Vorwort des Vorsitzenden

Pfarrer und Regionaldekan Holger Kruschina, Vorsitzender des Sudetendeutschen Priesterwerks

Liebe Mitglieder und Freude des Sudetendeutschen Priesterwerks!
sýnodos (σύνοδος) bedeutet, auch wenn mein Griechisch so wenig war, dass es nicht einmal Gelegenheit hatte einzurosten (im Gegensatz zu meinem Latein: das rostet!), „gemeinsamer Weg“. In Deutschland lasten auf diesem Begriff große Erwartungen auf der einen und Befürchtungen auf der anderen Seite. Aber auch weltkirchlich spielt der Begriff seit dem Pontifikat Papst Franziskus‘ eine erhebliche Rolle. Nun soll dieser Weg noch intensiver beschritten werden – es sind spannende (und spannungsgeladene) Zeiten.
Wenn ich das Vorwort für unsere Mitteillungen schreibe und das Wort „gemeinsamer Weg“ bedenke, fallen mir zwei große Ereignisse ein: der Aufbruch meiner Vorfahren in neue Siedlungsgebiete und der erzwungene Auszug Jahrhunderte später. Vom letztgenannten Ereignis weiß ich, wieviel Leid damit verbunden war: aus Erzählungen und Lektüre, nicht mehr aus eigener Erfahrung natürlich. Meine „historische“ Perspektive zeigt mir aber auch: Was in den Jahren 1945 und folgende nur als Abbruch und Katastrophe erlebt wurde, hat sich in der Folge zu einem Aufbruch in eine neue, vielfach gelungene Existenz in Sicherheit und Wohlfahrt entwickelt. „Was wäre wenn…? ist eine interessante Frage für Gedankenspiele und auch, um aktuelle Entscheidungen in möglichst allen Varianten zu bedenken. Geschichtlich betrachtet ist sie freilich müßig.
Vom Auszug meiner Vorfahren vor vielleicht 800 Jahren weiß ich herzlich wenig? War er Not geschuldet oder Abenteuergeist? Welche Rolle spielten Entscheidungen, die andere für einen trafen? Gab es mehr Träume und Wünsche als Ängste? Was davon hat sich – vor allem in der damaligen Erlebnisgeneration – erfüllt? Wie reagierte man auf Überraschungen, Wendungen, Enttäuschungen?
Das Zauberwort mag die Vorsilbe „sýn“, also „zusammen“ gewesen sein. Für mich steckt dahinter eine positive Haltung, Verschiedenheit nicht zu negieren und trotzdem den Willen zur Einheit im Herzen zu tragen.
Ich bin kein Ratgeber für Synodale Wege der Kirche oder für Koalitionsverhandlungen, aber Gedanken mache ich mir grad über beides… und bin dankbar, Sie mit Ihnen teilen zu dürfen.

Ihr
Pfarrer und Regionaldekan
BGR Holger Kruschina
Vorsitzender des SPW

300 Jahre Seligsprechung von Johannes von Nepomuk

Am 31. Mai 1721 wurde Johannes von Nepomuk, Generalvikar der Erzdiözese Prag, als Seliger von Papst Innozenz XIII. zur Ehre der Altäre erhoben. Es dürfte wohl keinen anderen Heiligen der katholischen Kirche geben, der zum Zeitpunkt seiner offiziellen Seligsprechung bereits so lange Zeit als Heiliger verehrt wurde wie dieser Kirchenmann. Bereits hundert Jahre zuvor wird Johannes von Nepomuk unter den böhmischen Landespatronen aufgeführt. Seit 1771 - also seit 250 Jahren - ist er neben dem hl. Wenzel einer der beiden Hauptlandespatrone Böhmens. Vor 50 Jahren fand unter der Ägide des Adalbert Stifter Vereins die erste bedeutende Ausstellung über Johannes von Nepomuk statt. Diese Ausstellung wurde von Baronin Dr. Johanna von Herzogenberg, deren 100. Geburtstag wir in diesem Jahr gedenken, federführend erstellt. Der Hl. Johannes von Nepomuk ist auch in der Dauerausstellung des Sudetendeutschen Museums eminent vertreten.

Sein Leben
Johannes von Nepomuk wurde 1345/48 in Pomuk / Nepomuk südöstlich von Pilsen in einer gemischtsprachigen Familie geboren: der Vater Wolfgang war deutscher Herkunft, die Mutter böhmischer. Sicher hat er beide Landessprachen beherrscht, darüber hinaus selbstverständlich Latein. Johannes brachte es zunächst ohne Studium (!) zum kaiserlichen Notar am erzbischöflichen Gericht in Prag. Als Spätberufener wurde er mit etwa 35 Jahren zum Priester geweiht. Es folgte eine Bilderbuchkarriere: Pfarrer der renommierten Prager Altstadtpfarre St. Gallus, die damals noch als eine deutsche Pfarrei galt; 1383-87Jurastudium in Padua; 1387 Promotion in Kirchenrecht; 1389 Generalvikar der Erzdiözese Prag „in spiritualibus“ und damit erzbischöflicher Chefjurist, 1390 dazu Erzdechant von Saaz und zugleich Domherr an St. Veit. Eine solche Laufbahn war damals für jemanden aus bürgerlichen Verhältnissen absolut ungewöhnlich! Seine bürgerliche Herkunft wurde Johannes von Nepomuk letzten Endes zum Verhängnis. In einem Streitfall zwischen dem Prager Erzbischof Johann von Jenstein und König Wenzel IV. geriet Johannes zwischen die Fronten. Adelige unterstanden dem Ständegericht und damit außerhalb des königlichen Machtbereichs. Den bürgerlichen Generalvikar aber traf die Rache des jähzornigen Königs tödlich. Nach schwerster Folter wurde Johannes bereits mehr tot als lebend in der Nacht zum 20. März 1393 in die Moldau gestürzt und ertränkt.

Heiligsprechung durch Volk, Domkapitel und Jesuiten

Noch im gleichen Jahr 1393 hatte Erzbischof Johannes von Jenstein, der vor dem König nach Rom geflohen, seinen ermordeten Generalvikar als „iam Martyr Sanctus“ bezeichnet, also als „bereits heiligen Märtyrer“. Der reuige König Wenzel ließ den Leichnam 1396 in den Chorraum des St. Veit-Domes überführen. In der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts entsteht die Legendenerzählung über Johannes als „Beichtiger“, d. h. als Beichtvater der Königin. Johannes‘ standhafte Haltung, das Beichtgeheimnis auch vor dem König zu wahren, habe zu seiner Ermordung geführt. Damit war die legendenhafte Verbindung von Martyrium und Beichtgeheimnis in die Welt gesetzt, die dann für eine rasche Ausbreitung der Volksverehrung sorgte. Wichtigster Förderer der Verehrung war das Domkapitel von St. Veit, dem Johannes ja angehört hatte. Vom frühen 16. Jahrhundert stammen Zeugnisse, dass Johannes nicht nur als Märtyrer des Glaubens und Hüter des Beichtgeheimnisses verehrt wurde, sondern seine Verehrung auch zu Wundern geführt hat. 1541 nannte der böhmische Chronist Wenzel Hájek von Libočan unter Berufung auf viele Gläubige Johannes in seiner Kronika česká einen „heiligen Märtyrer Gottes“. Dompropst Georg Barthold Pontanus von Braitenberg bezeichnete Johannes mehrfach als Heiligen (1599, 1602, 1608). In seinem Werk Hymnorum sacrorum (1602) ist in einem Holzstich erstmals Johannes von Nepomuk mit den zentralen Hinweisen auf sein Martyrium darstellt: Vor einem bärtigen, sitzenden Priester (Johannes) kniet die Königin und beichtet. Im Hintergrund sieht man den Brückensturz, daneben eine Kirche (Heilig-Kreuzkirche, die erste Begräbnisstätte) und das Grab im Veitsdom (siehe Holschnitt). Schon 1608 ordnet Pontanus von Breitenberg in seinem Werk Bohaemia pia Johannes als siebten Heiligen den böhmischen Landespatronen zu. 1707 finden wir in einer Darstellung der böhmischen Landespatrone Johannes von Nepomuk sogar an zentraler Stelle in der Mitte! Ein Exemplar dieser Darstellung ist auch im Sudetendeutschen Museum ausgestellt!
1641 publizierte der Jesuitenpater Georg Plachý mit Žiwot sw. Jana Nep. wysokého učení Pražského magistra eine erste Lebensbeschreibung in tschechischer Sprache. Der Prager Weihbischof Johann Ignaz Dlouhoweský von Langendorf (Vita et mortis S. Joannis Nepomuceni, 1668) und der Jesuitenpater Bohuslav Balbin (Vita B. Joannis Nepomuceni, 1670/71) haben die ersten historisch fundierten Lebensbeschreibungen verfasst, die bis Mitte des 19. Jahrhunderts maßgeblich blieben.

Seligsprechung durch die Kirche
Dreihundert Jahre nach seinem Martyrium war Johannes von Nepomuk noch immer nicht kanonisiert. 1675 hatte sich der Prager Domdechant Pešina von Čechorod um die Aufnahme des kanonischen Prozesses bemüht, sein früher Tod 1680 brachte das Projekt aber zum Erliegen. Deshalb nahm sich der Kaiser persönlich der Sache an: 1696 drängte Kaiser Leopold Erzbischof Johann Josef Breuner, sich für die Seligsprechung einzusetzen. Das Haus Habsburg sah in der Person des Johannes von Nepomuk in idealer Weise die Verkörperung der „Böhmischen Nation“ mit Tschechen und Deutschen. Johannes mochte daher wohl besonders geeignet erscheinen, die Zusammengehörigkeit der habsburgischen Länder zu symbolisieren. Es war v. a. der Adel Böhmens, der nach der Überwindung der Pest 1680 und dem Sieg über die Türken 1683 die Verehrung des Johannes in Wien sozusagen hoffähig machte. Aber erst nach Beendigung des Spanischen Erbfolgekrieges konnte der Seligsprechungsprozess zu einem Abschluss gebracht werden. Erzbischof Franz Ferdinand von Kuenburg setzte hierzu 1715 eine neue Kommission ein. Bei der Öffnung des Grabes am 15. April 1719 fand man eine weiche Masse, die von der anwesenden Kommission als Zunge des Johannes identifiziert wurde. Die Legende des Beichtgeheimnisses schien damit bestätigt zu sein. Am 31. Mai 1721 fand die Seligsprechung statt, die der erst drei Wochen zuvor gewählte Papst Innozenz XIII. vornahm. Dieser hatte als Jesuitenzögling Leben und Wirken Johannes von Nepomuks kennen- und schätzen gelernt. Innozenz XIII. leitete auch umgehend den Prozess zur Kanonisation ein, die nach nur acht Jahren am 19. März 1729 in der Lateranbasilika sein Nachfolger Benedikt XIII. durchführte.

Die Feier der Seligsprechung in Prag
Die Feierlichkeiten zur Seligsprechung in Prag begannen am 4. Juli 1721 und dauerten 8 Tage. Vor dem noch unvollendeten Dom war an der Westfassade ein gewaltiges Festgerüst (theatrum honoris) aufgebaut (siehe Kupferstich von 1722) Der Leichnam wurde aus dem Grab erhoben und in einem Kristallsarg in einer Prozession über die Burghöfe und den Hradschiner Platz wieder zurück in den Dom getragen. Die Spitze der Prozession bildete eine Fahne mit dem Bildnis des neuen Seligen. Dahinter folgten in hierarchischer Ordnung die Geistlichkeit, zuerst die Ordensgeistlichen, dann die Professoren der Universität, danach erst die Weltgeistlichen und die Kanoniker der Prager Stiftskapitel. Das Zentrum hinter dem Vortragekreuz bildete der Kristallsarg, getragen von den Domherren an St. Veit. Diesen folgte Erzbischof Graf Kuenburg, der das Zungenreliquiar vor sich trug. Hinter ihm schritt unter einem Baldachin Kaiserin Elisabeth Christine, die Mutter der späteren Kaiserin Maria Theresia, wie an dem Kupferstich gut zu erkennen ist. Der Kaiserin folgten Vertreter des Adels und der Studentenschaft, dahinter die Gläubigen. An der Prozession nahmen auch Gläubige aus den österreichischen Erbländern, Ungarn und Polen teil. Die unmittelbare Wirkung der Seligsprechung auf das Glaubensleben mag an einer beeindruckenden Zahl bemessen werde: In der zweiten Jahreshälfte 1721 wurden an den 12 Altären des Veitsdomes über 50.000 (!) Messen gelesen.

Auch Landespatron Bayerns
Eine mittelbare Folge der Seligsprechung des Prager Generalvikars war seine Erhebung zum Landespatron Bayerns. Parallel zur Verehrung in den österreichischen Erbländern hatte sich die Verehrung des Johannes von Nepomuk seit 1680 in Bayern ausgebreitet. Auch hier spielten der Jesuitenorden und der Adel eine wichtige Rolle bei der Verbreitung des Kultes. Hinzu trat eine historische Besonderheit: Königin Sophie, deren Beichtgeheimnis Johannes von Nepomuk der Überlieferung nach mit seinem Leben verteidigte, war nämlich eine bayerische Prinzessin aus dem Hause Wittelsbach. Drei Jahre nach der Seligsprechung gründete sich in München eine Johann-Nepomuk-Bruderschaft. Ihrem Wirken und Werben ist es wohl zu verdanken, dass der bayerische Kurfürst Karl Albrecht, der nachmalige, glücklose Kaiser Karl VII., am 27. Mai 1729 Johannes zum bayerischen Landespatron erklärte, nachdem zwei Monate zuvor die offizielle Heiligsprechung erfolgt war. Johannes von Nepomuk ist damit gleichsam ein geistlicher Vorläufer der Schirmherrschaft Bayerns über die Sudetendeutschen!

Dr. Raimund Paleczek

Wallfahrt nach St. Anna in Plan

Die 32. St.-Anna-Wallfahrt nach Plan musste, wie im Vorjahr, unter Einschränkungen stattfinden. Auch die Fußwallfahrt fiel in diesem Jahr aus. Dennoch fanden sich über 100 Gläubige von tschechischer und deutscher Seite, darunter auch zehn Rad-Wallfahrer aus Tirschenreuth, in der Barockkirche auf dem Annaberg in Plan ein.
Regionaldekan Holger Kruschina aus Roding leitete in diesem Jahr die Wallfahrt. Mit dem Vorsitzenden des Sudetendeutschen Priesterwerks standen Pfarrer Jaroslav Sasek aus Plan, Pfarrer Armin Meierhofer aus Mähring, Regionaldekan Georg Flierl und Pater Paul aus Kenia am Altar. Herbert Konrad, Vorsitzender des Fördervereins St. Anna, begrüßte zudem den künftigen Pfarrer von Plan, Pater Majkov. Ewa Pankowska (Gesang) und die Tirschenreuther Organistin Kornelia Chichon gestalteten die Messe musikalisch.
In seiner Predigt ging Pfarrer Kruschina auf das Sudetendeutsche Priesterwerk ein. Dies ist ein Zusammenschluss von Priestern, die 1945/46 die angestammte Heimat verlassen mussten. Aktuell engagieren sich noch rund 90 Mitglieder für den Brückenschlag zwischen der deutschen und der tschechischen Kirche. Kruschina spannte einen weiten Bogen durch seine persönliche Biografie zum St.-Anna-Fest. Die beiden Großmütter des Predigers, sowohl die auf der bayerischen, als auch auf der böhmischen Seite, hießen Anna. Sein Vater stammt aus einem kleinen Dorf zwischen Prag und Brünn an der Grenze zwischen Böhmen und Mähren. Bei einem Besuch in Ostböhmen kam ihm der Gedanke: Nur durch Flucht und Vertreibung seiner Großeltern lernten sich sein Vater und seine Mutter kennen. „Ohne Flucht und Vertreibung gäbe es mich nicht. So ist aus Not und Elend, durch die Liebe zwischen Böhmen und Bayern mein Leben entstanden.“
Zum Abschluss des Gottesdienstes ging der Vorsitzende des Fördervereins auf die Geschichte der einst bedeutendsten Wallfahrtsstätte im westböhmischen Raum ein. Dass diese Wallfahrt vor über 30 Jahren wieder zum Leben erweckt werden konnte, sei vielen Spendern zu verdanken. Rund 400.000 Euro investierte der Förderkreis bisher, damit die Wallfahrtskirche wieder für Gottesdienste, Hochzeiten und Konzerte genutzt werden kann. Besonders am Äußeren nagte der Zahn der Zeit, erinnerte sich Im Innern sei die Kirche noch gut erhalten gewesen, obwohl die letzte Restaurierung schon mehr als 120 Jahre zurückliegt.
Besonders aufopferungsvoll kümmerten sich zwei Personen um die Kirche. Tirschenreuths ehemaliger Stadtpfarrer Georg Maria Witt knüpfte Kontakte über die Grenze und organisierte Spendengelder. Einen unermüdlichen Unterstützer fand er im Tirschenreuther Architekten Klaus-Peter Brückner, so dass St. Anna wieder ein würdige Äußeres erhielt.
Mit einer Gedenktafel an der Nordseite im Kirchenschiff, die Pfarrer Kruschina zum Abschluss des Gottesdienstes segnete, wird nun das außergewöhnliche Engagement der beiden mittlerweile verstorbenen Wohltätet gewürdigt und in dankbarer Erinnerung gehalten. Zum Abschluss der 32. St.-Anna-Wallfahrt galt der besondere Dank dem scheidenden Planer Pfarrer Jaroslav Sasek. Er begleitete die Wallfahrt fast zehn Jahre als „Hausherr“ und Brückenbauer zwischen den tschechischen und deutschen Pfarrgemeinden. Die Vorsitzende des Heimatkreises Plan-Weseritz, Regine Löffler-Klemsche, und der Vorsitzende des Fördervereins St. Anna bedankten sich bei ihm mit Erinnerungsgeschenken.

Venio - eine deutsch-tschechische Abtei

Die Abtei Venio in Prag

In einer unscheinbaren Seitenstraße im Münchner Stadtteil Nymphenburg in Sichtweite des berühmten Schlosses in einem Haus, das mehr das Aussehen einer Villa als eines Klosters hat, leben 15 Benediktinerinnen in der Abtei Venio. Vier weitere Schwestern leben in dem kleinen Kloster an der Wallfahrtskirche „Maria de Victoria“ auf dem Weißen Berg in Prag. „Venio wurde nicht gegründet, sondern ist entstanden“ heißt es in einer Broschüre über das Kloster. Wie ist also diese einmalige deutsch-tschechische Abtei entstanden?
Anfang der 1920er-Jahre entsteht in München ein Kreis von Frauen um Marianne Johannes, die von der benediktinischen Spiritualität begeistert sind. Sie beten nach der Arbeit gemeinsam Vesper und Komplet. Die Gruppe wird vom Beuroner Mönch P. Alois Mager begleitet. 1926 übernimmt Marianne Johannes, die seit einem Jahr Beuroner Oblatin war, auf Bitte der Frauen die offizielle Verantwortung für den kleine Kreis. Sie wird „Mutter Agnes“. Als Namen für die Gemeinschaft wählt sie einen Vers aus Psalm 40: „Ecce venio“ – „Siehe ich komme…um deine Willen zu tun“.
1928 legen die ersten drei Schwestern die Ewige Profess auf die Gemeinschaft Venio ab und beziehen ein Haus in der Baaderstraße in München. Das Ringen um die konkrete Lebensform wird 1940 dahingehend entschieden, dass es einen „Äußeren Kreis“ von Oblatinnen gibt und einen „Inneren Kreis“ von Frauen, die sich durch die Profess fest an die Gemeinschaft binden. Es ist von Anfang an so, dass die Frauen außerhalb des Klosters verschiedenen Berufen nachgehen und nur zum Stundengebet und Gottesdienst Habit und Schleier tragen.
1952 erwirbt die Gruppe ein neues Domizil in der Döllingerstraße, das 1956 erweitert wird. 1953 weiht Kardinal Joseph Wendel die neu errichtete Kapelle. 1957 erfolgt die Aggregatio an die Bayerische Benediktinerkongregation. Die kirchenrechtliche Einordnung zwischen Kloster und Säkularinstitut bereitet lange Schwierigkeiten. Doch 1992 wird die Kommunität Venio von Kardinal Friedrich Wetter als selbständiges benediktinisches Priorat der Erzdiözese München und Freising errichtet und unter Abtprimas Viktor Dammertz die Eingliederung die Confoederatio Benedictina vollzogen. 2013 wird Venio zur Abtei erhoben und die Priorin Sr. Carmen Tatschumerat empfängt von Kardinal Reinhard Marx die Benediktion zur Äbtissin.
In Prag war es nun so, dass 2004 drei tschechische Schwestern, die in einem Kloster in Polen lebten, eine eigene Gemeinschaft gründen wollten. Durch die Vermittlung von Abtprimas Notker Wolf und Prior P. Prokop Siostrzonek von der Brevnov-Abtei in Prag, kam es dazu, dass sie 2007 das Kloster auf dem Weißen Berg bezogen. So entstand nach über hundert Jahren vor allem politisch bedingter Unterbrechung in Tschechien wieder ein Benediktinerinnenkloster. Der geschichtsträchtige Ort fordert besonders heraus zur Ökumene und zur Versöhnung zwischen den Völkern. Da die neue Kommunität auf dem Weißen Berg jedoch nicht selbstständig sein konnte, schlossen sie sich der Abtei Venio in München an. Dabei spielte die damalige Priorin Sr. Agape Gensbaur, die aus Prag stammte und durch die Vertreibung der Sudetendeutschen nach München kam, eine wichtige Rolle.
Seit 13. Februar 2021 liegt nun die Leitung der Abtei in den Händen von Äbtissin Francesca Simuniová. Die 48-jährige wurde in Brandeis an der Elbe–Altbunzlau (Brandýs nad Labem-Stará Boleslav) geboren und wuchs in einer evangelischen Familie der Böhmischen Brüder auf. Sie studierte Sonderpädagogik in Prag und ging dann an die lutherischen Heimvolkshochschule in Hermannsburg in Niedersachsen. Durch die Erfahrung tiefer menschlicher Zugewandtheit, die sie dort machte, vertiefte sich ihre Freude am christlichen Glauben. Nach Auslandsaufenthalten in Russland und Dänemark kehrte sich nach Prag zurück, wo sie für die „Aktion Sühnezeichen Friedensdienste“ arbeitete und fand dort Kontakt zur Katholischen Akademischen Gemeinde mit ihrem Pfarrer Tomas Halik. Nach der Konversion zur Katholischen Kirche begann sie 2008 das Noviziat im Kloster Venio und legte 2014 die Ewige Profess ab. Seit ihrer Wahl zur Äbtissin lebt sie in München, hält sich aber auch immer wieder für einige Zeit in Prag auf.
So ist die Abtei Venio mit ihren beiden Standorten in München und Prag eine reale und geistliche Brücke zwischen Deutschen und Tschechien im Geist des Hl. Benedikt, des Patrons Europas.

Thomas Hüsch – ein Jahr Pfarrer der deutschsprachigen Pfarrei in Prag

Pfarrer Thomas Hüsch

Seit einem Jahr ist Thomas Hüsch als Nachfolger von P. Martin Leitgöb CSsR Pfarrer der deutschsprachigen Pfarrei in Prag. Der 1969 in Kirchen/Sieg geborene wurde 1998 in Rom für die Diözese Trier zum Priester geweiht. Nach weiteren Studien in Rom und der Tätigkeit als Kaplan war er von 2006 – 2007 Seketär des damaligen Trierer Bischofs Dr. Reinhard Marx. Von 2007-2020 war er Pfarrer in der Pfarreiengemeinschaft Koblenz (Metternich) und von 2012-2020  Dechant des Dekanates Koblenz. Seit 2020 ist er nun Pfarrer der Deutschsprachigen Katholischen Pfarrei Prag. Hier nun seine Erfahrungen aus dem ersten Jahr in Prag:
Zum Zeitpunkt der Verfassung dieser Zeilen ist fast ein Jahr vergangen, seit ich meine neue Stelle als Pfarrer der Deutschsprachigen Pfarrei Prag angetreten habe. Am 13.September 2020 durfte ich meine erste Heilige Messe in St. Johannes Nepomuk am Felsen feiern – unter fast noch normalen Bedingungen. An diesem Tag war für mich noch nicht absehbar, dass mein erstes Jahr in Prag eine ganz besondere Prägung aufgrund der Covid-Pandemie bekommen würde. Ich bin hier in Prag sehr herzlich aufgenommen worden, sowohl von Seiten meiner Pfarreimitglieder als auch der Erzdiözese Prag und der Pfarrei St. Ludmilla in Vinohrady, in der ich meine Wohnung habe. Auch das ökumenische Miteinander mit meiner evangelischen Amtskollegin hat sich von Anfang an sehr gut und vertrauensvoll entwickelt. Prag ist überdies wirklich eine sehr schöne Stadt, in der man sich wohlfühlen kann. Trotz der verschiedenen Lockdowns war es mir möglich, Prag ganz gut kennenzulernen und mich einzuleben. Eine gewisse Herausforderung dabei ist natürlich die tschechische Sprache, aber meine Erfahrung ist, dass man mit Englisch im Alltag in der Stadt sehr gut zurechtkommt. Überdies sprechen viele tschechische Priester auch gut Deutsch, was meine Kontakte in die tschechische Kirche erleichtert hat.
Mein Hauptaugenmerk habe ich in den vergangenen Monaten darauf gerichtet, soviel Gemeindeleben in meiner Pfarrei aufrechtzuerhalten, wie unter Corona-Lockdown-Bedingungen jeweils möglich war. Mit kreativen Lösungen und Nutzung von Online-Angeboten ist es denke ich recht gut gelungen, die Gemeinde auch in den schwierigsten Wochen der Pandemie-Situation in Tschechien zusammenzuhalten. Die Feier der Heiligen Messe am Sonntag in unserer Kirche St. Johannes Nepomuk am Felsen war unter Einhaltung der jeweils aktuellen staatlichen Regelungen immer möglich. Den allergrößten Teil der Zeit auch als Präsenzgottesdienst mit begrenzter Teilnehmerzahl. In den wenigen Wochen, in denen Präsenzgottesdienste nicht möglich waren, haben wir die Heilige Messe live im Internet gestreamt. Dieses Angebot wurde von vielen dankbar angenommen. Besonders wichtig war mir aber auch in den vergangenen Monaten meiner Gemeinde immer wieder das Signal zu geben, dass ich für Ihre Anliegen da bin und allen im Gebet verbunden bleibe.
Während des Sommers hat sich die Pandemie-Situation in Prag zunehmend entspannt. Nun hoffen wir wohl alle, dass die Covid-Situation sich weiter positiv entwickelt und wir wieder mehr Normalität leben und erleben dürfen.

Pfarrer Thomas Hüsch
Deutschsprachige Katholische Pfarrei Prag