeln schlagen kann und so einen Ort der Geborgenheit findet. Umso tragischer ist es, wenn diese Heimat gewaltsam genommen und der Ort der Geborgenheit durch Furcht und Leid überschattet wird.
Die Menschen im Osten Deutschlands und in den deutschen Siedlungsgebieten Ostmittel- und Südosteuropas erlitten bei Kriegsende Rache und Gewalt der Siegermächte am eigenen Leib und mussten die Last der Verantwortung für die Verbrechen der Hitlerherrschaft in besonderer Weise tragen. Mehr als 15 Millionen verloren ihre Heimat und ihren gesamten Besitz. Tausende wurden zur Zwangsarbeit verschleppt, vergewaltigt, gefoltert und ermordet. Über zwei Millionen Deutsche starben bei Flucht und Vertreibung bis weit nach Kriegsende. Das erlittene Unrecht ist ein bleibender Schmerz. Vertreibung ist immer verbunden mit Unrecht, mit Flüchtlingselend, mit Verletzung der Menschenrechte und mit dem Verlust der Heimat. Betroffen von der Vertreibung sind aber nicht nur die Vertriebenen und ihre Vertreiber, sondern auch diejenigen, zu denen sie mit der Hoffnung auf Aufnahme kommen. Ihr Zusammentreffen ist nicht immer konfliktfrei. Oft stoßen Vertriebene auf Gleichgültigkeit, Misstrauen, Ablehnung. Diese bittere Erfahrung haben auch viele von uns machen müssen. Ein Viertel des Wohnungsbestandes der Vorkriegszeit wurde vernichtet oder schwer beschädigt, in den Großstädten sogar mehr als die Hälfte. Deutschland hatte im Osten ein Viertel seines Staatsgebietes und seiner landwirtschaftlichen Nutzfläche verloren. Die Not war auch dort groß, wo die Menschen nicht vertrieben worden waren. Heute wird nicht mehr viel über die Vertreibung der Deutschen gesprochen. Dies hängt sicher auch damit zusammen, dass die Millionen Heimatvertriebener rasch in neue Lebenszusammenhänge fanden und auch bereit waren, sich diesen einzugliedern. Es ist eine kaum zu beschreibende und eine viel zu wenig gewürdigte Leistung, dass es in dem darnieder liegenden Deutschland gelang, so viele entwurzelte, geschundene Menschen aufzunehmen, ohne dass es zu großen sozialen Unruhen gekommen ist. Hier zeigte sich auf der einen Seite viel Solidarität und Hilfe, aber auf der anderen Seite auch die Bereitschaft, sich nicht in der Verzweiflung zu verlieren, sondern trotz allen Elends und der schier ausweglosen Lage Zukunftshoffnung zu bewahren. Die Vertriebenenseelsorge sieht hier ihren Auftrag. Zum Kern unseres Glaubens gehört es, die Passion Jesu Christi und seine Auferstehung in das Zentrum menschlichen Lebens zu stellen. Das große Leid, das die Menschen des 20. Jahrhunderts erlebten, hat seinen Ursprung in den menschenverachtenden Regimen des Nationalsozialismus und Kommunismus. Doch bei der hier und immer wieder zu beklagenden Gottferne zeigt die Heilsgeschichte, dass Gott seinem Volke auch in der Verbannung nahe bleibt. (…)
II. Die "Charta" – Grundgesetz der deutschen Heimatvertriebenen
Der christliche Glaube war auch richtungweisend für die Formulierung der „Charta“. Im Geiste des Evangeliums haben die Heimatvertriebenen vor 55 Jahren darin feierlich von Rache und Vergeltung Abstand genommen, ohne jedoch auf ihr Heimatrecht zu verzichten. Sie haben auf der einen Seite keinen Hass geschürt und keiner weiteren Gewaltanwendung das Wort geredet.
Auf der anderen Seite aber haben sie klargestellt, dass man das Recht auf die Heimat niemals aufgeben kann, ohne die Menschenwürde selbst in Frage zu stellen.
Mit dieser ausgewogenen Position haben sie verhindert, dass sich die Absicht der Vertreiber, ein revolutionäres Potential unter den Heimatvertriebenen für einen Umsturz in Deutschland zu schaffen, erfüllte. Dadurch haben sie den inneren Frieden in unserem Land gefestigt und sind unbeirrbar für das Recht auf Heimat als eines der von Gott geschenkten Grundrechte des Menschen eingetreten, auch stellvertretend für die Vielen in der Welt, die immer noch verfolgt, verjagt und ihrer lokalen oder geistigen Heimat beraubt werden.
(…)
Mit allen Kräften haben die Heimatvertriebenen mitgeholfen, die durch den Krieg entstandene Not zu überwinden. Sie haben auf die religiöse, wirtschaftliche, politische, kulturelle und gesellschaftliche Entwicklung wesentlichen Einfluss genommen und zugleich einen wichtigen und bedeutenden Beitrag zum Wiederaufbau Deutschlands und zum Werden eines geeinten Europas geleistet. Sie waren keine Belastung, sondern ein Gewinn für das deutsche Gemeinwesen – bis heute.
III. Die Kirche – geistliche Heimat und Wegbegleiter
Nach Kriegsende hat die Kirche die von Vertriebenenschicksal und Flüchtlingselend Betroffenen im Geiste des Ausgleichs und der Versöhnung begleitet. Auf diesem schwierigen Weg waren heimatvertriebene und einheimische Priester an ihrer Seite. Erneute kirchliche Verwurzelung bot erste Heimat, wenn die Vertriebenen fast als Erstes mit ihren Händen Kirchen und Kapellen bauten.
Ein entscheidender Schritt gelang – in engster Kooperation zwischen Deutscher Bischofskonferenz und Priestern aus dem Osten – 1946 mit der Gründung der „Königsteiner Anstalten“. Das Priesterseminar mit Philosophisch-Theologischer Hochschule für junge Vertriebene brachte über 400 Geistliche hervor. 80 davon entschieden sich für die Seelsorgearbeit in der ehemaligen DDR, die meisten für die westdeutschen Diözesen, für die vielen neu entstandenen Pfarreien mit den vielen Vertriebenen. Bis in die neunziger Jahre des vergangenen Jahrhunderts war im Taunus das geistige, geistliche und materielle Lebenszentrum für die katholischen Deutschen aus dem Osten, was in seinem Namen "Vaterhaus der Heimatvertriebenen" zum Ausdruck kam: ein wahrer pastoraler Kristallisationspunkt mit vielfältigen, breit gefächerten Angeboten, Aktivitäten und Hilfen für die aus ihren bisherigen Bindungen heraus gerissenen Gläubigen und Priester. Namen wie Bischof Maximilian Kaller aus dem Ermland, vom Papst zum ersten Vertriebenenbischof ernannt, und Prälat Prof. Dr. Adolf Kindermann, später Weihbischof im Bistum Hildesheim, bleiben unvergessen.
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Mit der Aufgabe des Standorts in Königstein haben sich keineswegs dessen Aufgaben erledigt. Vielmehr gilt es, den gesellschaftlichen Herausforderungen wie auch den religiösen neuen Bedingungen mit zeitgemäßen und zukunftsorientierten Ansätzen Rechnung zu tragen. Seit Kriegsende gehört die Vertriebenenseelsorge als Sonderseelsorge zu den grundlegenden Aufgabengebieten der Pastoral in den Bistümern und auf der überdiözesanen Ebene. Unverändert ist es ihre Aufgabe, dass sie den Menschen hilft, die geistlichen Traditionen der verschiedenen Herkunftsgebiete zu bewahren. Diese Hilfe ist wichtig, um die spirituelle Identität im Prozess der Integration in die neue Umgebung zu beachten und fortentwickeln zu können. Hinzu kommt, dass die Seelsorge eine tragfähige Aussöhnung auf der Grundlage des christlichen Glaubens sowie historischer Wahrheit und Gerechtigkeit fördern soll. Sie trägt dazu bei, dass das Bewusstsein für das Unrecht jeder Vertreibung ausgebildet und geschärft wird.
Die Visitatoren haben gemeinsam mit den katholischen Vertriebenenverbänden durch Treffen, Gottesdienste, Wallfahrten und Pflege des religiösen Brauchtums nicht nur die Erinnerung an die Heimat wach gehalten. Die Diözesen und Pfarrgemeinden, die kirchlichen Einrichtungen wie auch katholischen Verbände verdanken ihnen viele Impulse.
IV. Friedensarbeit – Herausforderung und bleibende Aufgabe
Von Anfang an war es Grundsatz der Vertriebenenseelsorge, mitzuwirken an einer Friedensordnung, die auf Wahrheit und Gerechtigkeit aufbaut. Und es war auch ihre Überzeugung, dass Versöhnung und Wahrheit, Versöhnung und Liebe, Versöhnung und Gerechtigkeit, Versöhnung und zumutbare Wiedergutmachung sich nicht widersprechen und ausschließen, sondern sich bedingen und einander stützend aufbauen. Diese Haltung hat ihren Grund in der Lebenserfahrung vieler Heimatvertriebenen. Die einzige tragfähige Grundlage für ein neues, ein besseres Miteinander zwischen Vertriebenen und Vertreibern ist die gemeinsame wahrhaftige Aufarbeitung der Geschichte, die Bereitschaft zur Vergebung und die gemeinsame Suche nach tragfähig politischem Ausgleich.
Die Heimatvertriebenen dürfen aber bei dieser Aufgabe, ihr Geschick aufzuarbeiten, nicht von Kirche, Gesellschaft und Staat im Stich gelassen werden. Aufarbeiten heißt – auch nach 60 Jahren – nicht, sich mit dem erlittenen Unrecht abzufinden. Versöhnung unter den Völkern kann nur stattfinden, wenn die berechtigten Anliegen aller Beteiligten in Ehrlichkeit, Gerechtigkeit, Vergebungsbereitschaft und Sorge um das bestmögliche Wohl aller geprüft und berücksichtigt werden. Das ist auch der Grund dafür, dass beispielsweise sich sudetendeutsche Heimatvertriebene mit der Weitergeltung der so genannten Benesch-Dekrete nicht abfinden können. (…)
In den zurückliegenden Jahrzehnten haben die Heimatvertriebenen vielfache konkrete Friedensarbeit in den Ländern ihrer alten Heimat geleistet. Zahlreiche Verbindungen zwischen Gruppen, Organisationen und Einzelpersonen sind über die Landesgrenzen hinweg gewachsen, feste Freundschaften haben sich herausgebildet, besonders auch zwischen den Visitatoren und den heutigen Bischöfen und Priestern in den ehemaligen Herkunftsgebieten. Vor allem nach der politischen Wende ist der Verzicht auf Rache und Vergeltung durch viele Besuche von Vertriebenen in ihrer alten Heimat sichtbar und äußerlich dokumentiert worden. Dort beginnt man, nach und nach ihre Vertreibung aufzuarbeiten, nachdem durch die Unrechtsregime des Kommunismus lange Zeit eine offene und ehrliche Auseinandersetzung darüber nicht möglich war. Viele Vertriebene helfen tatkräftig mit beim Aufbau einer neuen und gerechten Gesellschaft. Vieles davon geschieht in der Stille. Dennoch ist die versöhnende Kraft solchen Handelns unübersehbar. Die Katholische Kirche in Deutschland hat auf vielen Ebenen diese geistige und ethische Haltung gefördert. Die Vertriebenenbischöfe haben seit Kriegsende immer wieder in ihren Predigten, Briefen und Stellungnahmen Prinzipien angesprochen, die als Leitmotive für die Friedensarbeit der Heimatvertriebenen auch heute Gültigkeit haben:
- Absage an Rache und Vergeltung
- Recht auf Heimat, geschichtliche Wahrheit, kulturelle Identität und geistliche Traditionen
- aktive Mitgestaltung beim Aufbau der neuen Heimat
- Ringen um sozialen Ausgleich und soziale Gerechtigkeit
- Verständigung und Aussöhnung mit den Völkern in der alten Heimat
- Solidarität mit der verfolgten Kirche
- Eintreten für die Anerkennung der allgemeinen Menschenrechte
- Überwindung von nationalem Egoismus zugunsten des Aufbaus eines geeinten Europas
- Mitarbeit an einer internationalen Ordnung.
Liebe Schwestern und Brüder,
ein beständiger Friede im europäischen Einigungsprozess wird durch gute Beziehungen der Nachbarvölker untereinander grundgelegt, braucht den Schutz der nationalen Vielfalt und das Bewusstsein, dass wesentliche Impulse in der Entwicklung Europas auf religiöse Traditionen des Christentums gründen. Artikulierten Ängsten und Bedenken gilt es, Visionen und Zeichen der Hoffnung entgegenzusetzen. Denn auch nach der Osterweiterung der Europäischen Union bleibt es eine Herausforderung und Aufgabe, behutsam für die Verständigung einzutreten und aktiv beim geistigen Aufbau Europas mitzuwirken. Das neue Europa braucht immer neue Bemühungen, um alte Gräben zu überwinden und Wege der Aussöhnung auszubauen.
Wir ermutigen alle Heimatvertriebenen, diesen Weg – in Europa und in der Einen Welt – mit großer Zuversicht weiter zu gehen. Dazu laden wir alle Christen und darüber hinaus alle Menschen guten Willens ein.
Auch sechs Jahrzehnte nach Krieg, Vertreibung und Flucht mag uns das Wort von Papst Pius XII., das er in einem Handschreiben vom 29. Juni 1946 an die deutschen Heimatvertriebenen gerichtet hat, Zukunftshoffnung und Halt geben: „Unsere geliebten Söhne und Töchter, die unter so leidvollen Umständen ihre Heimat verlassen mussten, ermahnen Wir, nicht wankend zu werden im Vertrauen auf Gott, der in seiner Allmacht und Liebe auch das Schwerste zum Besten zu lenken vermag…“
Von Herzen Gruß und Segen!
Bonn / Limburg – Pfingsten 2005
Weihbischof Gerhard Pieschl, Beauftragter der Deutschen Bischofskonferenz für Vertriebenen- und Aussiedlerseelsorge
und die Visitatoren
Entwicklungen in den letzten 20 Jahren
Vor 20 Jahren wurde dieser Pastoralbrief des Vetriebenenbischofs und der Vistatoren veröffentlicht. Vieles davon ist nach wie vor sehr aktuell. Bei vielen Erwartungen, von denen der Pastoralbrief spricht, sind wir auf einem guten Weg, hat sich in den vergangenen 20 Jahren vieles getan. Nachdem in der Tschechoslowakei unter dem Kommunismus 40 Jahre lang den Leuten erzählt wurde, die Vertreibung der Deutschen sei die gerechte Strafe für das Unrecht gewesen, das die Deutschen den Tschechen angetan haben, wächst in der tschechischen Gesellschaft das Verständnis dafür, dass die Vertreibung Unrecht und dass in der Zeit unmittelbar nach dem Krieg an Deutschen Gewalttaten verübt wurden, für die es keine Rechtfertigung gab. Das kommt im gemeinsamen Gedenken von Deutschen und Tschechen an diese Ereignisse zum Ausdruck. Das bekannteste Beispiel dafür ist sicher das jährliche Erinnern an den Brünner Todesmarsch. Darüberhinaus gibt es an vielen Orten Gedenkfeiern, wie in Odrau/Odry, wovon in diesem Heft zu lesen ist oder jüngst an da Massaker in Postelberg. Ich denke auch an die Versöhnungsinitiative in Freudenthal/Bruntal, der Heimatstadt meiner Eltern.
Und auch auf Regierungsebene hat sich einiges zum Guten entwickelt. Das Thema der gemeinsamen Geschichte von Deutschen und Tschechen und der Vertreibung der Deutschen, sowie der Dialog darüber mit den Betroffen und deren Nachkommen, vor allem mit deren Organisation, der Sudetendeutschen Landsmannschaft, ist zu einem Element des Handelns der Regierung geworden. So stehen der Erhalt und die Pflege deutscher Friedhöfe und Gräber wieder auf der Tagesordnung.
Bekam noch der damalige Kulturminister Daniel Hermann große Schwierigkeiten, als er vor einigen Jahren beim Sudetendeutschen in Augsburg sprach, ist es heute selbstverständlich, dass ein offizieller Vertreter der tschechischen Regierung beim Sudetendeutschen Tag spricht und die tschechische Nationalhymne gespielt wird. Ebenso selbstverständlich ist die Teilnahme der tschechischen Generalkonsulin in München bei Veranstaltungen der Sudetendeutschen Landsmannschaft.
Auf der anderen Seite wächst auch bei den Sudetendeutschen der Blick auf das Unrecht, das die Tschechen während der deutschen Besatzung ab 1938 erlitten haben. Das stellt der Vortrag von Niklas Zimmermann beim Sudetendeutschen Tag, über den auch in diesem Heft berichtet wird, gut dar.
All diese Entwicklungen sind die Frucht einer langjährigen geduldiger Arbeit des Dialogs zwischen Deutschen und Tschechen, die weit in die Zeit des Kommunismus zurückreicht und oft im verborgenen geschehen ist und für die tschechischen Gesprächspartner nicht ungefährlich war. Hier spielten vor allem kirchliche Organisationen wie die Ackermann-Gemeinde oder das Sudetendeutsche Priesterwerk eine große Rolle. Dabei waren sie inspiriert von christlichem Geist, von Gedanken der Versöhnung und des Friedens. Aber auch die Sudetendeutsche Landsmannschaft hat mit ihrem Büro in Prag als Botschaft des guten Willens ein deutliches Zeichen gesetzt. So wurde den Tschechen immer mehr bewusst: Die Deutschen sind gar nicht so Böse, wie es uns Kommunisten und Nationalisten eingeredet haben. Und auf dieser Basis kann ehrlicher und fruchtbarer Dialog geschehen.
Im Sinne des Pastoralbriefes von 2005 ist seither viel Gutes geschehen, für das wir dankbar sein können und das uns motiviert, den Wege des Dialogs und der Versöhnung weiterzugehen.
Mathias Kotonski
Unsere Märtyrer
2024 erschien das „Martyrologium der katholischen Kirche in den böhmischen Ländern im 20. Jahrhundert“, das bisher nur in der tschechischen Sprache vorliegt.
Aus diesem Martyrologium stammen die beiden folgenden Lebensbeschreibungen, die unser Vorstandsmitglied Stanislav Drobny aus dem Tschechischen ins Deutsche übersetzt hat.
Leopold Norbert Deml OFM
Leopold Demel wurde als jüngstes von neun Kindern des Landwirts Josef Demel und seiner Frau Maria, geb. Frodl am 13. Dezember 1909 in Tirpes/Trpík, Kreis Landskron, geboren. Kurz vor seiner Geburt ist der Vater tödlich verunglückt.
Nach der Grundschule in seinem Heimatsdorf besuchte er von 1923-1927 das Gymnasium in Mährisch-Trübau/Moravska Trebova. Im Herbst 1927 tritt er ins Noviziat der Franziskanner In Kadan ein. Nach einem Jahr wurde er in das Kloster aufgenommen und erhielt den Ordensnamen Norbert. Das Abitur hat er 1930 auf dem Gymnasium in Duppau/Doupov abgelegt. Danach ging er in den Konvent Panny Marie Snezne (Maria Schnee) in Prag.
Dort hat er am 17 August 1931 die Ewige Profess abgelegt und am 29. Juni 1933 die Priesterweiheempfangen. Nach seiner Rückkehr nach Hause lebte er in Mährisch-Trübau/Moravska Trebova. Später wurde er zum Wehrdienst einberufen (Oktober 1935 - Februar 1936). Danach lebte er kurz in Prag und ab 20. Juli 1936 im Franziskanerkloster in Eger/Cheb. Hier wirkte er als Kaplan und Direktor des Klosters, mit der Beauftragung zur Katechese. Er war sehr beliebt und formte besonders die Jugend.
Im Mai 1940 hat er von den Mädchen in einer Schule eine begeisterte Nachricht von einem Feldzug der Deutschen Wehrmacht nach Westen nämlich nach Frankreich gehört. Deml reagierte darauf zurückhaltend und besorgt: Kinder, damit haben wir den Krieg noch nicht gewonnen! Ein Monat später wurde er verhaftet, weil er mit seinen Äußerungen den definitiven Sieg in Frage gestellt hat. Am 1. Oktober 1940 wurde er freigelassen, jedoch mit Verbot seiner Predigttätigkeit. Am Ende des Jahres 1940 wurde das Kloster von den Nazisten besetzt und im Marz 1941 erfolge die Gefangennahme der drei Mitglieder des Konventes. Der Grund: Sie haben verschiedene ausländische Sender gehört (die Osterreicher aus Paris, die Schweizer Beromünster, Radio Vatikan, die Tschechen sowohl aus London als auch aus Moskau). Guardian Kaspar wurde am 14 März, Bruder Bruno Alfons Pietsch und Norbert Leopold Deml am 24.März gefangengenommen. Alle wurden nach Karlsbad transportiert. P. Deml erkrankte an Typhus, kurze Zeit hat man ihn im Krankenhaus behandelt. Alle Franziskaner wurden am 25. Juli 1941 in die Haft nach Eger/Cheb gebracht.
Am 30. September 1941 fiel das Urteil: P. Mayer 6 Jahre und 2 Monate, für P. Pietsch 3 Jahre und für P. Deml 2 Jahre Gefängnis. Das besondere Interesse an der Verurteilung trug der Stellvertretende des Reichsgerichtes Konrad Henlein bei. Am Ende Oktobers 1941 folgte die Deportation ins Lager in Griebo, bei Coswig in Anhalt zur Zwangsarbeit bei der Regelung von Elbe.
P. Pietsch wurde am 16. Januar 1942 nach Stein an der Donau geschickt. Pater Deml starb schließlich in einem Arbeitskommando in Pretz an der Elbe, heute Bad Schmiedeberg, zwischen Torgau und Wittenberg. Täglich musste er bei jeglichem Wetter drei Kilometer zur Zwangsarbeit gehen. Das hat seinen frühen Tod verursacht. Er verstarb am 16. September 1942, mit einem Gewicht von 35 Kg und infiziert von Typhus. Seine Verwandte bezahlten für den Transport des Verstorbenen zu seinem Geburtsort 600 RM. Er wurde im Geburtsort seiner Mutter in Michelsdorf bei Landskron beigesetzt.
Olga Stavelova
Olga Stvelva war die Tochter von Josef Effenberger und seiner Frau Bozena, geb. Cerman aus Hlinsko, wo ihr Vater Direktor einer Textilfabrik war.
Olga war besonders begabt. Im Jahr 1915 fing sie mit dem Studium auf dem Prager Liceum Minerva an. Ein Jahr später erlebte sie eine Konversion zum persönlichen Glauben. Nach dem Abschluss des Liceums setzte sie das Studium auf einer Kunsthistorischen Schule (UMPRUM) fort. In dieser Zeit wurde sie von einem bekannten Maler Frantisek Kavan begleitet, er hat sie in die Kunst der Malerei eingeführt. Im Oktober 1918 erlebte sie mit Begeisterung die Gründung der Tschechoslowakischen Republik, kurz darauf jedoch hat sie mit Trauer von der Zerstörung der Mariensäule in Prag gehört. Im Jahre 1919 wurde ihr Vater Direktor eine Textilfabrik in Prag. Deshalb zog die Familie dorthin und bezog eine Wohnung in der Kleinseite.
In dieser Zeit hat der Vater Olga und ihrer Schwester die Teilnahme am gottesdienstlichen und religiösen Leben verboten. Beide Schwestern haben es jedoch ignoriert und heimlich ihren Glauben praktiziert. Der Vater hat sie deswegen als Fanatikerinnen bezeichnet, ihr Studium dennoch finanziell gesichert. In der Ferienzeit fuhren beiden Schwestern gern nach West-Europa, um die kulturellen Sehenswürdigkeiten zu bewundern. Ihr überzeugtes christliches Leben hat ihre Mutter tief beeinflusst, sie hat kurz vor ihrem Tod konvertiert.
Nach dem Abschluss des Studiums von UMPRUM und dem Abitur folgte das Studium an der Philosophischen Fakultät in Prag in den Fächern Mathematik und Deutsch. Die erste ihre Leherstelle war im Jahre 1925 die Realschule in Hodonin, die zweite ein Jahr später in Hustopece. Dort hat sie ihren späteren Mann Hubert Stavela (1886 - 1972) kennengelernt. Dieser war Witwer mit drei Kindern. Olga hat ihn im Jahre 1928 geheiratet und damit ihren Dienst als Lehrerin beendet. Es folgten die schönen und gesegneten Jahre des Ehelebens, die drei Kinder haben inzwischen um die acht neugeborenen gesorgt.
Der Grund ihes Lebens war Gott und die Liebe zur Familie, begleitet von der Malerei. Nach dem Münchner Abkommen wurde Hustopece annektiert. Innerhalb von drei Tagen musste die Familie Stavelova umziehen - provisorisch nach Zidlochovice. Am 1. April 1941 wurde ihr Mann Hubert Stavel zum Direktor des Realgymnasiums in Tisnov ernannt. Die Familie ist wieder umgezogen.
Es folgten die schweren Monate und Jahre. Beide Bruder Frantisek und Jiri wurde zur Zwangsarbeit verpflichtet, ihr jüngerer Bruder Jiri, Novize der Jesuiten, ist Anfang Oktober 1943 in Österreich verstorben. Nach dem Februar 1948 war es für die Familie noch schlimmer. Wegen ihres Glaubens und der antikommunistischen Einstellung wurde der adoptierte Sohn von Olga Cyril Frantisek, ein Benediktinermönch vom Emmaus-Kloster in Prag, interniert. Es gelang ihm jedoch die Flucht nach Österreich. Im italienischen Norcia ist er später Prior geworden. Nach der Wende ist er nach Hause zurückgekehrt und kurz darauf jedoch am 29. Oktober 1990 gestorben.
Die Tochter Olga (geb. 1930) studierte Musik in Brno und war bei geheimen katholischen Aktivitäten tätig, unter der Führung des Franziskaners Jan Baptist Barta OFM, der von seiner Internierung geflohen ist. Für beide, Olga und P. Barta, setzte sich die Mutter Olga ein und versuchte, für sie falsche Dokumente zu besorgen, um fliehen zu können. Sie wurde jedoch durch die Geheimpolizei entdeckt und am 9. Juli 1951 verhaftet. 16 Monate lebten sie in Haft, in Znojmo und in Prag-Ruzine, meistens in der Einzelhaft. Alle anderen Mitglieder der Familie Stavelova lebten zwar in der Öffentlichkeit, jedoch unter ständiger Aufsicht. Im November 1951 starb im Krankenhaus in Brünn die 20-jährige Tochter Bozena.
Der Prozess mit 31 Geistlichen und Laien fand vom 28. Oktober bis 1. November in Prag statt. Olga wurde wegen des Vaterlandsverrates zur 14-jähriger Haft, ihre Mutter zur 8-jährigen Haft verurteilt. Die beiden haben nichts vom Tod der Tochter bzw. Schwester erfahren. Es folgten die verschiedenen Gefängsnisorte - zuerst in Hostinne, nachher in Hradec Kralove und Chrudim. Während des Gefängsnisaufenthaltes ist Olga an Krebs erkrankt. Nach 4-jähriger Haft wurde sie 1955 zu ihren jüngsten Kindern entlassen.
Seit dieser Zeit erlebte sie noch ein paar Jahre in ständigem Leid und christlicher Zucht. Inzwischen musste noch ihr Sohn die Heimat verlassen und ins Exil gehen (1959). Gott sei Dank erlebte sie die Rückkehr ihrer Tochter Olga aus dem Gefängnis (Mai 1960), bis sich Olga nach einer hoffnungslosen Operation und 5-monatigen Leiden sich von uns verabschiedete.
Sie starb am 25. September 1960 in ihrem Haus in Tisnov. Am 29. September war die Beerdigung in der Kirche des hl. Wenzel, unter großer Beteiligung vieler von nah und fern, ein Zeichen der Gerechtigkeit Gottes.
Im Mai 1945 verblühten in Odrau 42 Blumen …
Vor drei Jahren haben Zdenek und Emil Mateiciuc begonnen, ein dunkles Geheimnis in der Geschichte der Stadt Odrau/Odry im Kreis Neutitschein/Nový Jičín im Kuhländchen zu lüften. Angefangen hat alles mit dem Firmenschild „Irmgard Winkler, Blumenhandlung“, das Dekan Petr Kunik 2021 auf dem Dachboden des Pfarrhauses fand.
Intensive Recherchen, auch in Deutschland bei einer fast unmittelbar Beteiligten, brachten an den Tag, was am 7. Mai 1945, dem Ende des Krieges, in Odrau passiert war. Die Oder führte Hochwasser und die drei Brücken wurden von abziehenden deutschen Truppen gesprengt. Mit erheblichen Schäden blieb jedoch der eiserne Fußgängersteg, auch Blumenbrücke genannt, in Takt. Über diese drangen am 6. Mai 1945 gegen 21 Uhr Kampftruppen der 38. Sowjetischen Front mit leichten Fahrzeugen in die Stadt Odrau ein.
Ein einfaches Haus links an der Schlossstraße mit dem Schild "Irmgard Winkler - Blumenhandlung" entging offenbar einigen sowjetischen Soldaten nicht. Am nächsten Tag brachen sie in das Haus ein und vergewaltigten barbarisch im Beisein der Eltern Franz und Aurelie Winkler deren unverheiratete Töchter Elisabeth und Irmgard. Es ist schwierig, aussichtslos und unmöglich, sich das immense Trauma vorzustellen, das die Mädchen und ihre Eltern dabei erlitten hatten.
Elisabeth Winkler floh über die Straße zur Brauerei Fried und erhängte sich. Irmgard schnitt sich die Pulsadern auf, ebenso ihre Mutter Aurelie, und Vater Franz Winkler erschoss sich. Weitere 38 Bewohner Odraus kamen in diesen düsteren Zeiten auf ähnlich entsetzliche Weise ums Leben. Alle wurden zwar im Odrauer Friedhof begraben, aber die Orte sind heute unbekannt und keines der Gräber blieb erhalten. Die Namen der unschuldigen Opfer schienen für immer vergessen zu sein.
Zdenek Mateiciuc und sein Bruder Emil, die schon viele Initiativen und Projekte für die tschechisch-deutsche Verständigung ins Leben gerufen hatten, beschlossen, die 42 Namen dem Vergessen zu entreißen.
Am 24. Oktober 2024 war es soweit, dass dieses tragische Kapitel symbolisch abgeschlossen und in Odrau der „Blumenweg“ zum Andenken an die 42 Opfer eröffnet werden konnte.
Eine beachtliche Anzahl Odrauer und Kuhländler trafen sich an der Blumenbrücke, dem eisernen Fußgängersteg über die Oder. Dort beginnt der Blumenweg. Bürgermeister Libor Helis und Mgr. Martin Vitko vom Archiv in Neutitschein erinnerten an die Maitage 1945 und was sich am Ende des Zweiten Weltkriegs in Odrau abgespielt hatte.
Schweigend wanderten die Teilnehmer anschließend die Schlossstraße hinauf, bis zur Burgstraße, an jene Stelle, wo einst das Blumengeschäft von Irmgard Winkler stand. Heute befindet sich da das erste Mahnmal mit zwei stilisierten Rosen und einer erklärenden Tafel. In seiner Gedenkrede berichtete Zdenek Mateiciuc in bewegenden Worten, was an diesem Ort am 7. Mai 1945 geschehen war.
Entlang den im Gehsteig eingelassenen, wegweisenden Blumenplatten ging die Gruppe zum Odrauer Friedhof, wo der Blumenweg endet. Dort befindet sich eine zweite, größere Gedenkstätte mit stilisierten stählernen Rosenblättern, in die die 42 Namen der unschuldigen Opfer eingestanzt sind. Damit wird bleibend an die auf tragische Weise umgekommenen deutschen Odrauer erinnert. Ihre Namen geraten nie in Vergessenheit, sie sind damit in ihre Heimat zurückgekehrt.
Diese einzigartigen und unverwechselbaren Denkmale, die die Geschichte des Ortes und des grausamen Geschehens dauerhaft widerspiegeln, schuf die deutsch-tschechische Bildhauerin und Metalldesignerin Christine Habermann von Hoch, die auch über ihre Gedanken bei der Umsetzung der Mahnmale sprach.
Dekan Petr Kunik segnete die Gedenkstätten in würdiger Weise und legte dabei Hiob Kapitel 19,1. 23-27a aus, in dem berichtet wird, wie sich Hiobs Leben innerhalb kurzer Zeit völlig änderte. Pfarrer Kunik übertrug dies auf die unschuldigen Opfer von Odrau, bei denen durch Ideologie, durch Hass, durch Krieg das Leben ebenfalls in wenigen Augenblicken zerstört wurde.
Ulf Broßmann, Landschaftsbetreuer des Kuhländchens, wies in seinem Gedenken am Mahnmal darauf hin, dass es wohl eine Fügung gewesen sei, als Dekan Petr Kunik, 76 Jahre nach Kriegsende, das Firmenschild der „Blumenhandlung Irmgard Winkler“ fand. Damit habe er die Nachforschungen über das Schicksal der Familie Winkler selbst sowie weiterer 38 Odrauer Frauen und Männer angestoßen. Heute würden wir wissen, wie diese 42 Menschen auf grausame Art und Weise ums Leben gekommen seien. Ihre Namen wurden in dem Denkmal verewigt. So würden diese unschuldigen Opfer immer präsent in unserem Gedächtnis bleiben und uns daran erinnern, dass Menschenwürde stets unantastbar sei. Sie zu achten und zu schützen, sei zu allen Zeiten unser aller Pflicht.
Begleitet wurde die ergreifende Feier durch eine adäquate musikalische Umrahmung.
Alle Kuhländler danken Bürgermeister Libor Helis, den Ratsmitgliedern und den Stadträten von Odrau, Dekan Petr Kunik sowie der Künstlerin Christine Habermann von Hoch, aber vor allem Zdenek und Emil Mateiciuc dafür, was sie für die deutschen Bewohner Odraus getan haben und immer noch tun, insbesondere aber für die Umsetzung des bewegenden Blumenweges und die Errichtung der erschütternden und berührenden Mahnmale an der ehemaligen Blumenhandlung und auf dem Friedhof. Diese beiden Gedenkstätten mahnen uns gegen das Vergessen und fordern uns 80 Jahre nach Kriegsende auf zu einem „Niemals wieder!“
Ulf Broßmann
Eisernes Priesterjubiläum von Monsignore Herbert Hautmann
In der Dreifaltigkeitsbasilka in Gößweinstein feierte Herbert Hautmann zusammen mit seinen Mitbrüdern, dem Leitenden Pfarrer der Basilika P.Ludwig Mazur OFM Pfarrer Alfred Bayer sein 65-jähriges Priesterjubiläum.
Im Eingangslied aus der Schubert-Messe, heißt es im ersten Vers: „Wohin soll ich mich wenden, wenn Gram und Schmerz mich drücken. Wem künd‘ ich mein Entzücken, wenn freudig mein Herz?" Die Antwort darauf, die gleich im nächsten Abschnitt steht, hat der Gute Hirte Herbert Hautmann in seinem 65-jährigen priesterlichen Wirken immer wieder an seine ihm Anvertrauten weitergegeben: „Zu dir, zu dir o Vater komm ich in Freud und Leiden. Du sendest ja die Freuden. Du heilest jeden Schmerz." Die Festpredigt hielt P Ludwig Mazur. Er zitierte aus dem Roman „Nachtzug nach Lissabon“: „Ich möchte nicht in einer Welt ohne Kathedralen leben. Ich brauche ihre Schönheit und Erhabenheit. Ich brauche sie gegen die Gewöhnlichkeit der Welt!" Und diese Worte aus diesem Buch könnten auch von Pfarrer Hautmann sein. Davon ist der Pater überzeugt. Er drückte seine Freude darüber aus, dass der immer noch aktive Ruhestandsgeistliche in Gößweinstein wohnt und als Subsidiar noch so viel aushilft.
Der Autor dieses Berichtes Bernhard Kuhn hat schon vor 35 Jahren in der Presse veröffentlicht: „Wo dieser Pfarrer hinkommt, da geht die Sonne auf“ , und das habe sich bis heute immer wieder bewahrheitet, und so habe Pfarrer Herbert Hautmann an allen seinen Wirkungsstätten, in Nürnberg- St. Michael, Bad Windsheim- St. Bonifaz, Fürth- St. Heinrich, St. Nikolaus, Bad Steben, Schwarzenstein, Schwarzenbach am Wald und Stöckach und nunmehr im Seelsorgebereich Fränkische Schweiz Süd und im Dekanat Ebermannstadt durch sein segenreiches Wirken, seine Güte, Liebe und Menschlichkeit bleibende Spuren hinterlassen. Herbert Hautmann erinnert sich zum Beispiel gerne an die Partnerschaft, die er zwischen Fürth-St. Heinrich und der Dom-Pfarrei Limoges in Frankreich wesentlich ins Leben gerufen hat.
In seinem Grußwort beschrieb sein ehemaliger Sekretär Bernhard Kuhn das priesterliche Wirken des allseits beliebten Geistlichen: „Wenn Sie lieber Herr Pfarrer mit uns Eucharistie gefeiert haben, verspürten wir: Hier ist ein Mensch, der Freude hat am Dienst für Gott und die Menschen. Hier ist ein Mensch, der Freude und Zuversicht ausstrahlt und gern für andere da ist, der sich vor allem auch eingesetzt hat für die armen Gemeinden. Hier ist ein Mensch, der aus der Frohen Botschaft lebt! Monsignore Herbert Hautmann war und ist ein Seelsorger mit Leib und Seele". In diesen Festgottesdienst erwiesen auch verschiedene Landsleute dem in Eger geborenen Pfarrer die Ehre, u.a. Vertreter der Eghalanda Gmoin und der Banater Schwaben, um nur zwei Beispiele zu nennen. Es waren aus seinen vielen Gemeinden, in denen Pfarrer Hautmann als Subsidiar jetzt noch Gottesdienste hält, Abordnungen da, die "Ihrem Pfarrer" gratulieren wollten. Es waren Vertreter sudetendeutscher Ortsverbände da, so auch die stellvertretende Landesvorsitzende und Bezirksvorsitzende der Sudetendeutscher Landsmannschaft Margaretha Michel und der stellvertretende Bezirksvorsitzende Adolf Markus, die den Jubilar mit einer Ehrung überraschten. Monsignore Herbert Hautmann hat für seinen kulturellen Einsatz für die Sudetendeutsche Landsmannschaft eine hohe Auszeichnung erhalten, nämlich die Adalbert-Stifter-Medaille, die die beiden Vorsitzenden ihrem Landsmann mit allen guten Wünschen und großem Dank für seine Verdienste übergeben durften. Der stellvertretende Bezirksobmann Adolf Markus skizzierte in seinen Gratulations- und Dankesworten Hautmanns Stationen zum Priestertum. Mit seinen Eltern und Geschwistern musste er das schwere Los der Vertreibung erleiden. Sein Theologiestudium absolvierte er in Königstein, München und Bamberg, wo er am 13. März 1960 vom damaligen Bamberger Erzbischof Josef Schneider zum Priester geweiht wurde. Und dies habe er sein Leben lang nicht bereut, sagte der Jubilar in seinen Dankesworten. Er dankte allen, die zu diesem Festgottesdienst gekommen waren, sowie seiner Familie, und allen die ihm in irgendeiner Weise behilflich sind. Am Schluss bedankten sich P. Ludwig Mazur und die Pfarrgemeinderatsvorsitzende Kathrin Heckel mit einem Geschenk und freuten sich diesen rüstigen Jubilar in ihrer Gemeinde zu haben. Möge der Herr seinem treuen Diener weiterhin Gesundheit und Gnade schenken, dass er noch lange bei guter Gesundheit seinen vorbildlichen und bewährten Weg des Glaubens gehen kann. Ad multos annos!
Bernhard Kuhn
Personalia
Gregor Maria Hanke
ist am Pfingstsonntag, dem 8. Juni 2025, auf eigenem Wunsch im Alter von 70 Jahren in den frühzeitigen Ruhestand getreten und hat sein Amt als Bischof von Eichstätt niedergelegt. Bereits Papst Franziskus hat den Rücktritt zu diesem Termin angenommen.
Gregor Maria Hanke war seit 2006 Bischof von Eichstätt. Zuvor hatte er 13 Jahre al Abt die Abtei Plankstetten geleitet. Seine Eltern stammen aus dem mährisch-schlesischen Kreis Troppau.
Holger Kruschina
Pfarrer von Nittenau, Bistum Regensburg und Vorsitzender des Sudetendeutschen Priesterwerks wurde über die Bundesliste in die XVIII. Bundesversammlung der Sudetendeutschen Landsmannschaft gewählt.
Lukas Hrabanek
wurde bei der Mitgliederversammlung im März als Beisitzer in den Vorstand des Sudetendeutschen Priesterwerks gewählt. Hier stellt er sich vor:
Ich wurde 1987 in Prag geboren und wuchs in Dejvice/Dewitz auf. Meine Taufe und erste heilige Kommunion empfing ich in der Kirche des heiligen Antonius von Padua in Holešovice/Holleschowitz, meine Firmung aus den Händen von Bischof Jaroslav Škarvada in St. Ignatius in Nové Město/Neustadt. Seit meinem vierten Lebensjahr war ich Messdiener in St. Antonius, im Veitsdom, in St. Vojtěch in Dejvice/Dewitz und schließlich während meiner gesamten Studienzeit in St. Ignatius. Nach der Grundschule besuchte ich das Gymnasium Jižní Město und anschließend das Jan-Neruda-Gymnasium in Mala Strana, zweisprachige Abteilung, wo ich 2007 das tschechische und französische Abitur ablegte. Danach trat ich in das Theologische Konvikt in Olomouc ein und absolvierte dann von 2008 bis 2012 die Katholisch-Theologische Fakultät in Prag. Im Jahr 2011 habe ich im Rahmen des Erasmus-Programms an der Universität Regensburg studiert. Nach meinem Studium arbeitete ich ein halbes Jahr als Pastoralassistent in Kolin in Tschechien. Im Jahr 2013 wurde ich von Bischof Baxant ins bayerische Eichstätt entsandt, um meine Priesterausbildung abzuschließen und an der Theologischen Fakultät der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt das Lizentiat in Dogmatischer Theologie zu erwerben. Am 26.7.2014 wurde ich in Litoměřice/Leitmeritz vom Bischof Jan Baxant zum Diakon und am 27.6.2015 zum Priester geweiht. Ein Jahr lang war ich Pfarrvikar in Jablonec nad Nisou/Gablonz an der Neiße, ab 1.Juli 2016 Pfarrer des Pfarrbezirks Mcely/Mzell, ab 15.3.2023 in Louny und Umgebung und dann ab 1.10.2023 in Libochovice/Libochowitz und Umgebung. Zum 15.9.2024 wurde ich zum Präsidenten des Diözesan-Caritasverbandes Litoměřice/Leitmeritz ernannt.
Zu meinen Hobbys gehören Lesen, klassische Musik (ich spielte Klavier) und Sport (ich war ein Tennisspieler).
Im Jahr 2016 nahm ich zum ersten Mal an einem deutsch-tschechischen Priestertreffen in Passau teil. Obwohl ich nur unregelmäßig an den Treffen teilnahm, war ich immer dankbar für die herzliche Aufnahme in der Gemeinschaft der tschechisch-deutschen Priester. Neben den freundschaftlichen Beziehungen schätze ich auch sehr die geistliche Vertiefung: gemeinsame Messe, gemeinsames Gebet, Exerzitien, aber auch die intellektuell-pastorale Weiterbildung, die dank des interessanten Programms während der Treffen stattfindet.